Hahn auf, sauberes Trinkwasser raus: Dies scheint nach den Störfällen in Unterfranken keine Selbstverständlichkeit mehr zu sein. Allein in den vergangenen sechs Wochen wurden in vier verschiedenen Trinkwassernetzen Krankheitserreger gefunden: in Würzburg, im Main-Tauber-Kreis sowie in den Landkreisen Würzburg, Main-Spessart und Schweinfurt. Auch wenn derzeit niemand in Unterfranken sein Trinkwasser abkochen muss, ist das Vertrauen vieler Menschen in die Wasserqualität erschüttert.
Wasser wird vielerorts noch gechlort
Vielerorts wird immer noch gechlort. So zum Beispiel in den Wasserloser Ortsteilen Brebersdorf und Rütschenhausen (Lkr. Schweinfurt). Dort wurden am Dienstag coliforme Keime entdeckt. Während Enterokokken eindeutig auf fäkale Verunreinigungen hinweisen, können coliforme Bakterien auch Umweltkeime sein. Letztere lösen sich häufig bei einer Chlorung oder durch höhere Fließgeschwindigkeiten des Wassers von dem Biofilm an den Rohrinnenwänden.
Ebenso nach Chlor riecht das Wasser der 50 000 Menschen westlich von Würzburg, die ihr Wasser über den Hochbehälter Zellingen (Lkr. Main-Spessart) beziehen. Von den drei Wasserkammern ist nur die große der Fernwasserversorgung Mittelmain (FWM) in Betrieb. Die Trinkwasserversorgung Würzburg (TWV) hat seit dem Störfall ihre Kunden von der FWM-Wasserkammer abgekoppelt. In einer provisorischen Leitung fließt ihr Wasser aus den Zellinger Brunnen direkt nach Zellingen, Erlabrunn und Zell am Main (beide Lkr. Würzburg).
Die FWM dagegen hat kaum eine Möglichkeit, ihre große Kammer, in der die Keime gefunden wurden, zu umgehen. Ihre kleine Kammer wird saniert. Der Hochbehälter ist der zentralste in ihrem Wassernetz. Von hier aus fließt das Wasser, das vom Wasserwerk Erlach kommt, westlich des Mains in zehn Gemeinden Richtung Oberleinach – bis nach Neubrunn, Kist und Höchberg (alle Lkr. Würzburg). Eine zweite Leitung pumpt das Wasser östlich des Mains nach Thüngersheim (Lkr. Würzburg) und Retzbach (Lkr. Main-Spessart).
Rohrbruch umgehen statt reparieren
Doch wann ist endlich Schluss mit dem Chlor? In den kommenden Wochen wohl nicht, heißt es auf Anfrage aus dem Würzburger Gesundheitsamt. Auch wenn das Wasser seither mikrobiologisch unauffällig ist, werde mindestens solange gechlort, bis ein Rohrbruch an einer FWM-Leitung beseitigt ist. Danach werde in Absprache mit dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit neu entschieden.
Die Fäkalkeime könnten über das undichte Rohr in den Hochbehälter gelangt sein, vermuten Experten des Technologiezentrums Wasser aus Karlsruhe. Auch einen verunreinigten Hahn, Mückchen oder Baustellenschmutz hatten sie, im Gegensatz zu Gülle, als Ursache nicht ausgeschlossen. Der Hahn wurde ausgetauscht. Den Rohrbruch zu beseitigen gleiche aber laut dem Ingenieurbüro Arz einer „Operation am offenen Herzen“. An das Rohr komme man nicht ran. Es liegt in sieben Metern Tiefe unter einer ehemaligen Trafostation. Das Ganze sei nicht unterkellert und könne einstürzen. So entschied man sich statt der aufwändigen und teuren Reparatur der obendrein Bruch anfälligen Rohre aus den Sechzigern für eine Umgehungsleitung.
Baustelle: Folien und Staubschutzwände
Auf der Baustelle achte man penibel auf das sensible Wasserschutzgebiet, erklärt die stellvertretende Werkleiterin der FWM, Eva von Vietinghoff-Scheel und zeigt auf das Labyrinth folienbedeckter Rohre im Inneren des mehrstöckigen Kellers, die sich von einer Wasserkammer zur nächsten winden. Die Systeme seien zu, die Behälter abgedichtet, mit Staubschutzwänden abgeklebt, nur Bioöl sei im Tank des Baggers und sollte doch einmal ein Hydraulikschlauch platzen, verhindern mit Folien ausgelegte Wannen, dass auch nur ein einziger Tropfen in den Boden sickere.
Doch ist der Rohrbruch tatsächlich Schuld an dem Schlamassel? Da man bei laufender Wasserversorgung nach der Ursache forsche und die Chlorung alle Keime abtöte, wird man es wohl nie sicher sagen können, so die Werkleiterin.
Chronologie: Krankheitserreger im Trinkwasser in Unterfranken
14. September: 50 000 Kunden der FWM (Fernwasserversorgung Mittelmain) mussten drei Wochen ihr Trinkwasser abkochen. Betroffen waren 13 Gemeinden in den Landkreisen Würzburg und Main-Spessart. Mehrfach wurden Enterokokken und ein Mal coliforme Keime nachgewiesen. Das Wasser nordwestlich von Würzburg wird noch gechlort.
29. September: 850 Einwohner der Großgemeinde Wasserlosen (Lkr. Schweinfurt) mussten nach einem Enterokokken-Fund der Kaistener Gruppe ihr Wasser eine Woche lang abkochen. Gechlort wurde bis 14. Oktober. Am 25.10. fand man coliforme Keime und das Wasser wurde erneut gechlort. Abkochen war laut Gesundheitsamt Schweinfurt nicht mehr nötig. Die Chlorung wurde am 22.November aufgehoben.
10. Oktober: Das Wasser von 16 000 Menschen in den Würzburger Stadtteilen Heuchelhof und Rottenbauer wird von der TWV (Trinkwasserversorgung Würzburg) eine Woche gechlort. Abkochen musste niemand. Ein Enterokokken-Fund wurde erst im nach hinein öffentlich.
19. Oktober: 5500 Einwohner von Külsheim (Main-Tauber-Kreis) mussten vier Tage lang ihr Wasser aufgrund eines Enterokokken-Funds abkochen. Das Trinkwasser wird dort ganzjährig gechlort. Grund für die „Transportchlorung“ ist die relativ lange Leitungslänge im ländlich geprägten Einzugsgebiet der Stadtwerk Külsheim GmbH, sagt das Gesundheitsamt Main-Tauber-Kreis.
25. Oktober: Das Wasser von etwa 900 Einwohnern der Orte Holzhausen und Pfändhausen im Landkreis Schweinfurt wird gechlort. Bei einer Probe waren coliforme Keime gefunden worden. Ein Abkochen des Wassers sei nicht notwendig, so das Gesundheitsamt und der Zweckverband, die Wasserversorgung Rhön-Maintal-Gruppe (RMG).
30. Oktober: Coliforme Keime wurden im Trinkwasser in Greußenheim (Lkr. Würzburg) gefunden. Seither wird auch dort das Wasser der 1650 Einwohner, das die Gemeinde selbst gewinnt, auf Anordnung des Würzburger Gesundheitsamtes vorsorglich gechlort.
2. November: Auch im Gemündener Ortsteil Adelsberg (Lkr. Main-Spessart) wurde bei einer Routinekontrolle ein coliformer Keim gefunden. Das Wasser wurde bis 9. November desinfiziert. (akl)