
Sehr geehrter Ordnungshüter Matthias Weber,
Sie haben vor rund 45 Jahren als Streifenpolizist begonnen, jetzt haben Sie sich in den Ruhestand verabschiedet und zum Abschied noch einmal Zeichen gesetzt - mit einer bemerkenswerten Abschiedsrede.
Verabschiedungen in aller Öffentlichkeit wirken ja manchmal leicht peinlich mit ihrer ritualisierten Lobhudelei. Ihr Abschied war erfrischend anders. Sie haben in einer Hallo-wach-Rede als Polizist unbequeme Wahrheiten ausgesprochen, die manche vielleicht nicht gerne gehört haben.
Polizeichef Matthias Weber: Die wichtigste Waffe der Polizei ist der Dialog
Sie haben sich an Ihre beruflichen Anfänge zur RAF-Zeit erinnert: Zum Glück machte man sich damals als 18-jähriger Kontrolleur nicht so viele Gedanken, dass man "bei der Kontrolle eines 'falschen' Fahrzeugs wahrscheinlich nicht überlebt hätte".
Aus dem Streifenpolizisten wurde ein angesehener Ermittler gegen Organisierte Kriminalität. Aus dem Rädchen in der großen Maschinerie eines Polizeipräsidiums wurde der Chef in Bayerns größter Polizei-Inspektion in Würzburg.
Sie haben betont, dass nicht der Gummiknüppel, die Pistole oder der Wasserwerfer die wichtigsten Waffen der Polizei sind, sondern der Dialog. Das haben Sie in Führungsfunktion vorgelebt, in vielen Konfliktsituationen, bei Großeinsätzen und im Kleinen im Alltag.
Helfer- und Opferschutz als besonderes Anliegen des verabschiedeten Polizeichefs von Würzburg
Ihre Rede setzte Zeichen. Gut, dass Sie gerade in diesen Tagen deutlich betont haben, dass unsere jüdischen Mitbürger Anrecht auf besonderen Schutz haben – und dabei als für die Sicherheit Verantwortlicher dabei den Dialog mit den islamischen Mitbürgern nicht vernachlässigt haben.
Helfer- und Opferbetreuung war Ihnen ein großes Anliegen, ob beim Missbrauchsfall des Würzburger Logopäden an kleinen Jungen in Würzburg 2019 oder nach dem Axtanschlag in einem Zug nach Würzburg 2016. Das trug später Früchte, wie Sie erfreut in Ihrer Bilanz erwähnten: "Beim Messerattentat am Würzburger Barbarossaplatz (fünf Jahre später) konnte der Einsatz nicht zuletzt deshalb so professionell bewältigt werden, weil es durch die gemeinsame Nachbereitung gelang, die richtigen Schlüsse zu ziehen."

Und Sie haben uns klargemacht: Es gibt nicht viele Berufe, in denen man unter hohem Erfolgsdruck – und beobachtet von einer kritischen Öffentlichkeit – unterschiedlichste Menschen richtig einschätzen muss. Hilfsbedürftige Bürgerin oder Querulant, verfolgter Homosexueller oder Promillesünder, ausgerasteter Verzweifelter oder Wichtigtuer, Klimakleberin oder Falschparker? Was Sie aber immer gesehen haben: Mitbürger, Mensch.
Ihre Rede hat deutlich gemacht, wie viel soziale Kompetenz Polizistinnen und Polizisten haben müssen – Dass ihre Kolleginnen und Kollegen sich bemühen und doch total falsch liegen können.
Wo der Ton im Miteinander von Polizei und Demonstrierenden besser geworden ist
Entgegen der Plattitüde, dass angeblich alles immer schlechter wird, haben Sie auch die positiven Entwicklungen nicht vergessen: Wenn sich heute die Letzte Generation bei der Polizei nach Demos für den fairen Umgang bedankt, ist das ein Ton, der bei uns Alt-68-ern noch undenkbar gewesen wäre.
Sie haben auch ungehemmt bürokratische Entwicklungen kritisiert, die eher hemmen als helfen: "Ob wir nach 33 Jahren in der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität bzw. Geldwäsche effektiver sind als damals, lasse ich einmal dahingestellt". Das ist hoffentlich einigen politisch Verantwortlichen sauer aufgestoßen. Manche bremsenden Anweisungen von damals "stehen jedenfalls im Widerspruch zu den Herausforderungen der heutigen Zeit", sagten Sie.
