"Ganz zufrieden" könne er mit der Vorbereitung auf die Restsaison in der Fußball-Regionalliga nicht sein, sagt Marco Wildersinn. Wenn der Cheftrainer mit den Würzburger Kickers an diesem Freitagabend (18.30 Uhr) am Dallenberg auf Türkgücü München trifft, kann er "darüber hinwegsehen, dass da nicht alles perfekt war". Beim Gespräch nach einer Traininingseinheit in Randersacker spricht der 42-jährige Wildersinn, der im Sommer den Posten beim Drittliga-Absteiger übernommen hatte, über seine Arbeit und seine Ziele mit den Kickers.
Gegen Türkgücü München endet nach exakt 90 Tagen ohne Pflichtspiel für die Würzburger Kickers die Winterpause. Kribbelt es bei Ihnen schon?
Wildersinn: Ja. Denn die Pause war schon recht lange. Es war aber für mich als Trainer und auch für die Spieler wichtig, einmal komplett runterfahren zu können. Sich auch einmal mit anderen Dingen zu beschäftigen. Als Trainer gefällt mir eine lange Vorbereitung, weil man die Uhr für viele Spieler auf Null drehen kann. Jeder hat wieder eine neue Chance. Aber sechs Wochen sind dann auch wirklich genug. Es wird jetzt Zeit, dass es los geht.
Was bleibt bei Ihnen aus dem ersten halben Jahr als Kickers-Trainer hängen? Was hat Sie beeindruckt?
Wildersinn: Ganz ehrlich: die Mannschaft! Dass die Jungs so schnell zusammenwachsen und so viele Spiele, zum Teil auch unter schwierigen Umständen, gewinnen, hat mich beeindruckt. Ich habe noch immer das 2:1 in Pipinsried im Gedächtnis, als wir echt kein gutes Spiel gemacht haben und am Schluss in der Nachspielzeit das Siegtor erzielt haben. Es war nicht immer mit Glanz und Gloria. Aber insgesamt waren es einfach sehr viele gute Momente, die ich mit dieser Mannschaft erlebt habe. Dass es so kommt, damit musste man im Sommer nicht unbedingt rechnen.
Da war die Stimmung rund um die Kickers nach zwei Abstiegen in Serie im Keller.
Wildersinn: Ja und dass wir diese Stimmung ins Positive drehen konnten, war eine Leistung. Während der Vorbereitung war die Atmosphäre noch verhalten, nach zwei sieglosen Spielen zu Saisonbeginn war große Skepsis da. Dass wir durch die Leistungen auf dem Platz, es geschafft haben, die Fans und das Umfeld wieder optimistisch zu stimmen, ist sehr wichtig. Das hat aber natürlich auch zur Folge, dass sich die Erwartungshaltung an uns nun geändert hat. Der Maßstab liegt mittlerweile sehr hoch. Jetzt ist es an uns, mit dieser neuen Situation umzugehen.
Erwarten Sie jetzt auch mehr von der Mannschaft?
Wildersinn: Eigentlich nicht. Mein Anspruch war es von Anfang an, Spiele zu gewinnen. Und das nicht durch Zufall, sondern mit einer Idee, die man erkennen kann. Das ist uns ganz gut gelungen. Jetzt geht es darum, unsere Idee noch zu verfeinern, vielleicht auch ein bisschen zu verändern.
Sie stehen als Cheftrainer anders im Mittelpunkt als einst in Hoffenheim, wo sie für die zweite Mannschaft verantwortlich waren. Als die Fans nach Siegen ihren Namen gerufen haben, schien es, als ob sie sich erst daran gewöhnen müssten?
Wildersinn: Das war für mich tatsächlich etwas Neues. Aber natürlich genieße ich es auch, wenn die Arbeit honoriert wird. Das spornt an. Ich brauche mich nicht jede Woche vor den Fanblock stellen und feiern zu lassen. Aber Lob ist natürlich etwas Motivierendes und die Fans können gerne jeden einzelnen von uns jede Woche feiern. Daran gewöhne ich mich gerne.
Wenn Sie vorhin von einer Spielidee sprachen. Haben Sie als Trainer ein Vorbild? Einen Spielstil, dem Sie nacheifern?
