Wenn Menschen für ihr Lebenswerk geehrt werden, dann geschieht das meist auf großen Bühnen mit noch größeren Worten. Das würde nicht zu Josef Schömig passen. Dabei ist es nichts anderes, als "mein Lebenswerk", so sagt er an diesem Mai-Montag in einem Bäckerei-Café seines Heimatortes, das in Kürze sein Ende findet. Am 7. Juni, dem letzten Spieltag in der Zweiten Handball-Bundesliga, macht Schömig Schluss.
Seit fast fünf Jahrzehnten engagiert er sich dort, wo er 1964 geboren wurde und wo sein Herz bis heute zu Hause ist: in Rimpar, in der Handballabteilung der DJK. Seit genau 40 Jahren ist "Sef", so sein Spitzname, fester Bestandteil der ersten Männermannschaft – zunächst als Kreisläufer, ein Jahr als Coach (2004/05), seit 22 Jahren als Co-Trainer. Als solcher hört der 58-Jährige nach der Saison – und nach einem letzten Lieblingsderby gegen den HSC 2000 Coburg an diesem Samstag (19.30 Uhr, tectake Arena) – bei den Wölfen Würzburg auf.
Josef Schömig zum Abstieg: "Die Entwicklung war abzusehen"
Nicht, weil die in die Dritte Liga absteigen. "Diese Entwicklung war aufgrund unseres bis heute geringen Budgets abzusehen", meint Schömig. "Nicht der Abstieg ist die Überraschung, sondern, dass wir nach dem Aufstieg in die Zweite Liga, der anfangs wie ein Abenteuer schien, zehn Jahre lang dort mitgemischt und sogar zweimal um den Sprung in die Erste Liga mitgespielt haben. Jedes Jahr in der Zweiten Liga war ein Geschenk, das sich die Mannschaft hart erarbeitet hat."
Schömig hört auch nicht auf, weil ihm seine Aufgabe keine Freude mehr macht. "Ich war immer mit meiner Rolle zufrieden", sagt der in Güntersleben wohnende Rimparer. Diese habe er darin gesehen, "den jeweiligen Trainer zu unterstützen: im Training, bei der Vor- und Nachbearbeitung von Spielen und währenddessen als Mannschaftsoffizieller und Statistiker". Sein Papier mit der analogen Auswertung etwa von Tempogegenstößen, Fehlwürfen oder technischen Fehlern hilft dem Coach unmittelbar nach Partien, sie fundiert zu analysieren.
Für einige Spieler war Josef Schömig wie ein zweiter Papa
Acht Cheftrainer hat Schömig kommen und gehen sehen. "Die perfekte Kombination für uns waren Heiko Karrer, Jens Bürkle und Matthias Obinger", meint er. "Heiko hat den Jungs Professionalität beigebracht, sie weg vom Just-for-fun-Amateurhandball hin zum Leistungssport geführt. Jens hat mit seinem Fachwissen und als Motivator die sportliche und mentale Basis geschaffen, um in die Zweite Liga aufzusteigen und dort auch bestehen zu können. Und Obi hat das als Einheimischer mit Einheimischen erfolgreich weiterentwickelt, mit ihm war unser Handball aus der Region für die Region authentisch."
Die Konstante während aller Aufstiege von der Landes- bis in die Zweite Liga war Schömig selbst. "Mir ging es immer um die Arbeit mit den Jungs: zu sehen, wie sie sich als Sportler entwickeln, aber auch als Menschen." Für einige Spieler, die als Jugendliche mit ihm aufwuchsen, war Schömig wie ein zweiter Papa. Liebeskummer, Fragen zur Berufs- oder Studienwahl, Stress mit den Eltern – "auch damit kamen sie zu mir", sagt Schömig und schmunzelt.
