Ein Franke ist zurück in Franken. Wenn an diesem Donnerstag der HC Erlangen mit einem Heimspiel gegen den TBV Stuttgart (19 Uhr) in die neue Saison in der Handball-Bundesliga startet, dann geht dort ein Würzburger in seine 20. Spielzeit: Carsten Lichtlein (38). Der ehemalige Nationaltorwart hat einen Schritt Richtung Heimat gemacht und beim einzigen bayerischen Erstligisten einen Zweijahresvertrag unterschrieben. 609 Einsätze hatte Lichtlein bisher in der Eliteklasse. Kommen noch zehn weitere dazu, wird er seinen Keeper-Kollegen Jan Holpert (618) überholen und Rekordspieler sein. "Das ist schon eine Wahnsinnsleistung", sagt sein früherer Lemgoer Klubkollege Finn Lemke, der mit Lichtlein 2016 in Polen Europameister wurde - der zweite EM-Titel für den 2,02-Meter-Schlussmann nach 2004 und dem WM-Gewinn 2007. Und: "Man kann sehr viel als junger Spieler von ihm lernen, was Professionalität angeht und Liebe zum Job." Lichtleins Vater Artur sagt nur: "Mich wundert nicht, dass der Junior so weit gekommen ist. Er hat eine hundertprozentige Einstellung." Bei einem Treffen in Erlangen spricht "Lütti", wie Carsten genannt wird, über seine Karriere, seine Familie und einen anderen Rekord, den er schon hält.
Carsten Lichtlein: Im Herbst, vielleicht im fortgeschrittenen. Auf keinen Fall im Winter! Solange ich noch den Fokus finde und in den Tunnel komme, will ich weitermachen. Und solange ich fit bin. Bisher muss ich den Hut vor meinem Körper ziehen, dass er all die Jahre ohne große Verletzung und OP mitgemacht hat - obwohl ich in Großwallstadt und Lemgo eigentlich nie zum Physiotherapeuten bin. (lacht) Erst, als ich vor ein par Jahren einen Bandscheibenvorfall hatte, habe ich angefangen, mich pflegen lassen.
Lichtlein: Das war 2000 mit dem TVG zu Hause gegen Minden. Damals hatte ich noch Doppelspielrecht für Kirchzell und am Nachmittag ein Freundschaftsspiel gegen Bad Neustadt. Abends saß ich dann beim TVG auf der Bank, Eros (Christian Ramota, d. Red.) stand im Tor. An meinen ersten Einsatz kann ich mich gar nicht erinnern. Ich weiß nur noch, dass ich beim Spiel in Hildesheim im gleichen Jahr gut gehalten habe.
Lichtlein: Neben Siggi Roch und Stefan Hecker war das vor allem mein Vater. Er hat mich 15 Jahre lang trainiert, als ich mit vier in Heidingsfeld mit Handball angefangen habe. Ihm habe ich am meisten zu verdanken.
Lichtlein: ...bin ich schlechter geworden. (lacht)
Lichtlein: Das stimmt. Er hat mir nur immer gesagt, was ihm aufgefallen ist, seit er mich damals zum TVG gebracht hat. (lacht) Da war er ja früher selbst Torwart. Als 15-Jähriger durfte ich schon mit Jackson Richardson und den anderen Pofis mittrainieren. Mittwochs bin ich mit dem Zug von Würzburg nach Aschaffenburg gefahren, am Bahnhof hat mich Heiko Karrer abgeholt und mit in die Halle genommen. Wenn ich bei den Bundesligaspielen zugeschaut habe, dachte ich mir, da will ich auch mal spielen.
Lichtlein: Bisher waren es ja drei Traditionsvereine. Großwallstadt war gut für den Einstieg. Es war nie viel Geld da, aber junge Spieler konnten sich und ihre Persönlichkeit entwickeln. Peter Meisinger war für mich der perfekte Trainer, er hat mir Selbstvertrauen gegeben und das Vertrauen geschenkt, als er mich als Talent mit 20 Jahren zur Nummer eins gemacht hat.
Lichtlein: Was damals der TBV Deutschland war. Bis auf Filip Jicha und Logi Geirsson waren da ja lauter Nationalspieler, Markus Baur, Christian Schwarzer, Volker Zerbe, Florian Kehrmann... Für mich war es der nächste Entwicklungsschritt mit einem anderen Abwehrsystem, 6:0. In Großwallstadt haben wir 3:2:1 gedeckt. Deswegen haben wir auch so viele Siebenmeter gegen uns gekriegt und ich konnte so viele halten. (lacht)
Lichtlein: Ich schaue schon auch viel Video und weiß, welche Lieblingswürfe die Schützen haben. Meine Größe und Reichweite kommen mir auch zugute, ich verstelle dadurch viel vom Tor. Und ein bisschen Glück gehört auch dazu. Als Torwart hast du nichts zu verlieren, die Last liegt beim Schützen.
