Eine redaktionelle Ungeschicklichkeit verletzt in einem Lokalteil der Zeitung und online eine journalistische Grundregel. Das ist bewusst vorsichtig formuliert. Es geschieht in einem Bericht über die Wiedereröffnung eines bekannten Cafés, das geschlossen gewesen war. Von diesem Neubeginn habe gewiss nicht nur ich gerne erfahren.
Eine Auf- und eine Abwertung
Allerdings wird in dem Bericht die Situation vor dem Start des Cafés unter neuer Führung als unbefriedigend bewertet. Wörtlich heißt es: „So stand man nicht gerade selten vor geschlossenen Türen, um sich am Ende doch den mittelmäßigen Filterkaffee vom Bäcker zu holen.“ Darauf folgt ein Signal der Zufriedenheit: „Doch nun gibt es einen neuen Anlaufpunkt für Kaffeeliebhaberinnen und -liebhaber in XX.“ In diesen Sätzen stecken zugleich Auf- und Abwertung. Das zugunsten des Cafés.
Die Bitte um Textänderung
Verständliche Kritik entnehme ich dem Onlineforum dieser Zeitung: Dass es es beim Bäcker nur mittelmäßigen Kaffee gäbe, sei „ja wohl eine Frechheit“ und „alle Bäcker über einen Kamm zu scheren so nicht hinnehmbar".
Denn eine zweite Meinung bestätigt, „den exzellenten Kaffee aus der Siebträgermaschine“ von einem nahen Bäcker habe er „während seiner Studienzeit sehr zu schätzen gelernt“. Einer bittet die Redaktion, den Online-Text zu ändern. Ich stimme zu. Dafür gibt es Gründe.
Die Verantwortung der Redaktion
Die Kaffee-Werturteile sind nicht als Worte der Café-Betreiberin berichtet. Die Redaktion selbst hat damit aktiv die Grenze zur Schleichwerbung für ein Café erreicht und den Bäckern dabei noch etwas eingeschenkt, nämlich mittelmäßigem Kaffee. Das hätte sie aber ebenso zu verantworten, wäre die Frau damit zitiert. Es lohnt eine nähere Betrachtung.
Geschmack gilt nicht als objektiv überprüfbares Kriterium
Man könnte die gesamte Passage leicht als belanglos, als mal so dahingesagt und zudem als unüberprüfbar abtun. Sind doch für diese qualitative Bewertung einiger an unterschiedlichen Plätzen verkauften Kaffees keinerlei objektive Kriterien erkennbar. Die wären nämlich für einen ordnungsbemäßen Kaffee-Test gefordert. Der liegt hier eindeutig nicht vor.
Ein solcher wäre aber für vergleichbare Produkte von Cafés und Bäckern journalistisch durchaus denkbar. Allerdings gilt Geschmack eben alleine ohnehin nicht als objektiv überprüfbares Kriterium. Noch weniger im Wettbewerbsrecht.
Subjektive Bewertung in lokalem Bericht
Ein anderes Produkt nur schlechter zu finden, das stellt im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, Paragraph 6 (UWG) für vergleichende Werbung auch noch keine Tatsachenbehauptung dar. Nun habe ich allerdings für den vorliegenden lokalen Bericht mit dem UWG und vergleichender Werbung vielleicht doch etwas zu hoch gegriffen.
Selbst das Vorbild der Stiftung Warentest würde zu weit führen. Wir betrachten nur eine subjektive Bewertung, die in einem redaktionellen Bericht auffällt. Es geht um den Pressekodex, vornehmlich Richtline 7.2. "Schleichwerbung".
Kriterium der Gleichbehandlung
Allerdings ist auch für Lokalteile das Kriterium der Gleichbehandlung unverzichtbar. Das gilt nicht nur für Berichte über Menschen. Schiefe Bilder der Wirklichkeit sollten nie entstehen oder weiter verbreitet werden. Sprachliche Leichtigkeit und lokaler Kolorit dürfen Genauigkeit nicht zum sprichwörtlichen „kalten Kaffee“ abwerten.
Der Presserat, wäre er zum vorliegenden Fall befragt, würde wohl gemäß Kodex erfahrungsgemäß kritisch darauf hinweisen, dass ein zulässiger redaktioneller Bericht eine unerlaubte werbliche Passage enthält. Aber das könnten wir nicht beeinflussen. Mir ist im Sinne dieses Beitrages am Verständnis einiger betroffener Bäcker und der Leserschaft gelegen.
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.
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