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Leseranwalt: Links oder Rechts? Warum bei Demonstrationen für die Demokratie konkrete Sprache so wichtig ist
Auch Omas gegen Rechts wollen konkret die Demokratie verteidigen. Dabei müssen für Journalisten Argumente vor Parolen stehen. Eine Warnung vor schwammigen Begriffen.
Rund 3000 Menschen nahmen am 20. Januar bei der Mahnwache von Omas gegen Rechts in Würzburg teil. Unverzichtbar ist dabei der konkrete Slogan 'Demokratie verteidigen - wir halten zusammen'. 
Foto: Silvia Gralla | Rund 3000 Menschen nahmen am 20. Januar bei der Mahnwache von Omas gegen Rechts in Würzburg teil. Unverzichtbar ist dabei der konkrete Slogan "Demokratie verteidigen - wir halten zusammen". 
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 15.07.2024 19:04 Uhr

Links oder rechts, das war zeitweise parteipolitisch kaum mehr zuzuordnen. Sprachlich fasst die schlichte Einordnung aber gerade wieder Fuß. Das Links-Rechts-Schema spielt weiter eine Rolle in wissenschaftlichen Analysen. Auch Leserinnen und Leser bewerten in Zuschriften mit den beiden Adverbien die Haltungen und Handlungen, die politisch sichtbar werden. Und speziell gegen Rechts gehen nicht nur Omas auf die Straße. Das ist für alle Demokratinnen und Demokraten erfreulich. Aber dennoch sollte gerade im Journalismus dabei jederzeit auf Differenzierung in der Sprache geachtet werden.

Tanjev Schultz: "Schwammige" Zuordnungen

So zu tun, als wären Positionen der politischen Mitte grundsätzlich besser und nobler als die rechts oder links davon, das hält beispielsweise der Journalistik-Professor Tanjev Schultz bei Übermedien in einem Aufsatz für irreführend. Die Mitte sieht er weder als neutral, noch per se als vernünftigen Ort politischer Auseinandersetzungen. Sie wandere hin und her. Verschiebe sich das Meinungsspektrum nach rechts, befinde sich das, was in der Mitte lag, plötzlich weiter links. Für ihn sind diese Zuordnungen "schwammig".

Die aktuelle Nachrichtenlage und der Blick auf Rechts 

Wie die Mitte definiert sei und was es heute bedeute, rechts oder links zu sein, damit ließen sich dicke Sonderbeilagen im Feuilleton füllen, urteilt Schultz in dem Aufsatz, der sich mit den politischen Einstellungen von Journalisten beschäftigt. Dass es aus der Sicht der Politikwissenschaft auch keine von allen geteilte Definition für die Parteien gibt, kann man bei der Bundeszentrale für politische Bildung nachlesen.

Der hier folgende Text hier richtet angesichts der aktuellen Nachrichtenlage den Blick auf Rechts und in diesem Zusammenhang auf die Sprache. Rechts verorten wir klassisch und nur oberflächlich betrachtet konservative Haltungen und den Status quo bei gesellschaftlichen Normen. Diese Perspektive dürfte wohl auch heute nicht vom Tisch sein. 

Schutz der Demokratie: Es geht um die gemeinsame Verfassung

Bei den Massen-Demos gegen Rechts in vielen Städten ist es ohnehin sehr wahrscheinlich, dass auch viele Leute dabei waren, die sich ob eher konservativer politischer Haltungen selbst noch eher rechts einordnen lassen. Mit anderen Demonstranten, von denen sich wohl die meisten selbst zur bürgerlichen politischen Mitte zählen, werden sie deshalb trotzdem kaum einen Widerspruch diskutieren.

Denn konkret geht es doch um die gemeinsame Verfassung und den Schutz der Demokratie. Das heißt, alle Beteiligten sehen deren gegenwärtige Bedrohung durch rechtsextreme Kräfte, das vorwiegend aus der AfD, aber nicht nur. Das machte zuletzt auch der Samstagsbrief dieser Zeitung an die Omas gegen Rechts deutlich: "Nie war ihr Einsatz für die Demokratie so wichtig wie jetzt!".

Ein Kampfbegriff, der Kollateralschäden erzeugen kann

So sind Kundgebungen für unsere freiheitlich demokratischen Werte und gegen Verfassungsfeinde und Rechtsextreme für alle existenziell geworden. Wer jedoch alleine "Rechts" zu oft sprachlich als Kampfbegriff nutzt, kann leicht Kollateralschäden erzeugen. Er trifft und bekämpft damit auch rechte Demokraten, also Menschen mit Einstellungen, die der politischen Kultur gut zu Gesicht stehen. Das ziemlich umfassende Adverb "rechts" wird damit längst komplett negativ belastet. Es verliert darüber in allen Bedeutungen die politische Unschuld. Ohne hinzugesetztes "extrem" wird es die Verständigung stören und kann Menschen ausschließen. Das ähnelt dem kommunikativen Schicksal des "Querdenkens".

Parolen, die sich gegen konstruktive demokratische Diskurse richten

Populisten und Extremisten missbrauchen häufig Worte, verkehren historische Bedeutungen für eigene Zwecke, etwa "Wir sind das Volk". In der Sache unklare Parolen verbreiten sie zunächst über ihre Netzwerke, um in der Folge auch gezielt konstruktive demokratische Diskurse damit zu ersticken. Das gehört zu ihren Waffen. Journalismus aber, der sollte nicht Gleiches tun.

Das heißt: Konkret gegen Verfassungsfeinde und für die Demokratie wird gekämpft, mit Mitteln des Rechtsstaates. Das ist ohnehin Verpflichtung der Presse, die einer seiner tragenden Bestandteile ist. Bei Journalisten, selbst Prügelknaben von Rechtsextremisten, müssen Argumente sprachlich in den Vordergrund treten. Sie müssen damit den Dialog aufrechterhalten.

Vor schwammigen Worten aber, sei gewarnt. Sie können auch Realität aufweichen. Denn konkrete Sprache spricht für Demokratie.

Anton Sahlender, Leseranwalt

Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

Weitere Leseranwalt-Kolumnen zum Thema:

2010: "Wachhunde der Demokratie mit Verfassungsrang"

Jan. 2021: "Störungen des demokratische Diskurses"

Jan. 2021: "Anreize zum Öffnen der eigenen Filterblase"

Juni 2023: "Was eine Studie dazu sagt, ob Journalismus einseitig rot-grün oder eher konservativ ist"

Okt. 2023: "Warum Journalisten einen Wertemaßstab für den Umgang mit Parteien brauchen"

 
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