Genauere Betrachtung verdient die Kritik an einer Überschrift aus der Zeitung vom 19.12.. Leser J.J. schreibt mir dazu verwundert, „wenn die PKW in der EU bis 2030 sauberer werden sollten, ist das für diese Zeitung eine 'Niederlage für Deutschland'“ (So sagt es eine Überschrift auch online). Für J.J. ist diese Niederlage für unsere Regierung zwar notwendig, für Deutschland sieht er darin jedoch einen Sieg. Und weil hier die Koalition mit Deutschland gleichgesetzt wird, schreibt sogar von „Fake News“.
Diskussionswürdig
Des Lesers Kritik zielt auf eine Umschreibung, eine, die im Journalismus häufig gepflegt wird. Stellvertretend werden Sammelbegriffe verwendet, um darunter eine bestimmte Gruppe einzuordnen. Das geschieht gerne bei Regierungen, für deren Handeln dann - wie im vorliegenden Fall - das ganze Land eingesetzt wird. Das ist zulässig. Manchmal geschieht es nur, um sprachlich Abwechslung zu schaffen. Bei Überschriften erzwingt es zuweilen fehlender Platz. Diese Umschreibungen, die dann daraus entspringen, können aber auch diskussionswürdig sein.
Deutschland steht für die Regierung
Im vorliegenden Fall geht es konkret um das, was im Text des Beitrages nachzulesen ist: Dass es sich um eine „Niederlage der Bundesregierung“ handelt, weil die in der EU eine Senkung der Kohlendioxid-Werte in der Umwelt von nur 30 Prozent erreichen wollte, nicht aber die tatsächlich beschlossenen 37,5 Prozent. Die Vertretung der 30 Prozent hat die demokratisch gewählte Bundesregierung, derzeit in einer Koalition, allerdings für unser Land, ganz legitim aber erfolglos in der EU wahrgenommen. Das ist so, gleich ob umstritten oder nicht.
Sieg hättte nicht gepasst
Ich glaube, dieser Zusammenhang erschließt sich den meisten Lesern. Sie wissen, was gemeint ist. So durfte die EU-Entscheidung getrost als „Niederlage für Deutschland“ überschrieben werden. Steht die Überschrift doch über einem erklärenden Text und ist keine unzulässige Meinungsäußerung über einer Nachricht, unabhängig davon, dass es Deutsche gibt, die die Grenzwertentscheidung der EU als Sieg wahrnehmen. Hätte man aber den Beitrag mit "Sieg für Deutschland" überschrieben, wäre es kommentierend und keine Nachricht gewesen. Der legitime Auftrag einer gewählten Regierung wäre hinter anderen Meinungen zurückgestellt worden. „Sieg“ hätte über einen Kommentar gepasst, der vom Regierungskurs abweichende Meinungen stützt. Die wurden von der Redaktion ohnehin nicht übersehen. So war sie am gleichen Tag im Leitartikel erkennbar. Siehe "Klimaschutz ist kein Luxus, sondern Notwendigkeit"
Zum Nachdenken
Doch gebe ich am Ende für Redaktionen etwas zu bedenken: Gerade bei Berichten über Regierungshandeln, das in der Bevölkerung besonders umstritten ist, sollte in Nachrichten vielleicht für die Regierung besser auf den Sammelbegriff „Deutschland“ verzichtet werden. Das könnte bei oberflächlichen Betrachtern sonst leicht als Wille oder Unwille eines ganzen Volkes verstanden werden. Zumindest beim vorliegenden Artikel wäre auch in der Zeitung ohnehin noch genug Platz gewesen für die direkte Fassung: „Niederlage für Bundesregierung“.(Kopie am Ende dieses Beitrages). Und wer wollte derzeit schon nach einer Trump-Entscheidung noch so schreiben, wie das früher durchaus gebräuchlich war, nämlich dass Washington das so wollte.
Bitte nicht missverstehen: Ich will in den Medien keinen „Sieg für Deutschland“ verhindern, selbst wenn es nur der eines Nationalteams ist.
Frühere Leseranwalt-Kolumnen zu ähnlichen Themen:
"Vom Bewusstsein für eine korrekte Überschrift im Stich gelassen" (2016)
"Artikel mit Selbstverständlichkeiten in der Überschrift überblättern viele" (2014)
"Nicht alle Senioren sind Rentner" (2017)
"Unangemessene Herabwürdigung in einer Überschrift" (2016)
"Trügerische Überschrift" (2016)
"Unfall: Verharmlosende oder spaßige Überschrift vermeiden" (2018)
Anton Sahlender, Leseranwalt. Siehe auch www.vdmo.de
Immerhin im Menue von "Meinung" erscheint er auf der zweiten Ebene noch vor den Leserbriefen; und das wiederum zeigt u.E., wie unwichtig(er) die MainPost den Leserbriefschreiber nimmt.
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