zurück
Würzburg
Intensives "Kellergespräch" in Würzburg: Wenn die Polizei Menschen nur wegen ihres Aussehens kontrolliert
"Racial profiling" ist eigentlich verboten. Dass es dennoch vorkommt, leugnet niemand. Wie Rassismusforscher Bobineau Polizisten für die Ängste der Betroffenen sensibilisiert.
Diskutierten beim Kellergespräch von Main-Post und Juristen-Alumni über 'Racial Profiling' (von links): Matthias Weber, Leiter der Polizeiinspektion Würzburg, Winfred Bausback, ehemaliger bayerischer Justizminister und Julien Bobineau, Rassismusforscher und Diversitätsmanager.
Foto: Benjamin Brückner | Diskutierten beim Kellergespräch von Main-Post und Juristen-Alumni über "Racial Profiling" (von links): Matthias Weber, Leiter der Polizeiinspektion Würzburg, Winfred Bausback, ehemaliger bayerischer Justizminister ...
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 15.07.2024 17:40 Uhr

Egal, ob er als Bundeswehrsoldat oder Student im Zug unterwegs war, gerade vom Handball kam oder heute als Jurist zur Arbeit fährt: Cédric Steinmetz macht die Erfahrung, "überdurchschnittlich viel" von der Polizei kontrolliert zu werden. Grund sei ganz offensichtlich seine dunkle Hautfarbe, berichtete der 31-jährige Deutsche, dessen Vater aus Kamerun stammt, beim Kellergespräch von Main-Post und Juristen-Alumni.

Das sogenannte "Racial Profiling", Polizei- und Zollkontrollen allein aufgrund des Aussehens und der diesen Merkmalen zugeschriebenen ausländischen Herkunft, war Thema einer intensiven, sachlichen Gesprächsrunde mit Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Polizei – und Betroffenen. Gastgeber waren Juraprofessor Eric Hilgendorf und Main-Post-Redakteur Andreas Jungbauer

Cédric Steinmetz fühlt sich dskriminiert

Er fühle sich diskriminiert, "nicht wirklich der Gesellschaft zugehörig", wann immer er solchen Kontrollen ausgesetzt sei, sagte Steinmetz. Auch wenn sich die Situation in aller Regel schnell entspanne, sobald er seinen Ausweis gezeigt habe. "Deutscher Personalausweis und der Name Steinmetz, da wechselt die Tonart und die Polizei verliert schnell das Interesse an mir."

Cédric Steinmetz (rechts) schilderte gegenüber Moderator Andreas Jungbauer  eindrücklich seine Erfahrungen mit Polizeikontrollen.
Foto: Benjamin Brückner | Cédric Steinmetz (rechts) schilderte gegenüber Moderator Andreas Jungbauer  eindrücklich seine Erfahrungen mit Polizeikontrollen.

Dass Erlebnisse, wie sie neben dem 31-Jährigen weitere Gesprächsteilnehmer im gut besuchten Max-Stern-Keller der Universität schilderten, keine Ausnahme sind, bestätigte Antonino Pecoraro, der Vorsitzende des Würzburger Ausländer- und Integrationsbeirats: "Es wird weniger, aber die Probleme sind geblieben." Eine repräsentative Umfrage des Sachverständigenrats für Integration und Migration untermauert die Erfahrungsberichte mit Zahlen: Demnach werden "als ausländisch wahrgenommene Menschen" doppelt so häufig kontrolliert wie andere. 

"Kriminalität kann man nicht am Äußeren festmachen"

"Dass man Kriminalität nicht am Äußeren festmachen kann, ist bei uns lange schon angekommen", versicherte derweil Matthias Weber, Leiter der Polizeiinspektion Würzburg. "Analog zum gesellschaftlichen Wandel" habe man in den vergangenen Jahren bei den Sicherheitsbehörden viel dazugelernt. Das Verbot von "Racial Profiling", wie es im Antidiskriminierungsartikel des Grundgesetzes geregelt ist, sei Thema der Aus- und Fortbildung, bei der Bereitschafts- und der Kriminalpolizei genauso wie bei Bundes- und Landespolizei.  