Ihre Worte waren eine Standortbestimmung für die Polizei, ein Bekenntnis zur Demokratie in all ihren (auch unbequemen) Facetten und ein letzter Beweis dafür, dass Sie ein Berufsleben lang Ihren Vorgesetzten gegenüber ein manchmal unbequemer Mitarbeiter waren – und gerade deshalb von Polizeipräsident Detlef Tolle besonders geschätzt wurden.

Was ich nicht so oft höre (und manche in Politik und Polizei nicht so gerne), haben Sie als Ausblick ans Ende Ihrer Rede gestellt. Die Polizei vertritt in der Öffentlichkeit das Gewaltmonopol des Staates. Deshalb steht sie besonders im Blick einer kritischen Öffentlichkeit.
Es war wichtig, dass Sie auch dieses deutlich angesprochen haben: Die Polizei sollte nicht vorrangig der verlängerte Arm der Mächtigen sein, sondern die helfende Hand für die Schwachen.
Eine Rede, die in Würzburg ein Zeichen gesetzt hat
Es gibt ja – im Großen wie im kleinen Würzburg – Reden, die Zeichen setzen. Welche Wirkung Ihre entfaltet, bleibt abzuwarten. Von ihr darf ruhig ein kleines Signal hinausgehen - zumindest in den Freistaat, in dem "Ihre" Polizei weiter für unsere Sicherheit sorgt.
Dann kann auch der Pensionär Matthias Weber ruhig schlafen. Zumindest ruhiger als einige, die seine Rede hoffentlich etwas aufgeschreckt hat.
Das wünscht dem Polizisten im Ruhestand
Manfred Schweidler, Redakteur
Persönliche Post: der Samstagsbrief
Im Idealfall bekommen wir von der Adressatin oder dem Adressaten Post zurück. Die Antwort finden Sie dann bei allen "Samstagsbriefen" hier. Und vielleicht bietet sie auch Anlass für weitere Berichterstattung.
Es ist schon erstaunlich, wieviele junge Menschen heute noch den Dienst des Polizisten#
ausüben. Ich schreibe bewusst DIENST. Ein Polizist ist ja auch kann man sagen, ein "Geistlicher" mit 4 Rädern und einer Waffe, Waffe leider. Ich hatte vor kurzem in der Polizeiwache zu tun, da meine Geldbörse gestohlen wurde. Ich staunte nicht schlecht:
lauter junge Mädels und Burschen, die ein und ausgingen. wie gesagt, schön, wenn sich jemand noch für den Dienst als Polizist bewirbt. Unsere Polizei in DL hat jetzt wohl keine
so angenehmen Aufgaben mehr, siehe Würzburg und andere Großstädte. Da geht es oftmals um Leben und Tod am eigenen Körper. Mögen Sie, lieber Herr Weber noch viele Jahrzehnte ihren Ruhestand genießen dürfen. Denke manchmal wird auch ein Abstecher in die Polizeiwache Würzburg noch drinn sein.
Und ich erlaube mir zu sagen, offener, ehrlicher und umfassender als es der Artikel in der MP letzte Woche war.
Dieser Artikel erweckte in mir den Eindruck, als wollte der Verfasser unseren scheidenden Polizeichef in eine bestimmte politische Ecke verorten.
Ja, es stimmt, daß Matthias Weber ein spezieller Staatsdiener war, der dienen noch als Selbstverständnis wahr genommen hatte, nicht zu allem Ja und Amen sagte und loyal seinen Dienst jahrzehntelang erfüllte.
Manch Leiter einer Behörde in so verantwortlicher Position kann sich an Herrn Weber ein Beispiel nehmen, vielleicht unter dem Kürzel "Mensch sein und Mensch bleiben" ohne die Dienstpflicht zu vernachlässigen.
Speziell in solchem Amt repräsentiert der Leiter einer Behörde ein stückweit die demokratisch gewählte Regierung.
Danke für diesen Brief, Herr Schweidler
Unterstützen Sie die Arbeit der Polizei und fallen Sie ihr nicht in den Rücken?