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LESERANWALT
Ein Vampir, der auch Teufel hätte sein dürfen
Ein Leser hat sich in einer Karikatur getäuscht. Einen Vampir hält er für den Teufel und sieht dadurch eine Partei verunglimpft. Warum auch das nicht der Fall ist, erklärt der Leseranwalt. 
Die Vampir-Karikatur, die am 16. Juni 2023 in der Main-Post veröffentlicht wurde. Ein Leser, will einen Teufel erkannt haben - und lehnt diesen Vergleich ab.
Foto: Zeichnung: Tomicek | Die Vampir-Karikatur, die am 16. Juni 2023 in der Main-Post veröffentlicht wurde. Ein Leser, will einen Teufel erkannt haben - und lehnt diesen Vergleich ab.
Anton Sahlender
Anton Sahlender
 |  aktualisiert: 15.07.2024 14:07 Uhr

Darf eine Person oder eine Partei als Teufel dargestellt werden? Leser M.H. lehnt das ab. Für ihn ist es "unterste Schublade", eine Partei, die aus Menschen bestehe, als Teufel zu karikieren. Er glaubt das in einer Zeichnung des Karikaturisten Jürgen Tomicek zu erkennen, die am 16. Juni auf der Meinungsseite veröffentlicht wurde. Doch darin täuscht er sich.

Ratloser Friedrich Merz am Krankenbett der CDU

Gezeichnet ist nämlich kein Teufel, sondern die AfD als dicker satter Vampir. Die hat sich in der Karikatur als solcher mit Blutkonserven aus dem Ampel-Streit um Asyl und Heizungsgesetz vollgesaugt. Der Blutsauger mit seinend typischen scharfen Zähnen rülpst. Beim Patient CDU, im Krankenbett von der Blut-Leitung abgeschnitten, kommt davon nichts an. Friedrich Merz steht ratlos davor und sagt: "Erstaunlich . . .". Die Unterzeile zitiert ihn weiter: "Sie müssten längst das blühende Leben sein."

Dieser Tomicek-Vergleich am Krankenbett basiert auf dem gerade aktuellen Parteien-Ranking und war satirisch auf den kleinen Parteitag der Union bezogen. Deren Themen sind darin erkennbar. Die Botschaft die in der gezeichneten Klinik-Szene steckt, ist nachvollziehbar.

Deshalb zurück zur Ausgangsfrage: Kann eine Partei auch als Teufel karikiert werden?

Eine Partei darf als Teufel karikiert werden

Ja, natürlich kann eine Partei als Teufel karikiert werden. Und nicht nur die AfD. Zu deren Sympathisanten oder Wählern zählt sich Herr H.M. ausdrücklich nicht. Dennoch hält er die Karikatur vom 16. Juni für ungerechtfertigt, weil verunglimpfend. Sorgfältigere Auswahl hält er für ein Muss. Sorgfältig hat die für die Meinungsseite zuständige Redaktion der Augsburger Allgemeinen aber mit Sicherheit schon schon immer entschieden. Das heißt natürlich nicht, dass dies jede Leserin und jeder Leser auch so wie der Karikaturist empfinden muss. 

Auf den realen Hintergrund kommt es an

Ein satirischer Vergleich mit dem Teufel könnte verunglimpfend empfunden werden, gäbe es dafür keine Begründung. Aber die liegt meist vor. Denn Karikaturisten werten mit mehr oder weniger bissigen Bildern, mit Übertreibungen und fiktiven Darstellungen aktuelle Politik. Im Bezug zum aktuellen Geschehen liegt die Begründung. Verantwortliche Politiker dürfen mit Mitteln der Satire, je nach Tragweite des Vorgangs, auch mal in "unterste Schubladen" gezeichnet werden.

Denn viele Urteile zeigen, dass gerade im politischen Meinungskampf grundsätzliche rechtliche Grenzen erst angesprochen sind, falls Personen oder Gruppen ohne einen realen Bezug generell herabgewürdigt oder gar menschlicher Eigenschaften beraubt werden. Das geschah beispielsweise, als einst Franz Josef Strauß als kopulierendes Schwein gezeichnet war.

Dem Leser geht es um Seriosität 

Von einer Straftat gegen die persönliche Ehre nach den Paragraphen 185 bis 188 StGB kann bei der Vampir-Karikatur keine Rede sein. Aber es geht auch Leser H.M. um Seriosität. Doch seriös bliebe die Karikatur auch dann noch, würden der AfD in Teufelsgestalt die Seelen von Kritikern des Heizungsgesetzes zufliegen. Diese ebenfalls inhaltlich begründete Begegnung mit dem Bösen, dem Leibhaftigen, bliebe wie dessen Gestalt ohnehin imaginär. Gestritten über die Existenz des Teufels wurde zwar noch im 18. Jahrhundert. Aber darüber sollten wir mittlerweile deutlich hinweg sein.

Dann könnte man auch noch den Volksmund zu Hilfe holen. Da geraten Dinge schon mal "verteufelt gut" oder jemand kann so schnell sein "wie der Teufel". Heißt das, diese Leistungen sind böse und nichts wert? Oder beraubt der Volksmund hier dem Teufel seiner negativen Konnotation?

Nun werde ich aber den Teufel tun und alle weiteren Bewertungen lieber gänzlich dem Urteilsvermögen der Leserschaft und natürlich des Herrn H.M. überlassen. Empfohlen sei hier die Karikaturen-Ausstellung im Bamberger Klinikum am Bruderwald, die noch bis 2. Juli 2023 zu sehen ist.

Anton Sahlender, Leseranwalt

Siehe auch Vereinigung der Medien-Ombudsleute e.V.

Weitere Leseranwalt-Kolumnen zu Karikaturen und Satiren:

2008: "Ärger über Oma und Opa als Deutschlands Zukunft"

2012: "Ist eine Karikatur nach dem Amoklauf von Newtown ein Zeichen für Verrohung?"

2013: "Gezeichnete Satire zum Konklave schmäht weder Glaube noch religiöse Überzeugungen"

2014: "Kann man die Karikatur einer Weihnachtsgrippe wirklich so gründlich missverstehen?"

2015: "Auch wenn Karikaturen fast alles dürfen, müssen sie nicht alle gelungen sein"

2016: "Zulässige Satire für Sterbliche"

2022: "Warum ein satirisches Toiletten-Motiv zur Geschmacksache wird"

 
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