Sie haben Wurzeln geschlagen in Unterfranken und sind beim Handball-Zweiligisten DJK Rimpar Wölfe nicht mehr wegzudenken: Kapitän Patrick "Paddi" Schmidt und Kreativkopf Steffen "Willi" Kaufmann. Beide sind Jahrgang 1992. Beide spielen in ihrer achten Saison in Rimpar und haben ihre Verträge um jeweils drei Jahre verlängert. Und beide haben ihre sportlichen Karrieren als Jugendliche beim TV Großwallstadt begonnen. Im Handball-Leistungszentrum (HBLZ) des Ex-Erstligisten haben sich der temperamentvolle Ansbacher und der introvertierte Lörracher 2008 kennen- und mögen gelernt. Im Interview vor dem Auswärtsspiel beim TV Emsdetten (Mittwoch, 19.30 Uhr) sprechen die 28-Jährigen über ihre Freundschaft.
Steffen Kaufmann: Natürlich haben wir uns darüber unterhalten, aber wir haben die Entscheidungen nicht voneinander abhängig gemacht. Bei mir war schnell klar, dass ich keine Alternativen mehr suche. Ich hab ja schon oft gesagt, dass ich mich in dem familiären Umfeld hier wohlfühle und Rimpar eine Herzensangelegenheit für mich ist. Ich kriege Wertschätzung, auch berufliche Unterstützung, das war mir immer mehr wert als bei einem anderen Klub mal zwei Jahre lang 1000 Euro mehr im Monat zu verdienen, aber dann vielleicht mit der Unsicherheit leben zu müssen, wie und wo es danach weitergeht. Hier werden wir gebraucht.
Patrick Schmidt: Da Willi und ich so eine gute Bindung zueinander haben, nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch privat, war es eigentlich keine Frage, dass wir den Weg weiter zusammen gehen wollen. Wir sehen uns auch in der Pflicht, den Verein in die nächste Generation zu führen und wollen ihm etwas zurückgeben.
Kaufmann: Mich stört das nicht. Ich fand's eher cool, Teil des Ganzen gewesen zu sein. Mit den Eigengewächsen aus dem Dorf fünfmal aufzusteigen, das ist eben einmalig. Daher ist es für mich nicht schwierig zu verstehen, dass im Umfeld durch die Veränderungen viele sagen: 'Wir sind nicht mehr das Rimpar, das wir mal waren.'
Schmidt: Mich nervt es auch nicht, die Geschichte war einzigartig, aber sie ist halt Vergangenheit. Nun sind wir in der Gegenwart, und wir müssen nun mal den Wandel mitmachen, um auch in Zukunft Erfolg zu haben. Letztlich tragen wir alle den Wolf auf der Brust, egal, woher wir kommen.
Schmidt: Stimmt. Wer hätte gedacht, dass wir einen so jungen Trainer aus der A-Jugend-Bundesliga bekommen? Autorität und respektvoller Umgang miteinander haben nichts mit dem Alter zu tun. Unser Team besteht aus 17 erwachsenen Männern, da sollte das selbstverständlich sein. Sportlich warten wir einfach mal ab, was Julian mit uns vorhat.
Kaufmann: Man muss ehrlich sagen, dass es gerade immer schwieriger wird, sich ohne Fans zu pushen, je länger Corona dauert, das hört man auch von gegnerischen Mannschaften.
Schmidt: Es ist echt trist. Klar können wir froh sein, dass wir überhaupt spielen dürfen, das ist ein Privileg. Aber wir spielen eben nicht nur für uns, sondern auch für Zuschauer. Mit ihnen kommt hoffentlich das Feuer zurück.
Schmidt: Ich weiß es noch wie heute, als Mama und Papa mich damals in Großwallstadt abgeliefert haben. Das war ziemlich emotional. Aber dann war da schnell diese Horde von Jungs, 16 insgesamt. Erst mal ging's natürlich darum, sich gegenseitig abzuchecken. Willi und ich haben uns ziemlich schnell sehr gern gehabt.
Kaufmann: Paddi war schon immer everybody's darling. (grinst)
Schmidt: Ne, das Internat war damals noch im Bau. Wir haben erst mal ein halbes Jahr lang im Tannenhof gewohnt. Eine Pension, geführt von einem älteren Ehepaar.
Kaufmann: Paddi und ich waren im Zimmer gegenüber im Erdgeschoss. Im ersten Stock gab's einen Aufenthaltsraum mit Kühlschrank. Den hat ein Zivi immer für uns gefüllt, der hat auch aufgepasst, dass wir zeitig ins Bett gegangen sind.
Schmidt: Der arbeitet jetzt übrigens bei der Handball-Bundesliga in Köln, Frank Leibmann. Die eine Hälfte von uns ist aufs Gymnasium nach Erlenbach gegangen, die andere auf die Realschule nach Elsenfeld. Ich war immer ein sehr gewissenhafter Schüler...
Kaufmann: ...ich eher weniger.
Schmidt: Jedenfalls waren wir alle um 14 Uhr aus den Schulen zurück, und dann ging der große Kampf ums Essen los.
Kaufmann: Das hat der Zivi bei einem Catering-Service für uns geholt. Als Riegel zum Nachtisch gab's immer Balisto - das kann ich seither nicht mehr sehen. In der Freizeit haben Paddi und ich dann öfter Fußball gezockt.
Kaufmann: Ich musste ihn halt öfter mal trösten.
Schmidt: Da war der Club noch gut und in der ersten Liga!
Kaufmann: Jedenfalls gab's gewisse Diskrepanzen. (lacht)
Schmidt: Und auch mal einen kaputten Laptop.
Schmidt: Wir können beide nicht verlieren. Einmal haben wir ein Fifa-Länderspiel gegeneinander ausgetragen.
Kaufmann: Paddi war England, ich Italien. Nach 20 Minuten hab ich mit Luca Toni ein Seitfallziehertor gemacht und übelst gejubelt, vielleicht auch ein bisschen provokant. Das hat Paddi nicht so gefallen. Ich hab so lange weitergejubelt, bis er einen leeren Yoghurtbecher genommen und auf meinen Laptop geworfen hat. Dabei ist eine Taste rausgebrochen.
Schmidt: Inzwischen sind wir wie ein altes Ehepaar. Wenn wir am Samstag verlieren, danach jeder wütend oder frustriert nach Hause geht, ohne dass wir noch mal groß miteinander geredet haben, dann denke ich am Sonntag: Rufe ich ihn jetzt an? Dann lasse ich es und gehe am Montagfrüh zu Infosim zur Arbeit (Hauptsponsor der Wölfe, beide haben dort Minijobs, Anmerkung der Redaktion). Da treffen wir uns dann, reden miteinander und haben uns wieder lieb.
Kaufmann: Wir können uns auch mal die Meinung sagen oder energisch diskutieren, gerade, wenn's ums Sportliche geht. Aber einen richtig großen Streit gab's noch nie.
Schmidt: Lange können wir eh nicht ohne einander.
Kaufmann: Ich hab sogar an freien Tagen meine Ruhe nicht. Dann rufen Paddi und Lenni (Sohn von Schmidt, d. Red.) mich per Facetime an. (lacht)
Schmidt: Bin ich erwachsener geworden?
Kaufmann: Ne.
Schmidt: Ich find's unglaublich süß, wie Willi mit Lenni umgeht. Das rührt mich, das muss ich sagen. (zu Kaufmann) Du warst der Erste außerhalb der Familie, der Lenni gesehen hat. Ich weiß noch, wie du gekommen und gleich auf ihn zugegangen bist. Das war mir unheimlich wichtig. Verändert hat Lenni unsere Freundschaft nicht, er ist jetzt eben auch ein fester Bestandteil davon. Nur frag ich mich manchmal, auf wen du dich mehr freust, wenn du kommst.
