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HANDBALL: BUNDESLIGA
Carsten und Nils Lichtlein: Generationenwechsel in der Bundesliga
Der Würzburger Ex-Nationaltorwart steht am Ende seiner Handballprofi-Karriere, das Rückraumtalent bei den Füchsen Berlin am Anfang. Ein Doppelinterview mit Onkel und Neffe.
Familienbande in der Handball-Bundesliga: Nils Lichtlein (links) geht bei den Füchsen Berlin in seine erste Profi-Saison, sein Würzburger Onkel Carsten Lichtlein in seine mutmaßlich letzte bei GWD Minden. 
Foto: Imago / Montage Carina Geisel | Familienbande in der Handball-Bundesliga: Nils Lichtlein (links) geht bei den Füchsen Berlin in seine erste Profi-Saison, sein Würzburger Onkel Carsten Lichtlein in seine mutmaßlich letzte bei GWD Minden. 
Natalie Greß
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:31 Uhr

Familienbande in der Handball-Bundesliga haben Tradition. Ebenso wie der Name Lichtlein. Artur Lichtlein (76) war Anfang der 1970er-Jahre Torwart beim TV Großwallstadt. Sohn Carsten (40), HBL-Rekordspieler und Ex-Nationaltorhüter, geht nun bei GWD Minden in seine mutmaßlich letzte Profi-Saison. Enkel Nils Lichtlein (19), Rückraumtalent, vierfacher deutscher Jugendmeister mit den Füchsen Berlin und Vizeweltmeister mit den deutschen U-19-Junioren 2019, steht beim Hauptstadtclub vor seiner ersten.

Das erste familiäre Duell zwischen dem Regensburger Neffen und dem Würzburger "Onkelchen", wie Nils Carsten nennt, lässt noch auf sich warten. Zwar gab Nils, der dem DHB-Elitekader angehört, am 18. März 2021 ausgerechnet gegen Minden sein Bundesliga-Debüt, doch da stand Carsten nicht im Tor. Im gemeinsamen Videointerview verraten sie, wie es ihnen vor der neuen Saison geht, welche Zukunftspläne sie haben und was sie aneinander schätzen.

Ein Familentreffen mit Umarmung gab es bereits in der Handball-Bundesliga, aber noch kein Duell: Am 18. März 2021 gab Nils Lichtlein bei den Füchsen Berlin ausgerechnet gegen GWD Minden sein Bundesliga-Debüt, doch da stand Carsten Lichtlein (Mitte) nicht im Tor.
Foto: Michael Hundt | Ein Familentreffen mit Umarmung gab es bereits in der Handball-Bundesliga, aber noch kein Duell: Am 18. März 2021 gab Nils Lichtlein bei den Füchsen Berlin ausgerechnet gegen GWD Minden sein Bundesliga-Debüt, doch da ...
Frage: Der eine mutmaßlich am Karriereende, der andere am -anfang. Wie fühlen Sie sich?

Carsten Lichtlein: Ich spüre langsam körperlich, dass es schon meine 22. Saison ist. Und auch, dass ich 40 bin. Es dauert inzwischen länger, bis ich in die Gänge komme. Ich hab mich neulich mit Zeitzi (Christian Zeitz, Anmerkung der Redaktion) unterhalten, für den es auch die letzte Saison ist. Ihm geht das nahe, er wurde ein bisschen sentimental. Das kann ich von mir nicht behaupten. Ich realisiere noch gar nicht so richtig, dass nun wohl wirklich das Karriereende ansteht. Aber wenn es so ist, dann ist es so. Der Handball hatte seine Zeit in meinem Leben, jetzt braucht die Familie Zeit.

Nils Lichtlein: Ich habe als Rookie gemischte Gefühle. Zum einen bin ich voller Vorfreude auf das, worauf ich die letzten Jahre hingearbeitet habe. Zum anderen ist aber alles recht neu für mich und eine große Herausforderung. Die meisten Spieler sind deutlich größer als ich, und es geht um einiges härter zu. Da gibt es viel zu lernen.

Carsten, beneiden Sie Ihren Neffen, dass er noch alles, was Sie schon hinter sich haben, noch vor sich hat?

Carsten Lichtlein: (überlegt) Beneiden? Ich weiß nicht. Ich finde es eher beneidenswert, wie er seinen Weg bisher gegangen ist. Und freue mich für ihn, was wahrscheinlich alles noch kommen wird. Ich bin mit meinem handballerischen Werdegang zufrieden und würde mit Großwallstadt, Lemgo, Gummersbach alles wieder genauso machen.

Welchen Rat geben Sie Nils mit auf seinen Weg?

Carsten Lichtlein: Einfach so weitermachen wie bis jetzt! Ehrgeiz, Wille, Fleiß, Disziplin - er vereint alles, was er braucht, um eine Karriere zu machen. 

Nils, was können Sie von Ihrem Onkel lernen?

Nils Lichtlein: Sehr viel, vor allem in Sachen Mentalität. Zum Beispiel, durchzuhalten, wenn man, wie Carsten in der Nationalmannschaft, auch mal eine Zeit lang zweiter oder dritter Mann ist. Nie aufzugeben, hartnäckig zu bleiben und dabei trotzdem hinter der Mannschaft zu stehen. 