Bei Ermittlungen in diesem Bereich liege in der Regel aber auch ein konkreter Tatverdacht vor, der Personenkontrollen erlaube, machten Weber und mehrere Polizeikollegen in der Diskussion deutlich. Wenn sich bei den Recherchen dann Indizien fänden, dass ganze Diebes- oder Drogendealer-Banden einer bestimmten Ethnie oder Nationalität angehören, würden Menschen mit entsprechenden Merkmalen eben auch gezielt von den Beamten kontrolliert und befragt.

Gut besucht war der Max-Stern-Keller der Universität beim 'Kellergespräch' von Main-Post und Juristen-Alumni.
Foto: Benjamin Brückner | Gut besucht war der Max-Stern-Keller der Universität beim "Kellergespräch" von Main-Post und Juristen-Alumni.

Anlasslose, verdachtsunabhängige Kontrollen sind häufig das Streitthema. In Bayern sind diese an sogenannten gefährlichen Orten erlaubt, an Bahnhöfen und in Rotlicht-Etablissements. Hier gibt der Gesetzgeber Polizistinnen und Polizisten mehr Spielraum, von dem die Bevölkerung auch erwarte, dass er genutzt werde, sagte Ex-Justizminister Winfried Bausback: "Die Menschen haben ein Sicherheitsbedürfnis, dem der Staat nachkommen muss." Man dürfe dabei nicht ausblenden, dass die Kriminalitätsstatistik überdurchschnittlich viele ausländische Tatverdächtige ausweise.

Rassismus-Experte wirbt für Perspektivwechsel

Die Vorstellung, man könne Menschen anhand ihres Aussehens einer bestimmten Nationalität  zuordnen, sei in der globalisierten Welt überholt, betonte Julien Bobineau. Der Rassismusforscher und Diversitätsmanager hält regelmäßig Workshops bei der Polizei, um für diese Tatsache Bewusstsein zu schaffen. Er betont, dass rassistische Vorurteile längst nicht nur ein Thema der Sicherheitsbehörden sind. "Da ist die ganze Gesellschaft gefragt." 

Konkret warb der Experte für einen "Perspektivwechsel". Polizeibeamtinnen und -beamte sollten sich in die Menschen hineinversetzen, die sie nur aufgrund ihres Äußeren überprüfen. Dabei werde schnell deutlich, was ein Betroffener empfindet, wie er sich von der weißen Mehrheitsgesellschaft ausgeschlossen fühlt. 

Entscheidend für einen fairen Ablauf von Kontrollen sei auch die Ansprache: "Penetrante Freundlichkeit" empfiehlt Matthias Weber seinen Kolleginnen und Kollegen, das Gegenüber sollte nicht geduzt und zunächst immer auf Deutsch angesprochen werden.

Weber warb um Verständnis, wenn dies nicht in jeder Situation gelinge: "Die täglichen Herausforderungen für unsere 2500 Polizistinnen und Polizisten in Unterfranken sind gewaltig." Da passierten auch Fehler. "Wichtig ist, dass wir darüber reden." Auf gesetzliche Regelungen in Sachen Racial Profiling zu warten, ist aus Sicht von Regierungsrat Enis Tiz wenig erfolgsversprechend – das hätten bereits erfolgte Änderungen im Polizeirecht gezeigt. "Entscheidend ist", so der frühere Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht der Uni Würzburg, "dass sich in den Köpfen etwas ändert." 

Cédric Steinmetz hat sich derweil ein dickes Fell zugelegt, falls er wieder mal am Bahnhof einfach so kontrolliert wird: "Notfalls verweise ich auf meine Rechtsschutzversicherung."  

