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Was macht eigentlich?
Hauptsache Leidenschaft: Warum an Zehnkampf-As Stefan Schmid ein Musiker verloren gegangen ist.
Früher im Stadion oder der Halle erfolgreich – und jetzt? Wie geht es Unterfranken, die den Sport prägten, nach der Karriere? Diese Woche erzählt der ehemalige Weltklasse-Zehnkämpfer Stefan Schmid aus seinem Leben.
Geschafft: Der Karlstadter Zehnkämpfer Stefan Schmid freut sich 2001 bei der WM in Edmonton über übersprungene 1,97 Meter im Hochsprung.
Foto: dpa | Geschafft: Der Karlstadter Zehnkämpfer Stefan Schmid freut sich 2001 bei der WM in Edmonton über übersprungene 1,97 Meter im Hochsprung.
Michi Bauer
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:56 Uhr

Eigentlich wollte der junge Stefan Schmid Fußballer werden. In der A-Jugend des TSV Himmelstadt war er kein Schlechter. Nur: Parallel entwickelte sich über die Schule die Leidenschaft für die Leichtathletik. "Hochsprung und die Lust auf Speerwerfen", erinnert er sich. "Und bald ging es in Richtung Mehrkampf, als sie im Verein gemerkt haben: Der kann mehr als schnell laufen." Und so wurde Schmid nicht Fußballer, sondern Zehnkämpfer, zweimal deutscher Meister (1992, 1996), EM-Fünfter (1994), zweimal WM-Siebter (1997, 2001) und 2000 in Sydney Achter der Olympischen Spielen. In all den Jahren blieb er stets seinem Heimatverein LG Karlstadt treu.

8478 Punkte waren seine Bestmarke - ein internationaler Spitzenwert, in seiner Dekade in den Neunzigern jedoch zu wenig für eine internationale Medaille, in einer überragenden Zehnkämpfer-Generation im den US-Amerikaner Dan O`Brien, den Tschechen Tomas Dvorak, den Finnen Eduard Hämäläinen und auch den Deutschen Frank Busemann. Da ging Edelmetall selten unter 8800 Punkten weg. "Klar war es schade, dass ich keine Medaille geholt habe. Aber ich ärgere mich eher darüber, dass ich, wenn ich damals schon so viel über Trainingsmethodik gewusst hätte, wie heute, weniger verletzungsanfällig gewesen wäre."

Heute weiß Stefan Schmid, inzwischen 52 Jahre alt, darüber auch deshalb so viel, weil er zusammen mit seinem Geschäftspartner seit Jahren ein Fitness-Studio in Karlstadt betreibt, dem auch noch die Zweige Physiotherapie und Reha-Sport angeschlossen sind. Auch, weil er den frühen Weg in die Selbstständigkeit vorzog, hat Schmid sein angefangenes Studium Sport und Wirtschaftswissenschaften für das Lehramt am Gymnasium nicht beendet.

Er erinnert sich immer noch gerne an die großen Momente seiner Laufbahn. "Sydney hat alles getoppt. Abends die Atmosphäre beim Weitsprung-Endkampf der Männer vor 115000 Menschen, da hat man als Zuschauer Gänsehaut bekommen". Oder an die regelmäßigen Trainingslager in Nizza, zusammen mit den Leverkusenern. Zehnkampfkollege Paul Meier war sein Zimmergenosse. "Da war immer ein Koch dabei, der tolle Sachen sportlergerecht für uns gezaubert hat. 6000 Kilokalorien am Tag, Hauptsächlich Kohlenhydrate, Fette, Eiweiß - und trotzdem hab ich zwei Kilo jedes Mal abgenommen."

Bewegender Moment: Stefan Schmid nach seinem letztem Zehnkampf in Ratingen - zusammen mit seinem Sohn Eric.
Foto: Günther Felbinger | Bewegender Moment: Stefan Schmid nach seinem letztem Zehnkampf in Ratingen - zusammen mit seinem Sohn Eric.

Abgenommen wurde ihm auch sein nationaler Titel 1996 - wegen einer Doping-Affäre. Doping? "Ist komplett dementiert, ich wurde ohne wenn und aber freigesprochen", erklärt Schmid. "Ich ging damals den offiziellen Dienstweg über Bundestrainer und Arzt, weil ich gegen Schmerzen etwas anderes haben wollte als das erlaubte Voltaren, weil ich das im Magen nicht vertragen habe. Man gab mir Develin retard, was ich sogar selbst vor den Wettkämpfen angegeben habe. Es stand aber auf der Doping-Liste. Zwei Monate nach meiner Verhandlung dann nicht mehr."

