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Der Leseranwalt: Auch wenn Karikaturen fast alles dürfen, müssen sie nicht alle gelungen sein
Redaktion
 |  aktualisiert: 26.04.2023 22:52 Uhr

Solidarität mit der französischen Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ bringt es auch mit sich, dass oft Kurt Tucholsky zitiert wird, der einst schrieb, dass Karikaturen alles dürfen. Und doch weiß man, dass es Grenzen gibt. Wo die liegen können, zeigen Entscheidungen des Deutschen Presserats (www.presserat.de).

Der hat aber in den letzten zwölf Jahren nahezu alle Beschwerden gegen Karikaturen gedruckter Medien als unbegründet zurückgewiesen. Eine wurde 2001 öffentlich gerügt. Unter der Überschrift „Kids hab’ ich zum F gern...“ war der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit zu sehen. Es wurde berichtet, dass er in einem Buch aus dem Jahre 1975 „. . . detaillierte sexuelle Spiele mit Kindern in einem alternativen Kindergarten zu Frankfurt am Main“ schildere. In Frankreich, hieß es, finde eine Hexenjagd auf Pädophile statt, indes Cohn-Bendit in Deutschland als Held der 68er gefeiert werde.

Der Presserat sah Cohn-Bendit in die Nähe eines Kinderschänders gerückt. Leser würden mit der Abkürzung „F“ gleich „Ficken“ assoziieren. Dafür, auch wenn es satirisch gemeint war, gebe es keine Beweise. Der Presserat erkannte darin eine ehrverletzende Behauptung (B 97/01).

198 Beschwerden trafen gegen eine Satire-Zeitschrift ein. Sie hatte einen katholischen Geistlichen in Schritthöhe vor einem Kreuz mit Jesus gezeigt, dabei die Hände des Geistlichen ebenfalls ungefähr auf Schritthöhe. Aus einer Wunde des Gekreuzigten floss Blut. Die Überschrift lautete „Kirche heute“. Der Presserat räumte ein, dass diese Zeichnung grenzwertig sei, jedoch nicht grenzüberschreitend. Viele Leser vertraten die Meinung, Demokratie und Glaube müssten diese Art der kritischen Auseinandersetzung mit einem gesellschaftlich relevanten Thema aushalten (0181/10/2-BA).

Kritisch wird es, wenn mit Israel-Karikaturen antisemitische Klischees aus der Nazizeit bedient werden. In einem Fall, in dem Israel als Monster dargestellt war, verzichtete der Presserat auf eine Maßnahme, weil sich der Chefredakteur zuvor bei der Leserschaft dafür entschuldigt hatte. Es sei der missglückte Versuch gewesen, mit einer Karikatur darzustellen, wie Israel von seinen Feinden gezeichnet werde (0485/13/2).

Nicht jede Karikatur, die nicht gerügt wird, ist deshalb gelungen. Der Presserat, der die Grenzen für Karikaturen weit gesteckt hat, sieht es aber nicht als seine Aufgabe, über Geschmacksfragen zu entscheiden. Abwägen will er zwischen der Pressefreiheit und der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen. Das gilt gleichermaßen für die Redaktion eines jeden Mediums, das seine Linie finden muss.

 
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