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Michael Czygan
Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Main-Post Würzburg
Matthias Weber
Polizei
Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte
Polizeiinspektionen
Winfried Bausback
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Manfred Englert
    An Orten wie Bahnhöfen, Flughäfen etc sind -jedenfalls in BY-anlaßlose Kontrollen erlaubt.
    Und ich gehe davon aus, daß an Orten wie diesen, wo Reiseverkehr pur herrscht, der Beamte wissen will, ob so Mancher sich hier legal oder illegal aufhält.
    Und das kann nur durch Überprüfung von Ausweispapieren festgestellt werden.

    Falls irgendjemand meint, daß jede Kontrolle von Personen mit schwarzer, gelber, roter oder weißer Hautfarbe ein Kontrollverbot nach sich ziehen sollte, sollte unsere Polizei gleich zuhause bleiben.
    Nein, vorsichtiges, bestimmtes und höfliches Kontrollieren ist hier angesagt.
    Da ist beim Zurückgeben der Ausweispapiere durchaus auch mal ein Dankeschön angebracht.
    Vor allem wären die Beamten dankbar, nicht gleich mit Vorwürfen wie Diskriminierung oder Rassismus bedrängt zu werden. Diese Kontrollen sind notwendig, für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft.

    Ein Rückzug unserer Kontrollorgane wäre jedoch bei den bekannten Kriminalstatistiken äußerst fatal
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Georg Wohlfart-Mitznegg
    Herr Weber empfiehlt penetrante Freundlichkeit als Handlungsstrategie für Polizist*inn*en❓

    Aha.

    Aber Penetranz ist ja grad in Bayern üblich bei Leuten, die von sich selber glauben, über dem gemeinen Volk zu stehen (Politiker*innen, Justizpersonen sämtlicher Couleur, usw.).

    Wie wäre es, sich mal über Menschlichkeit und Ehrlichkeit und Höflichkeit beim Auftreten Gedanken zu machen?

    Aber damit lässt es sich halt nicht so penetrant Mitmenschen gängeln und schikanieren.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Über die Formulierung bin ich auch gestolpert. „Penetrante Freundlichkeit“ zeigt man eher gegenüber Leuten, die man verachtet oder nicht ernst nimmt.

    ECHTHEIT ist angezeigt, damit fährt man m.E. immer gut, kann halt nicht jeder.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Stefan Wolz
    Nur wenn jemand offensichtlich eine Waffe trägt, kann vom Äußeren her erkennem, ob jemand kriminell ist. Aber wenn das nicht der Fall ist, wie soll man sonst als Polizei jemanden ansprechen und kontrollieren. Es werden sicherlich auch Menschen mit heller Hautfarbe kontrolliert oder gibt es auch Statistiken die zeigen dass zu 100 % nur dunkelhäutige Menschen kontrolliert werden? In andeten Ländern ist offensichtlich dass die Polizei etwas gegen dunkelhäutige bei Festmahmen hat, da kniet man sich auch mal so lange auf den Brustkorb bis der Mensch stirbt. Gibt es solche Fälle bei der deutschen Polizei? Wenn ja dann muss man darüber sprechen und nicht um solche Äußerlichkeiten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Julien Bobineau
    Eine Studie des deutschen Sachverständigenrats für Integration und Migration aus 2023 (n = 15.005) belegt, dass als „ausländisch“ wahrgenommene Personen werden etwa doppelt so häufig von der Polizei kontrolliert als solche, auf die das nicht zutrifft (https://www.svr-migration.de/publikation/polizeikontrollen-in-deutschland).
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Jutta Nöther
    Das betrifft ganz allgemein Äußerlichkeiten, nicht allein Hautfarbe etc.
    Mein Sohn, hochgradig sehbehindert, hat aufgrund dessen einen langsamen, etwas unsicheren Gang und einen, sagen wir, starren Blick. Und er wird regelmäßig kontrolliert, weil er halt ähnlich wirkt, als stünde er unter Drogen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten