
Kann man mit 34 Lebensjahren schon als Urgestein bezeichnet werden? Wenn nicht, dann müsste für Klaus Orner bei den Würzburger Kickers ein neuer Begriff erfunden werden. Als er zum ersten Mal die Trikots für die erste Mannschaft der Rothosen packte, da erschien Profifußball am Dallenberg als Utopie. Fast 15 Jahre sind seither vergangen. Orner war immer dabei – beim Höhenflug, beim Absturz, beim Neuanfang. Jetzt hört er auf und blickt im Gespräch mit dieser Redaktion auf bewegte Zeiten zurück.
Er ist den ganzen Weg der Rothosen mitgegangen; vom Amateurklub in der Landesliga bis hinauf in die Zweite Bundesliga und wieder zurück in die Regionalliga, wo die Kickers derzeit an der Spitze stehen. "Meine Eltern und ich waren schon immer Rot. Für uns gab es nie einen anderen Verein und für mich wird es nie einen anderen geben. Ich kenne nur Kickers", sagt er.
Seit dem Start der Profi-Ära war er als Vollzeitkraft bei den Rothosen angestellt. Nun müssen andere die schmutzige Wäsche der Spieler waschen. "Es fällt mir nicht leicht. Ich habe mir immer wieder einmal Gedanken gemacht: Wie lange kannst und willst du diesen Job so machen? Was ist in zehn oder 20 Jahren? Jetzt hat sich für mich die Chance ergeben, mich beruflich zu verändern." Dem Sport in der Stadt wird er als Hallenwart in der Tectake-Arena verbunden bleiben. Eine Anstellung im öffentlichen Dienst ist aber doch etwas anderes als die Arbeit im aufregenden, aber auch unsteten Fußball-Business, über das man am Dallenberg in den vergangenen zehn Jahren einiges lernen konnte.

Es war 2009 als Orner in die Sache hineinrutschte, wie man so sagt. Mit Predrag Uzelac hatte eben erst ein neuer Trainer die Geschicke am Dallenberg übernommen. Und es war niemand mehr da, der sich um die Arbeiten, die rund um eine Fußball-Mannschaft anfallen, kümmerte. Von 9 bis 13 Jahren hatte Klaus Orner selbst für die Kickers gekickt, seine Eltern engagierten sich seit jeher im Verein. So kam eins zum anderen, der junge Mann wurde Zeugwart. Zunächst war das ein Hobby. "Damals hast du einfach die Trikottasche gepackt und bist zum Spiel gefahren. Später war der Transporter manchmal bis unters Dach voll", erzählt er von den Veränderungen, die er erlebte.
"Zuverlässigkeit" ist die wichtigste Eigenschaft für einen Zeugwart
Aber egal in welcher Liga, "Zuverlässigkeit", das sei am Ende die wichtigste Eigenschaft, die man in diesem Job brauche. "Bei mir hat nie etwas Wichtiges gefehlt." Dafür gab es so manch unvergessliches Erlebnis, vor allem, nachdem sich die Kickers aufgemacht hatten in den Profifußball. Thorsten Fischer, damals Hauptgeldgeber und Taktgeber des Profiprojekts, und Bernd Hollerbach als neuer Trainer machten schnell Nägel mit Köpfen. "Beide kamen bei einem Testspiel in Kleinrinderfeld auf mich zu und haben gefragt, ob ich mir vorstellen könne, den Job in Vollzeit zu machen. Ich habe keine Sekunde gezögert", erinnert sich Orner an den Sommer 2014. Kurz darauf hörte er auf, bei Fischers Online-Druckerei zu arbeiten, und begann bei den Kickers.

Den Aufstieg in Liga drei, das entscheidende Elfmeterschießen gegen den 1. FC Saarbrücken ein Jahr später, erlebte Orner im Waschraum des Stadions am Dallenberg. "Ich hatte mich mit dem Torwarttrainer der Saarbrücker angelegt. Der Schiedsrichter hat uns beide hinausgeschickt. Beim Elfmeterschießen konnte ich nicht mehr vom Zaun aus zuschauen."
Auf dem Feld ereignete sich Würzburger Fußballgeschichte. Torhüter Robert Wulnikowski hielt den entscheidenden Elfmeter und Orner, der einige Jahre zuvor noch mit der Trikottasche im Kofferraum zu Landesliga-Spielen nach Leinach, Trogen oder Neudrossenfeld gefahren war, reiste nun, meist einen Tag im Voraus, zu Auswärtsspielen in der ganzen Republik. "Beim ersten Drittliga-Spiel in Wiesbaden habe ich geschwitzt, ob ich etwas vergessen habe. Da war ich total blass. Die Abläufe zu lernen, hat gedauert. Ich kannte ja niemanden, der diesen Job gemacht hat. Ich habe mich erst einmal bei Kollegen durchgefragt, wie sie dies und das machen."

Der Sprung in die 2. Bundesliga, die Gastspiele in den großen Stadien in Hannover, Nürnberg oder auch in der Münchner Allianz-Arena bleiben natürlich im Gedächtnis. Schließlich war auch der Zeugwart immer mittendrin, erzählt Orner: "Du standest plötzlich mit Leuten neben dem Platz, quatscht mit denen ganz normal und denkst danach: ‚Krass. Den kenn ich doch aus dem Fernsehen.‘" Unter den Zeugwarten der Erst- und Zweitligisten gebe es auch eine WhatsApp-Gruppe, erzählt Orner: "Aber da bin ich ja leider nicht mehr dabei."
Erinnerungen an den Aufstieg 2020
Geblieben ist der Kontakt zu einigen Spielern und die Erinnerung an spezielle Erlebnisse, wie den Zweitliga-Aufstieg im Corona-Jahr 2020: "Wir hatten einen unglaublichen Zusammenhalt. Damals hätte egal wer kommen können, da hätten wir fast jeden geschlagen. Um uns herum, für die Gesellschaft, war das eine sehr schwierige Situation, aber bei uns intern war das eine der schönsten Zeiten."