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Leseranwalt
Leseranwalt: Eine Rüge, weil Verbindung zwischen Verlag und Kreuzfahrt-Veranstalter nicht offengelegt wurde
Auch Medienhäuser bieten Reisen an. Wenn sie ihre Geschäftsbeziehungen zu Tourismus-Unternehmen verschweigen, schadet das ihrer Glaubwürdigkeit.
Kreuzfahrten gelten als klimaschädlich. Das führt zu journalistischen Beiträgen darüber. Doch auch Medienunternehmen bieten Reisen an (Symbolbild). 
Foto: Michael Czygan | Kreuzfahrten gelten als klimaschädlich. Das führt zu journalistischen Beiträgen darüber. Doch auch Medienunternehmen bieten Reisen an (Symbolbild). 
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:54 Uhr

Es erstaunt, wenn sich ausgerechnet "Die Zeit" eine Presseratsrüge einfängt. Nimmt man die Wochenzeitung doch gemeinhin auch im Journalismus als vorbildlich wahr. Ich greife ihren Fall aber aus zehn Rügen heraus, die der Presserat zuletzt im Dezember verbreitet hat, weil er dorthin führt, wo sich viele Medien tummeln: In den Tourismus und zu Kreuzfahrten. 

Es geht um ein Interview mit der Chefin eines Kreuzfahrt-Veranstalters im September 2022. Unter der Überschrift "Verzicht macht die Welt nicht besser" sei sie auch zu Reisen und Klimaschutz befragt worden, teilt der Presserat mit. Zu ihrem Kreuzfahrt-Unternehmen gehöre freilich ein weiterer Kreuzfahrt-Veranstalter, mit dem gleichzeitig der Verlag der Zeitung selbst die "Seereise Brasilien" angeboten hatte. Doch die Redaktion habe es versäumt, beim Interview auf diese Verbindung hinzuweisen.

Eigeninteresse des Verlags muss erkennbar gemacht werden

Den entscheidenden Satz, mit dem der Presserat die Rüge begründet, dürfen Redaktionen nie aus den Augen verlieren: Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, ist dieses erkennbar zu machen. So fordert es Ziffer 7 des Pressekodex, in dem es um die Trennung von Werbung und redaktionellen Beiträgen geht. Das gilt natürlich auch dann, wenn für einen Journalisten oder eine Journalistin ein Eigeninteresse des Verlages mal nicht erkennbar sein sollte.

Das Interesse von Urlaubern an Kreuzfahrten ist erkennbar. Auch die Deutsche Presseagentur wird dem gerecht, etwa mit Vorstellungen der Schiffe, die unterwegs sind. Nun ist ja ein legitimes journalistisches Anliegen gerade dann schwerlich zu bestreiten, wenn das Spannungsfeld zwischen Reisen - hier Kreuzfahrten - und Klimaschutz verdeutlicht wird. Öffentliches Interesse daran rechtfertigt jenes Interview der Wochenzeitung. Deshalb könnte man sich fragen, was soll es eigentlich bringen, dem Gespräch noch die geschäftliche Verlagsbeziehung hinzuzufügen?

Die redaktioneller Glaubwürdigkeit ist gefährdet

Dafür sprechen gute Gründe. Die Redaktion stellt sich damit der besonderen Kontrolle ihrer Leserschaft, die dann gerade auf diesen Punkt gerichtet werden kann. Diese Transparenz macht eine bessere Bewertung und reale Einschätzung der Informationen aus dem Interview möglich. Jede und jeder kann selbst darauf achten, ob eine Beeinflussung oder der Versuch von Schleichwerbung erkennbar wird.

Und schließlich bewahrt und stärkt das ehrliche Bekenntnis der Redaktion deren eigene Glaubwürdigkeit. Die ist gefährdet, wenn die Geschäftsbeziehung anders offenbart wird. Die Durchschaubarkeit der Berichterstattung bleibt wichtig, gerade wenn es um Reiseziele geht.

Es geht um den offenen und unabhängigen Umgang

Beachtung verdient der Fall der Wochenzeitung bei Leserinnen und Lesern, denn er berührt ein vermintes Feld. Viele Medienhäuser bieten nämlich selbst Reisen an und kooperieren dabei mit Tourismus-Unternehmen. Das gilt auch für diese Zeitung. Das ist legitim und gehört so selbstverständlich zu den Geschäften von Medien wie ein offener und unabhängiger Umgang damit durch die Redaktion verlangt wird.

Aus Ziffer 15 des Pressekodex geht hervor: Eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion ist mit dem Ansehen, der Unabhängigkeit und der Aufgabe der Presse unvereinbar.

Was bei den Rügen zu berücksichtigen ist

Rügen des Presserates zu vermeiden, ist deshalb wichtig für den Journalismus. Sie treffen eine Redaktion, schaden aber dem Ansehen aller Medien. Sünder sind häufig Redaktionen der "Bild". Obwohl da eine Verbesserung erkennbar ist, muss das bei einer Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden.

Ganz abgesehen davon, werden nicht alle journalistische Verstöße gegen den Pressekodex ruchbar, denn wenn keine Beschwerde vorliegt, wird der Presserat nicht tätig. Grund sich über Rügen an anderen zu erheben, gibt es ohnehin keinen.

Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

Lesen Sie zum Thema auch:

2009: "Der umstrittene Provinz-Slogan und die redaktionelle Unabhängigkeit"

2012: "Presserat ist kein zahnloser Tiger"

2017: "Interessenskonflikte von Autoren müssen erkennbar sein"

2020: "Bericht über Kirchenprotest in Forst: Verstoß gegen den Pressekodex"

2021: "Warum Redaktionen so transparent wie möglich arbeiten sollten"

2022: "Eine Rüge des Presserats und die Kollision von Journalismus mit PR"

 
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