Bei Fehlentscheidungen von Schiedsrichtern sieht Josef Schömig Rot
Bevor er sich beim nächsten Thema seiner Rückschau kurz in Rage redet: sein Verhältnis zu Schiedsrichtern, die er zuweilen gerne kritisiert. "Kommt auf die Schiris an. Es gibt viele gute, aber auch welche, die in der Zweiten Liga nichts zu suchen haben", meint er. "Die kriegen mehr Geld als die Spieler bei uns und bereiten sich offensichtlich nicht mal vor. Sowas ärgert mich!" So ist Schömig: gerade raus. Ehrlichkeit sei einer der wichtigsten Werte für ihn.
"Bei einer Fehlentscheidung kann ich schon mal Rot sehen", sagt er. Die Hitzigkeit steht ihm dann ins Gesicht geschrieben. Er nehme sich immer vor, sich nicht mehr aufzuregen, "aber es gelingt mir nicht". Neulich, so erzählt er schelmisch, habe er zu einem Schiedsrichter gesagt: "Ihr seid auch ein Grund, warum ich aufhöre."
Die Doppelbelastung aus Arbeit und Handball brennt ihn aus
Natürlich stimmt das nicht. Die Gründe dafür sind ernst. "Ich habe in den letzten Jahren verstärkt gemerkt, dass ich die tägliche Doppelbelastung aus Arbeit und Handball nicht mehr so leicht wegstecke wie früher. Es gibt immer mehr Tage – inzwischen auch Phasen –, in denen ich ausgebrannt bin." Auch so eine Erklärung erfordert Ehrlichkeit, vor allem sich selbst gegenüber.
Schömig, der als Fertigungsplaner bei Brose beschäftigt ist und häufig auf Geschäftsreisen unterwegs – gerade erst kam er aus China zurück –, rechnet vor: "In den letzten zehn Jahren habe ich 100 Tage für Werktagsspiele frei genommen, weil die immer mehr werden." Jeweils ein Drittel seines Jahresurlaubes. Dazu die vielen Wochenenden mit teils weiten Auswärtsfahren, die Freizeit fressen. "Da bleibt nicht mehr viel Zeit zum Regenerieren."
Das Verständnis einer handballbegeisterten Familie
Überhaupt funktioniert so ein Leben nur mit dem Verständnis einer handballbegeisterten Familie. Auch Schömigs Frau Annette hat früher Handball gespielt, ebenso wie der jüngste Sohn Jonas (20) und Tochter Anna-Lena (29). Deren Zwillingsbruder Dominik ist der einzige noch Aktive. Der Linksaußen soll die Wölfe mit in die Zukunft führen.
"Der Wiederaufstieg wird schwer", glaubt Schömig Senior, der hofft, "dass der eigene Nachwuchs in der Dritten Liga wieder eine größere Chance hat, es in die erste Mannschaft zu schaffen". Zumindest die Heimspiele will er sich anschauen.
Natürlich empfinde er Wehmut angesichts seines Abschiedes. "Aber vor allem freue ich mich erst mal auf die freie Zeit." Ein Hintertürchen zur Rückkehr lässt er sich offen: "In drei Jahren gehe ich in Ruhestand. Falls es mir dann zu langweilig wird, wird sich sicher wieder eine Aufgabe finden."
Ein finales Frankenderby gegen Coburg
Erst aber steht nach der 35:37 (17:22)-Niederlage am Mittwoch beim VfL Potsdam noch ein Höhepunkt an, der spezielle Erinnerungen weckt: das Frankenderby gegen Coburg. "Die schönste Zeit für mich war das Jahr, das uns 2012/13 zum Zweitliga-Aufstieg gebracht hat, mit all der Euphorie im Umfeld. Die Spiele wie das in Coburg vor ausverkaufter Halle, als wir der Underdog waren, alles gegen uns lief und wir trotzdem gesiegt haben, werde ich nie vergessen", sagt Schömig voller Vorfreude auf das finale Duell. Seither seien die Derbys gegen Coburg etwas ganz Besonders. "Es gibt nichts Schöneres, als sie zu gewinnen."
ja, das ist wahr.
Mit besten Grüßen,
Natalie Greß