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Würzburg
Bis 2025 fehlen 400 Fachkräfte in Würzburgs Kitas: Stadt startet Pilotprojekt gegen Personalmangel
In Würzburg sollen Gärtner, Krankenpfleger oder Sportlehrer für die Kinderbetreuung in Kitas qualifiziert werden. Doch hilft das wirklich gegen den Fachkräftemangel?
In den Kitas fehlt es bei der Betreuung der Kinder an Fachkräften. Quereinsteiger sollen deshalb nun etwa in Würzburg für Entlastung sorgen. Ob die gelingen kann, ist jedoch umstritten. 
Foto: Monika Skolimowska, dpa | In den Kitas fehlt es bei der Betreuung der Kinder an Fachkräften. Quereinsteiger sollen deshalb nun etwa in Würzburg für Entlastung sorgen. Ob die gelingen kann, ist jedoch umstritten. 
Henry Stern
 und  Lara Meißner
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:38 Uhr

Können Quereinsteiger eine Lösung sein für den massiven Fachkräftemangel in Kitas? In Würzburg hofft man offenbar darauf: "Ich bin froh, dass wir als eine von nur drei Kommunen in Bayern eine Ausbildung zur 'Fachkraft mit besonderer Qualifikation in Kindertageseinrichtungen' anbieten können", freute sich Sozialreferentin Hülya Düber kürzlich.

Allein in Würzburger Kitas werden bis 2025 rund 400 Fachkräfte fehlen

Der Druck ist groß, schließlich rechnet allein die Stadt Würzburg damit, dass bis 2025 rund 400 pädagogische Fach- und Ergänzungskräfte fehlen werden. Die nun in Würzburg angebotene Zusatzausbildung soll deshalb in 15 Monaten aus gelernten Logopäden, Gärtnern, Musikpädagogen, Sportlehrern, Krankenpflegern, Diätassistenten, Bühnenmalern, Forstwirten oder ähnlich Vorgebildeten gut ausgebildete Fachkräfte für die Kinderbetreuung in Kitas machen.

Doch kann dieser Quereinstieg den Kitas wirklich helfen? Die Zusatzausbildung und die Voraussetzungen für die Teilnehmer sind durchaus anspruchsvoll: Mittlerer Schulabschluss, abgeschlossene Berufsausbildung und mindestens drei Jahre Berufserfahrung werden erwartet. Dazu ein Kita-Praktikum und die Zusage einer Kita, deren Profil der Vorbildung der Bewerberin oder des Bewerbers entspricht, für einen Arbeitsplatz ab Beginn der Weiterbildung.

Nach dem Abschluss dürfen die Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger fünf Jahre lang zudem nur zusätzlich zu einer pädagogischen Fachkraft in "multiprofessionellen Teams" beschäftigt werden. Erst danach ist bei entsprechender Bewährung ein unabhängiger Einsatz als pädagogische Fachkraft möglich.

Sozialministerin Scharf: Quereinsteiger helfen Kindern, Familien und Kita-Teams

Der Fachkräftemangel könne nur gelöst werden, wenn "alle Akteure an einem Strang ziehen", wirbt Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) für den Quereinstieg. Das Würzburger Pilotprojekt zeige dabei, "welches Potenzial in der Qualifizierung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern steckt", findet Scharf. An der Qualität der Betreuung werde dabei nicht gerüttelt, beteuert sie. Im Gegenteil: Durch die Impulse der Quereinsteiger könnten sogar alle profitieren: Die Kinder, die Familien und die Kita-Teams.

Hoffen mit Quereinsteigern dem Fachkräftemangel zu begegnen: Würzburgs Sozialreferentin Hülya Düber (links) und Monika Kraft vom Fachbereich Jugend und Familie bei der Vorstellung eines Pilotprojekts zur Ausbildung von 'Fachkräften mit besonderer Qualifikation' in Kitas.
Foto: Georg Wagenbrenner | Hoffen mit Quereinsteigern dem Fachkräftemangel zu begegnen: Würzburgs Sozialreferentin Hülya Düber (links) und Monika Kraft vom Fachbereich Jugend und Familie bei der Vorstellung eines Pilotprojekts zur Ausbildung ...

Mario Schwandt, bei der Gewerkschaft GEW für Nordbayern zuständig, sieht dies anders: "Die 'Fachkraft mit besonderer Qualifikation' ist sicherlich keine Lösung für den Fachkräftemangel", so seine Meinung. Auch dass damit geworben wird, nach der Weiterbildung "multiprofessionelle" Betreuungsteams zu haben, ist laut Schwandt "ein Ärgernis". Er sagt: "Ein Förster im Waldkindergarten ist sicherlich eine Bereicherung, aber in der frühkindlichen Bildung geht es um weit mehr als das. Gerade in den ersten Jahren dürften die neuen Kollegen und Kolleginnen deshalb eher eine zusätzliche Belastung sein."

Kita-Verbände sehen Quereinsteiger skeptisch und fordern mehr staatliche Förderung

Denn sowohl während der Weiterbildung als auch danach seien keinerlei Anleitungsstunden für das Fachpersonal der ausbildenden Kita vorgesehen. "Selbst die Extra-Zeit, die in die Weiterbildung der Quereinsteiger gesteckt werden muss, wird nicht berücksichtigt", kritisiert Schwandt. Es lohne sich für eine Kita deshalb schlicht nicht, bei dieser Weiterbildung mitzumachen.

