Es ist müßig, selbstverständlich, sich gröbere Gedanken darüber zu machen, ob es am Ende womöglich anders ausgegangen wäre, hätten ein paar mehr als die Handvoll Menschen das am Sonntagnachmittag vor Ort verfolgen dürfen. Eigentlich ist es auch überflüssig, darüber zu spekulieren - aber erlauben dürfte man es den Basketballern von s.Oliver Würzburg nichtsdestotrotz. Weil in dieser Sportart schon so manche Überraschung geschehen ist, ausschließlich aufgrund der Anfeuerung des Anhangs, die bei den Ballindenkorbwerfern vor allem in einer kleinen Halle tatsächlich eine wichtigere Rolle spielen kann als etwa bei den Balltretern in großen Stadien. Durch frenetisch lärmende Fans ist schon manchem Gegner am Ende, wenn es richtig eng zuging, das Herz in die Hose gerutscht - und die Unterstützten haben mehr Selbstvertrauen bekommen und sind über sich hinausgewachsen. Früher halt mal, vor Corona, als Menschen noch bezahlen durften, um Sport vor Ort zu sehen.
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So aber flatterten an diesem Sonntag dann eben den Hausherren in den letzten zwei Minuten ein bisschen die Nerven, und sie bekamen zittrige Hände, während die Gäste aus Crailsheim abgeklärt ihre Chancen nutzten und die Partie nach Hause schaukelten. Nachdem Geburtstagskind Justin Sears, der am Sonntag 27 wurde, zum 79:79 dunkend den 15:2-Lauf vollendet hatte und die Baskets dann abermals so intensiv verteidigten, dass die Zauberer keinen Weg fanden, innerhalb von 24 Sekunden mal auf den Würzburger Korb zu werfen, weshalb die Gastgeber den Ball bekamen, lagen 94 Sekunden vor Schluss alle Vorteile auf Seiten der Würzburger. Zumal sie aus dem Selbstvertrauen schöpfen konnten, in den gut vier Minuten zuvor einen 15-Punkte-Rückstand (62:77) wettgemacht zu haben. Dann aber geschah etwas, das laut Baskets-Trainer Denis Wucherer das "spiegelt, womit wir in dieser Saison immer wieder zu kämpfen haben: Unerfahrenheit und mangelnde Abgezocktheit".
Erst warf Brekkott Chapman, der ein gutes Spiel machte und nach seinen zwei monatelangen Verletzungspausen offenbar so langsam wieder in die den Baskets Hoffnung machende Spur findet, die er kurz nach seiner Verpflichtung und nach überstandener erster Pause angedeutet hatte, aus der Ferne an den Ring. Was der bisher überragende Akteur dieser Saison, Trae Bell-Haynes, im Gegenzug zum 81:79 für die Crailsheimer nutzte. Im nächsten Angriff der Würzburger verlor Chapman dann das Spielgerät, und sein Kollege Tyson Ward fühlte sich bemüßigt, per unsportlichem Foul den Fastbreak der Merlins zu unterbrechen, was erst Haywood Highsmith von der Linie und dann Fabian Bleck den Crailsheimer Ballbesitz mit einem im zweiten Anlauf irgendwie hineingewürgten Korbleger zur Entscheidung der Partie nutzten. Chapman und Highsmith sorgten in den verbleibenden 29 Sekunden dann jeweils von der Freiwurflinie aus lediglich noch für den 80:86 (39:43)-Endstand, der den siebten Crailsheimer Erfolg in Serie (und deren ersten Bundesligasieg gegen die Baskets überhaupt) sowie die fünfte Niederlage der Würzburger im fünften Heimspiel besiegelte.
"Wir haben gezeigt, dass wir gegen ein Topteam der Bundesliga gut mithalten können", meinte Baskets-Aufbauspieler Cameron Hunt. Der 23-jährige Texaner, der vergangene Runde noch in der drittklassigen ProB mit dem inzwischen abgemeldeten Farmteam der Baskets unterwegs war, überzeugte mit 21 Punkten abermals als treffsicherster Würzburger und bewies einmal mehr, dass er von allen von Wucherers Mannen bisher den größten Schritt gemacht hat. "Ich habe gelernt, positiv zu denken", meinte Hunt, "wenn du positiv denkst, kommen auch wieder bessere Ergebnisse."
Tja, das Ergebnis. Das war tatsächlich das Einzige, worüber die Baskets sich wirklich grämen konnten nach einer couragierten und auch spielerisch durchaus ansprechenden Vorstellung. Dumm halt, dass auch Basketball ein Ergebnissport ist. Selbst Wucherer war über weite Strecken angetan vom Auftritt seiner Mannen und nahm sogar ein Wort in den Mund, das er üblicherweise arg scheut: "Stolz" war er auf die Leistung "der Jungs. Wir hatten heute wirklich genügend Chancen, den Bock umzuschmeißen. Wir haben Herz gezeigt, und wir haben über weite Strecken sehr viel richtig gut gemacht".
Und der 47-Jährige hat ja auch Recht, wenn er sagt, dass man beim Blick auf die Statistiken in der unteren Hälfte des Spielberichtbogens (Rebounds, Assists, Dreier, Freiwürfe) leicht den Eindruck bekommen könnte, die Baskets hätten die Begegnung gewonnen. Haben sie aber nicht. In der oberen Hälfte des Bogens fielen vor allem die gänzlich verwaisten Spalten hinter dem Namen Tayler Persons auf, der keine Sekunde auf dem Parkett stand, aber eifrig hinter der Bande die Kollegen anfeuerte. Offizielle Lesart: Der 25-jährige Amerikaner hat sich am letzten Sonntag des Jahres 2020 bei der 72:87-Niederlage in Ludwigsburg den Fuß vertreten und konnte laut Wucherer erst am Donnerstag wieder ins Training einsteigen.
Nach allem, was man so hört, scheint das allerdings allenfalls die halbe Wahrheit zu sein. Unabhängig davon, dass ein im Saft stehender Profibasketballer sicherlich auch einmal drei Tage ohne Training verschmerzen und dann dennoch zumindest ein paar Minuten spielen können sollte - offenbar steht Persons, der mit seiner Frau im März das erste gemeinsame Kind erwartet, vor dem Absprung beziehungsweise der Aufhebung seines Vertrags. Ganz bestimmt haben die Baskets sich auch mehr von ihm erwartet, und dass der Klub intensiv Ausschau hält nach einem neuen Aufbauspieler, ist zum einen lange schon kein Geheimnis mehr. Zum anderen war die Notwendigkeit, einen erfahrenen Spielmacher anzuheuern, bereits in mehreren Partien sehr augenscheinlich. Nicht nur in den letzten Sekunden gegen die Zauberer, gegen die den Baskets womöglich nicht nur der Anhang fehlte, sondern vor allem ein klassischer Point Guard, der im richtigen Moment die richtigen Entscheidungen trifft und im Zweifelsfall auch selbst die Verantwortung übernimmt.
Übrigens: Cameron Wells musste in Frankreich noch mal den Klub wechseln, er soll nur noch ein paar Wochen Vertrag haben - und alles andere als glücklich sein.