Heute wohnt Schmid immer noch in Karlstadt, getrennt von seiner Frau lebend, mit der er zwei Kinder (19, 21) hat. Sportlich gilt seine Leidenschaft inzwischen dem Tennis. Mit dem TSV Karlstadt spielte er länger in der M30 Bezirksliga, inzwischen in der M40 ebenfalls. Senioren-Leichtathletik-Wettbewerbe würde Schmid nicht mitmachen wollen: "Das wäre wohl zu frustrierend, nur noch 3,80 statt 7,80 Meter weit zu springen."

Wie haben Sie die Corona-Krise erlebt und mit welchen Erwartungen gehen Sie in die nächsten Monate?

Stefan Schmid: Als sehr belastend. Habe gelernt, alltägliche Dinge zu schätzen. Ich bin aber extrem optimistisch, dass es jetzt in die richtige Richtung geht. Und freue mich auf gesellige Tennis-Runden.

Ihre gegenwärtige Form?

Schmid: Die könnte definitiv besser sein.

Für welchen Sport bewegen Sie sich noch?

Schmid: Tennis, Kraftraining.

Werbe-Motiv: Stefan Schmid beim Diskuswurf - in der Pose einer griechischen Statue.
Foto: Günther Felbinger | Werbe-Motiv: Stefan Schmid beim Diskuswurf - in der Pose einer griechischen Statue.
Und was bewegt Sie?

Schmid: Zwangsläufig rückblickend die Corona-Zeit und aktuell natürlich der Krieg in der Ukraine. Das belastet alle, die nur einen Schuss Menschlichkeit in sich tragen.

Wofür wären Sie heute gerne noch mal jung?

Schmid: Eigentlich bin ich ganz zufrieden mit meinem Alter, auch wenn ich gerne zehn Jahre länger 40 gewesen wäre.

Was schätzen Sie am Alter am meisten?

Schmid: Die Lebenserfahrung.

In welche Zeit würden Sie mit einer Zeitmaschine reisen und warum?

Schmid: Ich bin mit der derzeitigen zufrieden, weil ich bisher ein schönes Leben hatte.

Ihr Lieblingsort?

Schmid: Früher hätte ich ganz klar San Francisco gesagt, weil dort das Meer und die Möglichkeit, schnell in den Bergen zu sein, vereint sind. Heute sage ich: die Kombination aus dem Zuhause und der Möglichkeit zu verreisen - das muss nicht weit weg sein. Ich bin zum Beispiel gerne auf der griechischen Insel Milos und helfe Freunden bei der Olivenernte.

Was haben Sie vom Leben gelernt?

Schmid: Dass nicht alles planbar ist.

Hoch konzentriert: Stefan Schmid beim Kugelstoßen.
Foto: Volker Hensel | Hoch konzentriert: Stefan Schmid beim Kugelstoßen.
Und was hat Sie der Sport gelehrt?

Schmid: Vieles, das man im normalen Leben brauchen kann. Man ist nur wirklich gut, wenn man eine Leidenschaft für etwas entdeckt. Und, wenn man seine Stärken kennt.

Bei welchem Thema werden Sie angriffslustig?

Schmid: In der Corona-Zeit, wenn ich irgendwelche Verschwörungstheorien über mich ergehen lassen musste. Und im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise, wenn ich abstruse Rechtfertigungen für den Krieg höre.

Und wen oder was würden Sie immer verteidigen?

Schmid: Die Familie.

Wie waren die ersten Wochen/Monate nach Ihrem Karriereende in der Familie?

Schmid: Sicher nicht ganz einfach. Habe das verglichen mit einem virtuosen Klavierspieler, der sich über Jahre seine Fähigkeit angeeignet hat und von heute auf morgen den Deckel zumachen soll. Es hat nicht nur paar Wochen gedauert, bis ich mich neu sortiert hatte. Und das war für das Umfeld nicht immer einfach.

Welchen Moment Ihres Lebens würden Sie gerne noch einmal erleben?

Schmid: Alles hat seine Zeit, einen Moment zu wiederholen wäre nicht mehr das Original.

Die neue Leidenschaft: Tennis. Stefan Schmid vor einem Turnier-Endspiel zusammen mit Gegner Jochen Engert (links).
Foto: Engert | Die neue Leidenschaft: Tennis. Stefan Schmid vor einem Turnier-Endspiel zusammen mit Gegner Jochen Engert (links).
Welches sportliche oder menschliche Foul würden Sie gerne rückgängig machen?