Auch Veronika Lindner vom Verband Kita-Fachkräfte ist skeptisch: "Quereinstieg ja – aber nur mit guter Qualität", fordert sie. Der Fachkräftemangel dürfe nicht als Deckmantel dienen, Personen mit weniger Fachexpertise einzustellen. Zudem werde allzu oft nur über neues Personal nachgedacht – nicht aber, wie bestehende Kräfte besser gehalten werden könnten. Denn viel zu viele Erzieherinnen und Erzieher wechselten aufgrund zu hoher Arbeitsbelastung in Teilzeit – oder gleich ganz den Beruf, warnt Lindner.

Alexa Glawogger-Feucht vom Verband katholischer Kitas vermisst zudem ein pädagogisches Gesamtkonzept bei der Fachkräfte-Ausbildung: Die gesamte berufliche Weiterbildung müsse "durch staatliche Förderung attraktiver werden", fordert sie.

Teurer Berufswechsel: Die Weiterbildung kann Quereinsteiger über 3000 Euro kosten

Auch für die Quereinsteiger kann die Weiterbildung teuer werden: Werden die Kosten nicht vom Träger übernommen, fallen in den 15 Monaten über 3000 Euro Kursgebühren an, der Freistaat übernimmt davon nichts. "Und das in einem Berufsfeld, in dem wir ständig einen Mangel beklagen", ärgert sich GEW-Mann Schwandt.

Als Quereinsteiger müsse man "im System Kita ganz unten anfangen – auch finanziell", bemängelt man auch beim evangelischen Kita-Verband: Dies könne sich aber nicht jeder leisten. Das Sozialministerium sieht jedoch nicht den Freistaat, sondern die örtlichen Kita-Träger in der Pflicht, die Quereinsteiger finanziell zu unterstützen. Und nach dem erfolgreichen Abschluss des Kurses?  Man begrüße es, wenn die Bezahlung der Absolventinnen und Absolventen "pädagogischen Fachkräften angemessen" ist, teilt das Ministerium mit.

 
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  • hans-martin.hoffmann@t-online.de
    Hab gestern gelesen

    die Arbeitgeber fürchten sich davor, keine Leistungsträger für ihre Jobs mehr zu bekommen. Na das macht doch fast gar nichts, denn wenn niemand die Arbeit an der Basis tun will, braucht man ja auch niemanden für die übergeordneten Tätigkeiten - oder? Da kann man dann richtig an den Gehältern sparen...
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  • dietmar@eberth-privat.de
    Auch hier arbeitet die bayerische Staatsregierung schon an der Lösung des Kita-Problems:

    Scharf: „Offensive für Kinderbetreuung: Bayern.Gemeinsam.Stark.“
    Familienministerin präsentiert neue Chancen für Kitas
    https://www.stmas.bayern.de/aktuelle-meldungen/pm2208-226.php

    Bemerkenswert finde ich diesen Punkt:
    - Modellversuch „Mini-Kita“: Hier wird die Betreuung von mehr Kindern – 15 statt bisher 12 – ermöglicht und der verpflichtende Fachkräfteanteil – 33 statt bisher 50 Prozent – gesenkt.
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  • rasputin32
    Grundsätzlich nichts dagegen zu sagen.
    Nur wer pflegt dann Alte und Gärten?
    Der Sport ist in Schulen ja schon fast abgeschrieben - siehe Schwimmunterricht-
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  • herark11160412
    Eine Maßnahme wäre mal 50% der Beamten der Verwaltung der Stadt Würzburg umzuschulen und sinnvoll in einen Pflegeberuf oder Kita einzusetzen, wo es wirklich an Arbeitskräften mangelt. In der Verwaltung wird immer mehr Personal aufgebaut, wo es kaum Arbeit gibt und an den wichtigen Ecken und Enden wie im Pflege und Betreuungssektor fehlt das Personal und das Geld. Man sollte wirklich die Steuergelder mal sinnvoll einsetzen und das Beamtentum hinterfragen, ob dies wirklich noch zeitgemäß ist, dort so viel Personal wirklich gebraucht wird, gescheite Leistungsbeurteilungen und Bewertungssysteme umsetzen und die Verbeamtung auf Lebenszeit überdenken…
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  • Margarete-wuestner@web.de
    Sehr guter Kommentar, der nicht einfach so unbeachtet stehen bleiben und aufgegriffen werden sollte.
    Ebenso sollte die Anzahl der zu vielen Abgeordneten in den Parlamenten drastisch reduziert werden und die dann frei gewordenen Gelder und Stellen
    auf die Pflege und die Erziehung verteilt werden.
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  • rasputin32
    Wollen Sie die natürliche kindliche Entwicklung aufs Spiel setzen?
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  • Margarete-wuestner@web.de
    hm, natürliche u kindliche Entwicklung durch zu wenig und überlastete Erzieher?
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  • waldwichtel
    Bezahlt die Mitarbeiter in den Kindergärten anständig, dann gibt es auch wieder einen Anreiz, den Beruf zu erlernen.
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  • clubfan2@gmx.de
    Geld ist nicht alles..

    es sind eher die Eltern der Kinder das Problem
    das diese Berufe nicht mehr "trendy" sind...
    ich möchte heute auch kein Lehrer mehr sein!
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  • DieWahrheit
    liebe MeineZeitung2016 berichtigt Sie !

    Es sind die Eltern und natürlich die Eltern*Innen!
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  • Mainkommentar
    Verstehe ich nicht warum für ein bischen Kinderbetreuen so eine Welle gemacht wird. Stellt doch einfach Mütter ein. Die sollten wissen wie man Kinder betreut. Oder stellt halt auch mal Mittelschüler (Hauptschüler) ein. Dann klappts auch mit den Besetzungen der Stellen.
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  • JT777
    Nicht alle Mütter wissen wie man Kinder betreut. Leider.
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