Sie standen mit elf Jahren noch am Scheideweg zwischen Fußball und Handball. Ihr Papa kickte in der Jugend des FC Bayern, Ihre Mama, Ihr Onkel und Ihr Opa Artur Lichtlein waren im Handball aktiv. Hat die Lichtlein-Bande Druck gemacht?

Nils Lichtlein: Überhaupt nicht! Ich hatte einfach mehr Spaß am Handball. Und in Carsten auch ein Vorbild. Wir haben zu Hause immer Handball geguckt und wenn er in der Nähe gespielt hat, sind wir hingefahren. Meine Mutter und ich waren 2016 auch beim EM-Finale in Krakau.

Als Deutschland dort Europameister wurde mit Ihrem Onkel als Kapitän - war das der Moment, in dem Sie besonders stolz waren, sein Neffe zu sein? 

Nils Lichtlein: Das war ich eigentlich in jedem Moment. Vor allem, wenn Carsten mich nach Spielen zu sich geholt hat und ich an allen Zuschauern vorbei mit ihm in die Kabinen gehen durfte (lacht).

Carsten Lichtlein wurde 2016 in Polen mit der deutschen Nationalmannschaft Europameister. 
Foto: dpa | Carsten Lichtlein wurde 2016 in Polen mit der deutschen Nationalmannschaft Europameister. 
Warum sind Sie nicht auch Torwart geworden?

Nils Lichtlein: Zum einen bin ich mit einer Größe von 1,83 Meter zu klein. Zum anderen bin ich nicht verrückt genug. Ich würde mich nicht ins Tor stehen, wo Bälle mit 120 km/h auf mich zufliegen. Ich kriege lieber einen Schlag als einen Ball ins Gesicht. 

Mit 14 hatten Sie die Auswahl zwischen mehreren Angeboten, auch Gummersbach, Großwallstadt, Rimpar und Coburg hatten angeblich Interesse. Warum fiel Ihre Wahl auf Berlin?

Nils Lichtlein: Hier war alles am kompaktesten organisiert, die Wege zwischen Internat, Schule und Halle sind kurz. Dazu alles auf allerhöchstem Niveau und das schon in der Jugend. Außerdem gab es im Internat Erzieher, die auf mich aufgepasst haben.

Carsten, haben Sie damals bei Nils' Entscheidung mitgewirkt?

Carsten Lichtlein: Nein. Ich stehe ihm zwar immer beratend zur Seite, aber er muss Entscheidungen treffen, wie sie gut für ihn sind. Er war seinerzeit ja in Gummersbach zum Probetraining, als ich dort gespielt habe. Aber die Akademien in Gummersbach und Berlin, das ist etwas anderes. Bei den Füchsen ist alles noch mal etwas professioneller. Insofern hat Nils für sich die richtige Entscheidung getroffen. 

Nils, plaudern Sie doch mal aus dem Sporttäschchen: Wie ist es, als junger Spieler unter Bob Hanning zu trainieren?

Nils Lichtlein: Bob ist ein sehr ambitionierter und strenger Trainer. Aber er gibt auch alles für den Erfolg und dafür, dass junge Spieler besser werden. Dementsprechend erwartet er auch die eigene Bereitschaft dazu. Ich bin gut damit klargekommen.

Noch-DHB-Vizepräsident Bob Hanning und bekannt für schrille Outfits, trainierte Nils Lichtlein vier Jahre lang in der Jugend der Füchse Berlin  - in den gleichen Pullis, sagt Lichtlein.
Foto: nic pil | Noch-DHB-Vizepräsident Bob Hanning und bekannt für schrille Outfits, trainierte Nils Lichtlein vier Jahre lang in der Jugend der Füchse Berlin  - in den gleichen Pullis, sagt Lichtlein.
Ist er im Training auch so ein auffälliger "Vogel" wie bei seinen öffentlichen Auftritten?

Nils Lichtlein: Er kommt tatsächlich mit den gleichen bunten Pullis zum Training (lacht).

Wie haben Sie es erlebt, als er Ihnen im Wintertrainingslager den Profi-Vertrag für drei Jahre auf den Tisch legte?

Nils Lichtlein: Das ist schwierig in Worte zu fassen. Natürlich war ich durch und durch glücklich, ein Traum ging in Erfüllung. Durch den Kopf ging mir, dass sich die vergangenen vier Jahre gelohnt haben und dass das der erste Zwischenschritt auf dem Weg zum großen Ziel ist. 

Das da wäre?

Nils Lichtlein: Irgendwann in der Nationalmannschaft zu spielen und nach Möglichkeit eine deutsche Meisterschaft und die Champions League zu gewinnen.

Lassen Sie uns, bevor wir auf die neue Saison vorausblicken, noch mal kurz einen Blick zurückwerfen auf die vergangene. Carsten, Sie haben mit Minden gerade so den Klassenerhalt geschafft, hatten aber deutlich weniger Spielzeit als Malte Semisch. Hatten Sie sich das nach Ihrem Wechsel aus Erlangen so vorgestellt?