Schmid: Ich habe immer versucht, mich sportlich fair zu verhalten.

Wenn Sie nicht Sportler geworden wären – was dann?

Schmid: Musiker. Auf die Bühne gehen und sich bewerten lassen. Ich wollte auch als Sportler immer meine Fähigkeit der Öffentlichkeit zeigen.

Ihr Lieblingssportler heute?

Schmid: Roger Federer, der Höchstleistung mit Stil verbindet. Und Zlatan Ibrahimovic, eine gereifte Persönlichkeit.

Was war das größte Abenteuer Ihres Lebens?

Schmid: Das Fitnessstudio damals in Karlstadt auf die flache Wiese zu bauen.

Nach wessen Pfeife tanzen Sie heute?

Schmid: Da fällt mir tatsächlich niemand ein.

Worüber haben sie zuletzt gelacht?

Schmid: Wenn wir mit unserer Tennis-Truppe zum Beispiel am Gardasee unterwegs sind.

Geschäftspartner: Stefan Schmid und  Jochen Schmied (links) betreiben zusammen ein Fitnessstudio in Karlstadt.
Foto: Günter Roth | Geschäftspartner: Stefan Schmid und  Jochen Schmied (links) betreiben zusammen ein Fitnessstudio in Karlstadt.
Was regt Sie auf?

Schmid: Geiz und Engstirnigkeit.

Wen bewundern Sie – und wofür?

Schmid: Ich bewundere Menschen, die Macht haben, sie aber nicht missbrauchen.

Wer oder was macht Sie glücklich?

Schmid: Man muss versuchen, selbst glücklich zu werden. Man darf nicht anderen Menschen den Ballast zuschieben, einen glücklich machen zu sollen.

Und vor welchem Unglück haben fürchten Sie sich?

Schmid: Vor fiesen Krankheiten.

Was möchten Sie noch lernen?

Schmid: Noch viel. Vor allem aber noch mehr Zufriedenheit und Demut.

Was möchten Sie unbedingt noch erleben?

Schmid: Ich hechle keinen überhöhen Zielen hinterher. Allerdings würde ich gerne mal eine Motorrad-Reise machen, nachdem ich letztes Jahr meinen Führerschein gemacht habe.

Tiefenentspannt: Stefan Schmid auf der Terrasse seines Fitness-Studios in Karlstadt.
Foto: Schmid | Tiefenentspannt: Stefan Schmid auf der Terrasse seines Fitness-Studios in Karlstadt.
Wovon träumen Sie?

Schmid: Ich setze mich manchmal abends mit einem Reisefrüher hin und da fange ich schon gelegentlich das Träumen an. Gerne würde ich einmal auf dem Landweg über den Balkan nach Griechenland fahren.

Welche Botschaft würden Sie (jungen Sportlern) gerne hinterlassen?

Schmid: Dass man sich fragen sollte, was ihre Leidenschaft ist. Und dann diszipliniert dran bleiben.

Als wer oder was würden Sie wiedergeboren werden?

Schmid: Als Stefan Schmid.

Die Reihe: Was macht eigentlich...?

Fast jeder in der Region kennt sie – aber kaum einer weiß, was sie heute machen. Früher waren sie erfolgreiche Sportler, Trainer oder Funktionäre. Doch wenn sie nach ihren Karrieren nicht mehr im Scheinwerferlicht der Arenen, Hallen und Stadien stehen und damit im Fokus der Öffentlichkeit, verschwinden sie in der Regel auch aus den Schlagzeilen.
In unserer Reihe „Was macht eigentlich . . . ?“, die in losen Abständen erscheint, haben wir uns auf die Suche gemacht nach Menschen, die den Sport in Unterfranken im vergangenen Jahrhundert oder Jahrzehnt auf irgendeine Weise geprägt haben. Wir haben ihnen allen den gleichen Fragebogen zukommen lassen und sie gebeten, ihn für uns auszufüllen. Darin blicken sie zurück auf ihre Karrieren, verraten, was sie gegenwärtig auch jenseits des Sports bewegt und wovon sie in Zukunft noch träumen.
Sie wollen wissen, was aus einer ehemaligen lokalen Sportgröße geworden ist? Dann schreiben Sie online in die Kommentare, über wen Sie gerne mehr erfahren würden. Wir versuchen, die Sportler zu kontaktieren, um herauszufinden, was sie eigentlich machen.
 
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    So isser, unser Stefan…..ein durch und durch erdiger Typ.
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