Lichtlein: Da war ich dann der gestandene Spieler, der die Mannschaft mit führen musste. Der Abstieg im Sommer war der bisherige Tiefpunkt meiner Bundesliga-Karriere.
Lichtlein: Da gab es viele. Zu viele, um einen herauszupicken.
Lichtlein: Nicht nur das. Mit den Löwen wäre ich 2017 auch zum ersten Mal deutscher Meister geworden. Ich wäre gerne nach Mannheim gegangen.
Lichtlein: Das ist heute ein etablierter, professionell geführter Verein mit zwei starken Torhütern. Nikolas Katsigiannis und ich werden beide unsere Einsatzzeiten bekommen. Letzte Saison ist der HC Neunter geworden, jetzt wollen wir den nächsten Schritt machen. Neben dem Klub war auch die Familien- und Heimatnähe natürlich ein Grund, hierher zu kommen. Meine Eltern werden ja auch älter, sie haben das Haus in Heidingsfeld verkauft und wohnen jetzt betreut am Hubland.
Lichtlein: Ja, das war ein schönes Familienfest, bei den Heidingsfelder Kanuten. Wir haben einen super Zusammenhalt, meinen Vater rufe ich jeden Tag auf dem Weg zum Training an. Durch die Erziehung meiner Eltern habe ich meinen Familiensinn mitbekommen und Werte und Normen, die ich auch meinen Kindern weitergebe.
Lichtlein: Benehmen, Höflichkeit, Bodenständigkeit, auch sorgsamen Umgang mit Geld. So langsam sind sie mit zehn und fünf ja in einem Alter, in dem es Taschengeld gibt.
Lichtlein: Nein, der Kleine verteilt höchstens mal meine Autogrammkarten im Kindergarten. Ich habe als Kind mit meinem Papa angegeben. Weil er bei der Sparkasse gearbeitet hat, hab ich erzählt, er bringt immer einen Geldkoffer mit nach Hause. (lacht)
Lichtlein: (überlegt) Seit es Facetime gibt, kann man sich ja jeden Tag zumindest am Telefon sehen. Ich fahre zur Familie, wenn ich frei habe, in den Ferien kommen meine Frau und die Buben zu mir, gerade sind sie auch da. Aber klar verpasst man etwas. Ich war zum Beispiel bei beiden Geburten nicht dabei. Und ich konnte nicht verhindern, dass Leon zum Fußball gewechselt ist, immerhin ist er auch Torhüter. (lacht) Luca geht zu den Handball-Minis. Im Ernst: Ich bedaure, dass ich nicht der Vater sein kann, der meiner für mich war, und dass ich nicht mit meinen Kindern trainieren kann. Aber so ist es im Leben: Alles hat seinen Preis.
Lichtlein: Heute mache ich mir keine Gedanken mehr darum, warum ich nicht dabei bin. Es gibt ja auch viele junge gute Torhüter. Ich hatte zu Christian Prokop gesagt, wenn ich gebraucht werde, bin ich da. Aber ich hänge mich da nicht mehr hin. Dass ich früher meinen Mund nicht aufgemacht habe - so bin ich eben erzogen worden. Es gehört zu meinen Prinzipien, Entscheidungen meines Arbeitgebers zu akzeptieren. So kennt man mich, anders hätte ich mich auch selbst nicht erkannt. So bin ich nicht.
Lichtlein: Auf dem Feld ein positiv verrückter Vogel. Das muss man sein, wenn man sich Bälle mit 120 km/h um die Ohren knallen lässt. Als Torwart bin ich ehrgeizig, zielfokussiert, leidenschaftlich. Da geht es nur ums Gewinnen. Neben dem Feld bin ich ganz anders, weniger emotional. Ruhig, gelassen, ausgeglichen. Was wirklich Verrücktes wie Fallschirmspringen oder Bungeejumping habe ich noch nicht gemacht. Ich würde auch nie in einer TV-Show wie dem Dschungelcamp mitmachen. Ich brauche keine Bühne. Die Zuschauer werden mir bestimmt mal nicht fehlen.
Lichtlein: Ich weiß es noch nicht genau. Der DHB möchte, dass ich die Torwarttrainerlizenz mache, das habe ich jetzt angefangen. Dann soll ich noch die B-Lizenz machen und den Athletiktrainerschein. Dann könnte ich theoretisch beim DHB arbeiten. Aber es gibt auch Ideen für Würzburg. Auf jeden Fall möchte ich mehr Golf spielen.
Lichtlein: (überlegt) Das ist wahrscheinlich das Spiel, wenn ich das Ding knacken kann.
Lichtlein: Wenn wir gewinnen, trinke ich ein alkoholfreies Bier und gebe einen aus.