Carsten Lichtlein: Ich hatte mit dem Trainer so abgesprochen, dass Malte im Tor bleibt, solange er im Flow ist und gut hält. Und dass ich reinkomme, wenn das nicht mehr der Fall ist, oder auch für wichtige Bälle. Ich trainiere Malte ja und er hat eine überragende Saison gespielt. Er hat das angenommen und umgesetzt, was ich ihm gesagt habe und ich gönne ihm seinen Erfolg von Herzen. Gleichzeitig ist das auch für mich eine Genugtuung, dass meine Arbeit als Torwarttrainer fruchtet und wir als Team funktionieren. Ich bin jetzt in einem Alter, in dem es auch darum geht, junge Spieler zu unterstützen und nicht mehr nur darum, selbst unbedingt spielen zu müssen.

In Ihrer Mannschaft gab es einen Umbruch. Welche Hoffnungen haben Sie für die neue Saison - mit Minden und persönlich?

Carsten Lichtlein: Für mich persönlich: Bälle halten, wenn ich reinkomme. Für Minden: Ich glaube, wir sind eine Überraschungsmannschaft mit den Neuzugängen und wollen positiv überraschen. Das heißt vor allem, mit dem Abstieg möglichst schnell nichts zu tun zu haben.

Handballer Nils Lichtlein (Zweiter von links) gewann mit den deutschen U-19-Junioren (von links Yassine Meddeb, Julius Meyer-Siebert und Lukas Diedrich) bei der WM in Nordmazedonien 2019 Silber.
Foto: via www.imago-images.de | Handballer Nils Lichtlein (Zweiter von links) gewann mit den deutschen U-19-Junioren (von links Yassine Meddeb, Julius Meyer-Siebert und Lukas Diedrich) bei der WM in Nordmazedonien 2019 Silber.
Nils, Sie wurden im Sommer 2020 durch die Personalnot in den Erstliga-Kader der Füchse befördert und kamen in der Vorbereitung unter anderem gegen Kielce zum Einsatz. Es folgten eine Verletzung, die Absage des regulären A-Jugend-Spielbetriebs wegen Corona und am Ende der erneute Gewinn der Meisterschaft und die Aufstiegsspiele zur 2. Liga mit dem Berliner Kooperationsklub VfL Potsdam. Ihr Rückblick?

Nils Lichtlein: Es war eine Saison mit Höhen und Tiefen. Leider ohne optimalen Abschluss, da wir mit Potsdam gescheitert sind. Trotzdem nach dem ein oder anderen Rückschlag alles in allem ein guter Ausgang und durch die Einsatzzeiten bei den Profis und den Vertrag auch mit einem positiven Ausblick.

Werden Sie in der neuen Saison als dritter Mann im rechten Rückraum hinter Fabian Wiede und Marko Kopljar fester Teil des Profikaders sein oder eher Spielpraxis mit Potsdam in der Dritten Liga sammeln?

Nils Lichtlein: Ich habe ein Zweitspielrecht in Potsdam. Aber ich trainiere in Berlin mit der ersten Mannschaft und soll nach Möglichkeit auch vor allem da spielen, auf Halbrechts und Mitte.

Wo sehen Sie Nils' größte Stärken, Carsten?

Carsten Lichtlein: Er ist ein kompletter Spieler. Er hat Übersicht, ist stark im Eins-gegen-Eins und hat ein gutes Wurfrepertoire. Das Einzige, was ihm fehlt, sind ein paar Zentimeter. Aber die kann er durch Schnelligkeit wettmachen. Und als Linkshänder auf der Mitte hat er Möglichkeiten, eine Abwehr vor ungewohnte Aufgaben zu stellen. Daher denke ich, dass die Spielmacherposition für ihn perfekt wäre.

Nils Lichtlein: In meiner Größe liegt auch ein gewisser Vorteil, da oft Zwei-Meter-Männer in der Abwehr stehen. Da ist es für mich deutlich einfacher, auch mal unten vorbeizuwerfen oder mich unten durchzuducken.

Welche Zukunft prophezeien Sie Ihrem Neffen?

Carsten Lichtlein: Er hat das Talent, ein Großer zu werden - sofern er von Verletzungen verschont bleibt und viel Spielpraxis sammeln kann. Gelingt ihm das, halte ich das Ziel Nationalmannschaft für realistisch, denn sooo viele gute Mittelmänner haben wir nicht.

Und welche Zukunftspläne haben Sie selbst nach der aktiven Karriere?

Carsten Lichtlein: Ich muss selbst erst mal schauen. Erst mal baue ich in Würzburg ein Haus und komme in meine Heimat zurück. Dann sehen wir weiter. Ich würde dem Sport gerne erhalten bleiben.

Vorher steht das erste familiäre Bundesliga-Duell der Lichtleins noch aus. Am 23. September kommen die Füchse nach Minden...

Nils Lichtlein: Das wäre schon noch was Besonderes, wenn wir gegeneinander spielen würden. Wir wollen natürlich beide gewinnen.

Carsten Lichtlein: Dem hat das Onkelchen nichts hinzuzufügen (lacht).

 
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