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Bad Neustadt
Samstagsbrief: Schade, dass es das Wellenbad im Rhön-Klinikum nicht mehr gibt, Herr Münch!
Vor 50 Jahren sanierte Eugen Münch eine marode Kurklinik in Bad Neustadt - und schuf daraus einen Großkonzern. Unser Autor zerbricht sich an einer Frage aber den Kopf.
Gründerfigur: Unternehmer Eugen Münch hat vor 50 Jahren in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) das Rhön-Klinikum gegründet. Daraus entwickelte sich der erste private Klinikkonzern der Republik.
Foto: René Ruprecht | Gründerfigur: Unternehmer Eugen Münch hat vor 50 Jahren in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) das Rhön-Klinikum gegründet. Daraus entwickelte sich der erste private Klinikkonzern der Republik.
Gerhard Fischer
 |  aktualisiert: 13.02.2024 02:59 Uhr

Sehr geehrter Herr Münch,

wir sind uns nie im Leben persönlich begegnet. Vielleicht aber doch. Ich war ein Knirps und liebte es, einmal in der Woche mit den Eltern nach Bad Neustadt ins Wellenbad in der Kurklinik zu fahren.

Wenn die Wellen-Maschine angeworfen wurde, gab es für mich kleinen Buben kein Halten mehr. Ich stürzte mich in die Fluten und kämpfte gegen die Wogen an. Manchmal brach ich die Wellen wie ein kleiner Fels, dann folgte ich wieder dem Auf und Ab, je nachdem, was erfolgversprechender war.

Mit 5000 Mark eingestiegen in die Klinik-Gesellschaft in der Rhön

Wo ich also als Kind herumplantschte, hatten Sie 1973 wenige Meter weiter die Geschäftsführung der "Kurbetriebs- und Verwaltungsgesellschaft mbH" übernommen. Zuvor hatten Sie die marode, von einer Insolvenz bedrohten Kurklinik von Bad Neustadt saniert. Mit 5000 D-Mark waren Sie in die Gesellschaft im verschlafenen Zonenrandgebiet eingestiegen.

Ob Sie schon ahnen konnten, dass aus Ihrem überschaubaren Einsatz ein Millionen-Vermögen werden würde? Und aus der Gesellschaft mit dem sperrigen Namen ein begehrter Gesundheitskonzern, um den sich einmal Bieterschlachten ereignen würden?

In Ihrem Wellenbad, das irgendwann weichen musste, weil sich mit der Herzmedizin mehr Geld verdienen ließ, habe ich gelernt, gegen Widerstände anzukämpfen und immer wieder neu aufzutauchen.

Sie, Herr Münch, hatten solche Talente vielleicht schon in die Wiege gelegt bekommen. Sie erfüllen geradezu ein Klischee, weil Sie es vom schwäbischen Müllersohn aus einfachen Verhältnissen zum Multimillionär geschafft haben.

Kürzlich, beim Erzählcafé in Bad Neustadt, plauderten Sie ganz offen, wie Sie Ihrer Mutter bis zum "Anbiedern" gefallen wollten, was aber nie wirklich gelungen sei. Es gibt seelische Motive wie einen Mutter-Komplex für das Streben nach Erfolg. Ich fand es sympathisch, dass Sie kurz in Ihr Inneres haben blicken lassen.

Die Seele des Rhön-Klinikums an Asklepios verkauft?

Wenn wir schon über Seelisches schreiben: Was meinen Sie, ist aus Ihrem Kind, dem Rhön-Klinikum, geworden in 50 Jahren? Ein seelenloser Großkonzern, der in jeder Patientin und in jedem Patienten nur eine Gewinnchance sieht?

Und haben Sie womöglich die Seele des Rhön-Klinikums verkauft, als Sie den Deal mit dem Asklepios-Konzern einfädelten, der jetzt über die Rhön-Klinikum AG herrscht und sich auf dem lukrativen Markt mit den Krankheiten noch etwas rauer bewegt, als es die Rhön-Klinikum AG je getan hat?

Ich weiß aus eigener Erfahrung als Patient des Rhön-Klinikums, dass die Mitarbeiter mit ganzer Seele für ihre Patientinnen und Patienten arbeiten. Aber mir kamen die Krankenhausflure merkwürdig verwaist vor, wenn ich nur ab und an einer indischen Pflegerin begegnet bin in Ihrem Campus. Die Fachkräfte-Suche im Ausland hilft nur bedingt, wenn die Pflege-Misere auch mit den Arbeitsbedingungen zu tun hat.

Warum schauen sich kommunale Häuser nichts ab?

"Ich bin am besten, wenn ich mit dem Rücken zur Wand stehe", hatten Sie einmal gesagt. Ich muss dabei an all die Krankenhäuser in Unterfranken denken, die finanziell mit dem Rücken zur Wand stehen. Welchen Rat haben Sie für diese kommunalen Häuser? Warum haben die sich in den letzten 50 Jahren nicht wenigstens ein bisschen von Ihrem Erfolgskonzept abgeschaut?

Ich bin ein Laie. Vor allem aber jemand, der die Wahrheit oft in der Mitte liegen sieht. Sind die kommunalen Häuser deswegen so defizitär, weil sie ihre Patientinnen und Patienten zu lange auskurieren lassen? Oder scheffelt das Rhön-Klinikum deshalb so viele Gewinne, weil es die Menschen kurz nach der Aufwach-Station auf noch wackeligen Beinen nach Hause schickt, weil die Fallpauschale schon kassiert ist?

Gott behüte, dass diese Szenarien irgendwo Realität sind. Mir wird aber partout nicht klar, weshalb unser Gesundheitssystem entweder für Pleiten oder für üppige Aktien-Dividende sorgt. Wenn dieses System nur Extreme produziert, dann krankt es doch.

Mit 77 Jahren noch mal etwas Neues bei Eugen Münch

Rhön-Grabfelds Landrat Thomas Habermann kolportiert gerne ein weiteres Zitat von Ihnen, das Ihren Unternehmergeist bezeugt: "Wenn eine Sache erfolgreich zu werden beginnt, muss man eine neue starten." Denn mit dem Erfolg kämen nur noch die Nachahmer, nicht aber Neues.

Mit 77 Jahren haben Sie 2022 nochmal etwas Neues angepackt und sich in Bad Kissingen eine private Luxus-Immobilie mit nachhaltiger Technik auf einem 3600-Quadratmeter-Grundstück geschaffen, in der auch Ihre Münch-Stiftung unterkommt. Das Geld dafür ist Nebensache, Ihr ungebrochener Gestaltungswille ist das eigentlich Bemerkenswerte. 

Wenn Sie an diesem Samstag in Bad Neustadt mit Bayerns neuer Gesundheitsministerin Judith Gerlach und dem Asklepios-Chef den 50. Geburtstag der Rhön-Klinikum AG feiern, dann verraten Sie Frau Gerlach doch bitte Ihr Erfolgsrezept.

In Erinnerung an das Wellenbad

Ich denke so lange an mein, an Ihr Wellenbad zurück. Es hat uns gelehrt, wie man standhaft bleibt, auch wenn sich um einen die Wogen türmen.

Was wünscht man am Ende dieser Zeilen dem Rhön-Klinikum-Gründer? Natürlich das unbezahlbare Gut Gesundheit!  

Gerhard Fischer, Redakteur

Persönliche Post: der Samstagsbrief

Jedes Wochenende lesen Sie unseren "Samstagsbrief". Was das ist? Ein offener Brief, den eine Redakteurin oder ein Redakteur unserer Zeitung an eine reale Person schreibt – und tatsächlich auch verschickt. An eine Person des öffentlichen Lebens, die zuletzt Schlagzeilen machte. An jemanden, dem wir etwas zu sagen haben. An einen Menschen aus der Region, der bewegt hat und bewegt. Vielleicht auch mal an eine Institution oder an ein Unternehmen. Oder ausnahmsweise an eine fiktive Figur. Persönlich, direkt und pointiert formuliert soll der "Samstagsbrief" sein. Mal emotional, mal scharfzüngig, mal mit deutlichen Worten, mal launig – und immer mit Freude an der Kontroverse. Der "Samstagsbrief" ist unsere Einladung zur Debatte und zum Austausch. Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.
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Kommentare
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  • Hubert Endres
    Herr Fischer. Super Kommentar, treffend und sehr sachlich und präzise verfasst. Ja leider geht es im Gesundheitswesen nur noch um Profit, nicht um die kranken Menschen. Der Ruf vom Rhön Klinikum hat mittlerweile sehr gelitten und ist nicht mehr der Beste. Viele wechseln ihren Arbeitsplatz und verlassen die Klinik. Schade. Hatte mal einen sehr guten Ruf.
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  • Angelika Ochs
    Auch ich war als Kind sehr oft im Wellenbad, dort lernte ich auch das Schwimmen und holte mein Seepferdchen 🙃
    Meine Eltern und ich wohnten gleich neben an,da mein Vater im Rhön Klinikum arbeitete von Beginn an. Er erzählte immer mit Stolz von Herrn Münch. 😉
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  • Gerhard Zwierlein
    ja, Kompliment - alle Fragen richtig gestellt und den richtigenTon dabei auch noch getroffen !
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  • Alfred Breunig
    Gerhard Fischer - ein Name bürgt für Qualität! Kompliment auch von mir - toll geschrieben!
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  • Brigitte Chellouche
    Der beste Samstags Brief, den ich je gelesen habe. Man könnte noch fragen, warum bei all dem vielen Geld das Heilbad auf der Strecke geblieben ist. Wo doch hier in der Aumühle die Wurzeln des
    Rhönklinikums liegen.
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  • Sehr geehrter Herr Fischer,
    das Buch " Krankenhaus im Ausverkauf " von der Bundeszentrale für politische Bildung, gibt die meisten Antworten auf Ihre Fragen. Ein lesenswertes Buch, in dem Zusammenhänge und Abhängigkeiten vom System gut beschrieben und erklärt sind. Viel Freude beim lesen.
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  • Roland Albert
    Das Wellenbad…Da erinnere ich mich auch noch gern daran, weil es auch einen medizinischen Aspekt hatte. Soweit ich noch weiss, musste das geschlossen werden, weil die Wasserqualität mit leichtem Radonzusatz nicht mehr zugelassen war. Die Geschichte EM ist der eines Visionärs, der weit voraus blicken konnte. Allein als Patriarch hat er schnell erkannt, dass es mitziehende angestellte braucht, die diesselbe Arbeitseinstellung (nach 8 h geht es eben weiter) leben. Das ist nicht jedermanns Sache, bringt aber Erfolg und den unvermeidlichen Neid. Ich arbeite als Dienstleister seit 30 Jahren in den Konzern hinein. Firmentreue war immer das Ziel der Führung. Nur mit kompetenten Partnern kann ein derart langfristiger Erfolg zustande kommen. Das Pflegeproblem wurde von der Politik herangeführt, die den Krankenkassen dieses Feld überlassen haben. Stichwort Aufsichtsratsposten… Die haben dazu mit beigetragen, dass wir da stehen, wo wir heute sind. Arbeitszeit und Gehalt spielen auch rein, sicher!
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  • Klaus - Peter Eschenbach
    Verdammt, noch nie einen so guten Samstags Brief gelesen. Chapeau!!
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