LESERANWALT
Nicht nur vor der Wahl: Empfehle Aufmerksamkeit für hartnäckiges Nachfragen bei Politikern
Eine Art Kuscheltrend sei in vielen Medien eingerissen. Das hat schon im Juni der Medien-Wissenschaftler Michael Haller in einem Zeitungsbeitrag verbreitet. Statt von Politikern Begründung und Rechtfertigung zu verlangen, würden sich viele Journalisten lieber im Dunstkreis der Macht bewegen. Mehrere Studien würden das zeigen. Kritisches Nachfragen scheine passé, damit die Aufforderung an Politiker, ihr machtvolles Handeln öffentlich zu begründen und zu rechtfertigen. Bewusst greife ich mit dieser Kolumne Wochen vor der Bundestagswahl am 24. September 2017 Hallers Kritik auf.
Ich bin verreist und werde – wenn nötig – nach meiner Rückkehr im September auf Zuschriften von Ihnen zurückkommen.
Hier Hallers Beitrag im Europäischen Journalismus Oberservatorium (ejo) lesen: "Wir brauchen kritischen Journalismus"
Hier die Leseranwalt-Kolumne zur Haller-Studie über die Berichterstattung zur Flüchtlingspolitik: "Teile der Lebenswelt wiederfinden"
Weitere ähnliche Leseranwalt-Kolumnen:
"Wie Journalisten Wirklichkeit erzählen" (2012)
"Warmduscher und Wackelpudding, ein satirischer Seitenhieb" (2009)
"Wie durchschaubar handeln Ihre Stadt- und Gemeinderäte"
"Bedürfnisse der Menschen müssen an die Politiker herangetragen werden" (2009)
"Auch für einen beliebten Politiker Rechte der Medien nicht in Frage stellen" (2011)
Anton Sahlender, Leseranwalt
auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute
www.vdmo.de
Erinnerung an die öffentliche Aufgabe
Haller erinnert daran, dass in einschlägigen Bundesverfassungsgerichtsurteilen, in den Landespressegesetzen und den Rundfunkstaatsverträgen ausdrücklich steht, dass Journalisten gegenüber der Politik Kritik und Kontrolle zu üben hätten. Dies sei Teil ihrer „öffentlichen Aufgabe“. Vielleicht, so mutmaßt Haller, würden sich Journalisten selbst für mächtiger halten, wenn sie mit den Mächtigen parlieren. Wörtlich: „Sie übernehmen die Sicht der Politiker und verlieren die Positionen aus dem Blick, die vom politischen Mainstream abweichen.“ Auch die Opposition im Parlament werde als bedeutungslose Randfigur behandelt. Man solle sich nicht wundern, meint der Medien-Wissenschaftler, dass die meinungsführenden Medien von vielen Oppositionellen als „Systempresse“ und als „Lückenpresse” attackiert würden.Wie ist es mit dieser Zeitung?
Das ist zweifellos eine überaus bissige Beurteilung des Journalismus von Haller, die ich bis hierher in Auszügen wiedergegeben habe. Man sollte sie im Journalismus aber auch als eine immer wieder notwendige Erinnerung wahrnehmen. Sie bezieht sich schwerpunktmäßig auf die sogenannten Leitmedien (darunter TV-Sender, "Spiegel" oder überregionale Blätter). Aber wie ist es es nun im Hinblick auf diese Regional-Zeitung? Ich besitze keine Studie, die das beantworten könnte. Aus eigenen Erfahrungen heraus vermag ich mich Haller weder anzuschließen, noch ihm zu widersprechen. Mitunter erkenne ich sowohl kritisches Nachfragen als auch von Haller als „weichgespülte Erzähl-uns-was-Befragungen“ eingestufte Interviews.Keine Hemmungen
Nun gibt es für „Liebenswürdigkeit“ durchaus Platz im Journalismus, etwa wenn es in Gesprächen eben nicht um harte Politik, sondern um Unterhaltung geht. Und zur Hemmung darf es auf keinen Fall führen, wenn unnachgiebiges Nachfragen zuweilen dann eher auf Leserkritik stößt, etwa dann, wenn jemand damit auch die eigene politische Haltung attackiert sieht. Dann ist es nicht immer einfach, die Gründe für Unnachgiebigkeit verständlich zu erklären. Gelingen sollte es allemal.Stellvertreter und Idealfall
Als gutes Zeichen wertet es Haller, dass im Juni der österreichische TV-Journalist Armin Wolf von der deutschen Journalistenvereinigung "Netzwerk Recherche" mit dem „Leuchtturm“ für „unerschrockene und hartnäckige Interviews“ ausgezeichnet wurde: Der zeige den im „Netzwerk Recherche“Nebel tappenden Kollegen den Weg, der sie zu ihrer Berufsrolle zurückführe. Wolfs Credo:„Ich sehe mich als Stellvertreter unserer Zuseher – und konfrontiere Politiker mit kritischen Fragen, Gegenargumenten und Widerspruch. Danach sind wir im Idealfall alle informierter. Über das Thema und auch den Politiker.“
Kritische Aufmerksamkeit vor der Wahl
Nach diesen Zeilen über einen kritischen Beitrag zum Journalismus in deutschen Leitmedien, der erstmals in Österreich verbreitet wurde (18. Juni 2017: „Der Standard“), empfehle ich nicht nur in den Wochen vor der Bundestagswahl (24. Sptember) speziell die Beurteilung der Nachfragen in Interviews dieser Zeitung mit Politikern Ihrer Aufmerksamkeit.Ich bin verreist und werde – wenn nötig – nach meiner Rückkehr im September auf Zuschriften von Ihnen zurückkommen.
Hier Hallers Beitrag im Europäischen Journalismus Oberservatorium (ejo) lesen: "Wir brauchen kritischen Journalismus"
Hier die Leseranwalt-Kolumne zur Haller-Studie über die Berichterstattung zur Flüchtlingspolitik: "Teile der Lebenswelt wiederfinden"
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"Wie Journalisten Wirklichkeit erzählen" (2012)
"Warmduscher und Wackelpudding, ein satirischer Seitenhieb" (2009)
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"Bedürfnisse der Menschen müssen an die Politiker herangetragen werden" (2009)
"Auch für einen beliebten Politiker Rechte der Medien nicht in Frage stellen" (2011)
Anton Sahlender, Leseranwalt
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