Kaufmann: Mir macht es Spaß, mit Lenni zu spielen und ihm Flausen in den Kopf zu setzen. Ich konnte schon immer gut mit Kindern umgehen. Und ich muss ja auch in die Erziehung eingreifen und dafür sorgen, dass Lenni Bayern-Fan wird.
Kaufmann: (lacht) Zur Geburt hab ich Lenni einen Bayern-Strampler geschenkt, aber den hat er nie bekommen, weil er schon zu groß dafür war.
Schmidt: Mein Prachtjunge! Stattdessen gab's das Overall-Set vom FCN.
Kaufmann: Er weint halt öfter, wenn er das anhat. (lacht) Im Ernst: Paddi ist privat schon auch ein Vorbild für mich. Da ist er mir so zwei Jahre voraus.
Kaufmann: Wir können uns alles sagen, müssen das aber nicht. Mir ist auch wichtig, dass sich unsere Partnerinnen gut verstehen.
Schmidt: Dass wir immer ein offenes Ohr füreinander haben und viele gleiche Interessen teilen, nicht nur Handball. Fußball ist ein großes Thema, und auch wenn Willi für den falschen Verein ist, so unterstützt er mich mit dem FCN und war auch beim Zweitliga-Aufstieg dabei, getarnt als Club-Fan.
Kaufmann: Auch die NBA-Meisterschaft von Dirk Nowitzki mit den Dallas Mavericks 2011 haben wir zusammen erlebt. Da hat mich Paddi zu Hause in Weil am Rhein besucht. Ich hab ihm meine Heimat gezeigt, hauptsächlich feiertechnisch. Am Abend des Finales sind wir etwas laut daheim eingefallen. Plötzlich kam mein Papa von oben runter zu uns ins Zimmer.
Schmidt: Wir dachten, jetzt gibt's 'nen Anschiss.
Kaufmann: Aber Papa hat nur die Tür aufgemacht und gefragt: Und, wie steht's? Dann hat er sich zu uns gesetzt und mitgefiebert.
Schmidt: Unsere Eltern kennen sich seit TVG-Zeiten auch gut. Die kamen ja fast jedes Wochenende zu unseren Spielen und haben dann abends immer was zusammen unternommen. Unsere Familien haben sich auch schon gegenseitig besucht.
Schmidt: Ich wurde schon von ein paar gegnerischen Spielern gefragt, ob das ein Rentenvertrag ist. Aber wenn der ausläuft, sind wir 31. Das zähle ich noch nicht als Rente. Wir sind gefühlt in der Blüte unserer Karrieren.
Kaufmann: Man braucht ja nur mal in die Erste Liga schauen. Andy Schmid (37 Jahre, d. Red.), Alexander Petersson (40, d. Red.) - da spielen einige noch Ältere. Ich glaube nicht, dass nach den drei Jahren für uns unbedingt Schluss sein muss. Momentan kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen, mit Handball aufzuhören, wenn ich von Verletzungen verschont bleibe.
Kaufmann: Das stimmt. Da gehört auch ein bisschen Glück dazu. Und man muss ein bisschen clever spielen in den Zweikämpfen.
Kaufmann: Ich sag' mal, wenn man nicht so in die gegnerische Abwehr rennt, um sich zu opfern, dann geht das schon ohne große Verletzungen. (grinst)
Kaufmann: Ich hoffe, dass wir dann noch so fit sind und was unternehmen können. Zum Beispiel ins Fußballstadion gehen.
Schmidt: Oder wir sitzen in Opa-Stühlen auf eurer oder unserer Terrasse...
Kaufmann: ...trinken Bierchen, haben schöne Plauzen und schauen unseren Enkeln beim Toben im Garten zu.
Schmidt: Und fragen uns: "Weißt du noch? Die Zeiten im Tannenhof in Großwallstadt, der verpasste Erstliga-Aufstieg mit Rimpar, unser letztes Spiel mit den Wölfen..."
Kaufmann: Wir werden auf jeden Fall sagen: "Schön war's. Und dass wir das alles zusammen erlebt haben."