Am Tag der Deutschen Einheit ahnte Nils Lichtlein noch nicht, dass schon einen Monat später ein Traum für ihn in Erfüllung gehen würde. An jenem 3. Oktober gab es für den 21-jährigen Handball-Profi ein Familientreffen in Würzburg. Vor versammelter Verwandtschaft besiegte der Spielmacher mit Tabellenführer Füchse Berlin in der tectake Arena den Bundesliga-Rivalen HC Erlangen im DHB-Pokalwettbewerb. Die Frage, ob Bundestrainer Alfred Gislason ihn schon angerufen und zu einem Lehrgang der A-Nationalmannschaft eingeladen habe, verneinte er danach noch.
Wenig später meldete sich der Isländer dann doch und nominierte den Linkshänder aufgrund von Verletzungen anderer Spieler unverhofft für den Länderspielkader gegen Ägypten nach. Damit "geht ein Traum für mich in Erfüllung", sagte Nils Lichtlein gegenüber dem Online-Portal handballword.com. Im Sommer war er mit der deutschen U21 in Berlin Weltmeister und anschließend zum besten Spieler des Turniers gewählt worden. Am Erfolg hatte auch sein Onkel Carsten Lichtlein – langjähriger Nationalkeeper sowie früherer Welt- und Europameister – als Torwarttrainer der DHB-Junioren seinen Anteil.
Nils Lichtlein zeigt laut Alfred Gislason "Charakter"
Am vergangenen Freitag, 3. November, gab Nils Lichtlein nun sein Debüt in der A-Nationalmannschaft. Nach nervösem Beginn mit zwei Fehlpässen beim 31:31 gegen Ägypten zeigte der gebürtige Regensburger, der in der Akademie der Berliner Füchse ausgebildet wurde, laut Gislason "Charakter" – und sein großes Potenzial mit Zuspielen auf Außen, einer Einzelaktion und einem Tor.
Im zweiten Test gegen den Olympia-Vierten am Sonntag in München, bei dem sich die deutsche Auswahl mit 28:27 durchsetzte, brachte der Bundestrainer Nils Lichtlein 13 Minuten vor Schluss beim Stand von 24:21, als das DHB-Team wackelte. Der 21-Jährige holte direkt einen Siebenmeter heraus und markierte später im Nachwurf den wichtigen Treffer zum 27:25. Außerdem legte er einen Assist auf Timo Kastening am Kreis ab.
"Nils hat gut gespielt", kommentierte sein Opa Artur Lichtlein am Sonntagabend die ersten beiden Auftritte seines Enkels im A-Team am Telefon. "Er hat vorne das Risiko gesucht und ist durchgegangen. Dieser Anfang in der Nationalmannschaft bringt ihn wieder einen Schritt weiter."
Der 79-Jährige hat einst den Grundstein für die Familiengeschichte der Lichtleins im Handball gelegt. 1973 war er als Torwart deutscher Feldhandballmeister mit dem TV Großwallstadt geworden war, später in der Halle hatte er im Rückraum für den Traditionsverein gespielt. Nach seiner aktiven Karriere war Lichtlein Senior mehr als 20 Jahre lang Trainer bei der TG Heidingsfeld gewesen. Auch Nils, den Sohn seiner Tochter Silke, hatte er in den Ferien immer mal wieder unter seine Fittiche genommen.
Carsten Lichtlein über Nils Lichtlein: "Wir sind mega stolz auf dich"
Auf Artur Lichtlein war dessen Sohn Carsten gefolgt, der seine aktive Karriere im Juni 2022 beendete. Mit insgesamt 712 Einsätzen für Großwallstadt, Lemgo, Gummersbach, Erlangen und Minden ist der 42-Jährige nach wie vor Bundesliga-Rekordspieler. Als Torwarttrainer steht der gebürtige Würzburger heute nicht nur beim Deutschen Handballbund, sondern auch beim aktuellen Bundesliga-Dritten MT Melsungen unter Vertrag.
Im Handball-Podcast "Hand aufs Harz" ließ "Onkelchen" Carsten Lichtlein, wie Nils ihn nennt, seinem Neffen einen Gruß ausrichten: "Wir sind mega stolz auf dich, dass du die Lichtlein'sche Handballtradition weiterführst", sagte er.
Noch stolzer könnte die Familie vermutlich nur sein, wenn Lichtlein Junior auch für die Heim-EM im Januar nominiert werden würde. Seine Chancen, dass auch dieser Traum für ihn in Erfüllung geht? "Nils hat sich empfohlen", findet Opa Artur. "Auf jeden Fall hat er sich nicht rausgespielt."