Wildersinn: Nein. Es gibt viele gute Trainer. Ich sehe oft Dinge, die ich spannend finde, muss mir aber immer überlegen: Ist das mit den Spielern, die ich habe, umsetzbar. Manchmal spricht man auch mit einem Spieler und merkt: Der will das nicht, das passt einfach nicht. Deshalb eifere ich niemandem nach, sondern bediene mich aus all dem, was der Fußball zu bieten hat.
Wie würden Sie den Kickers-Stil in dieser Saison beschreiben?
Wildersinn: Wir wollen immer dominant sein und die Kontrolle haben. Wir wollen den Ball haben und wenn der Gegner ihn mal hat sehr schnell zurückholen. Dominanz und Spielkontrolle sind die Schlagworte.
Inzwischen nimmt man bei den Kickers Worte wie Meisterschaft und Aufstieg in den Mund. Das war zu Saisonbeginn noch anders. Wann wären Sie am Ende zufrieden?
Wildersinn: Wenn wir ab jetzt genauso konstant erfolgreich auftreten wie vor der Winterpause. Wenn wir das noch einmal genauso gut hinbekommen, aber am Ende ein, zwei oder drei Punkte hinter dem Ersten stehen, muss man trotzdem sagen: Es war eine gute Saison. Die Erwartungshaltung hat sich aber nicht nur im Umfeld sondern auch bei den einzelnen Spielern seit Saisonbeginn verändert. Die Schwierigkeit ist, sich davon nicht beeindrucken zu lassen.
Wenn das klappt, werden die Kickers am Ende Meister?
Wildersinn: Das liegt auch am momentanen Tabellenführer. Ob die Unterhachinger wieder so konstant punkten? Es ist ihnen zuzutrauen. Das ist eine sehr erfahrene Mannschaft, die auch bewiesen hat, dass sie auch Ausfälle gut wegstecken kann. Wenn sie das schafft, weiter so durchzuziehen, wird es natürlich umso schwieriger noch vorbeizukommen.
Sie würden den Erfolg dieser Saison also nicht daran, messen, ob sie am Ende ganz oben stehen?
Wildersinn: Natürlich streben wir nach dem Maximum - und das ist Platz eins. Aber man muss die Konstellation sehen. Wenn wir am Ende um die 95 Punkte holen, kaum etwas liegen lassen und nur ein anderer noch ein bisschen besser war – was sollten wir uns dann vorwerfen? Aber wer im Winter Zweiter ist, der will natürlich am Ende Erster sein. Das ist ganz klar!
Welche Rolle spielen die Schlagzeilen über finanzielle Probleme beim Kontrahenten in Unterhaching und auch bei den Kickers selbst, die vor dem Jahreswechsel kurz vor der Insolvenz standen?
Wildersinn: Diese Dinge nehme ich wahr. Ich sehe die Überschriften. Aber für mich ist das nicht relevant. Ich habe auch der Mannschaft gesagt: Wir dürfen uns von diesen Dingen nicht ablenken lassen. Wir müssen uns auf das fokussieren, was auf dem Platz passiert. Das ist das, was wir beeinflussen können.
Klappt das tatsächlich? Ist beispielsweise der Wechsel des Anteilseigners in der Mannschaft kein großes Thema?
Wildersinn: Natürlich haben solche Sachen einen Einfluss. Aber die Spieler sind auch noch mit ganz anderen Dingen konfrontiert: auslaufende Verträge, Anfragen von anderen Klubs – da kann es 1000 Sachen geben. Auch wenn zum Beispiel die Freundin Schluss macht. Den ganzen Tag prasseln Dinge auf uns ein, am Ende muss man sich aber wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Das bekommt niemand zu 100 Prozent hin. Das ist im Fußball nicht anders als in jedem anderen Beruf. Aber bisher haben wir das ganz gut gemacht.
Selbst Platz eins bringt ihnen am Ende dieser Saison nicht den Aufstieg. Wie ungerecht finden Sie die Aufstiegsregelung?
Wildersinn: Grundsätzlich macht diese Regelung den Aufstieg viel, viel schwerer. Aber wir kennen den Modus ja schon vom Start weg. Wir sind sehr ehrgeizig und wir werden probieren, den Aufstieg trotzdem zu schaffen.
Mit Domenico Alberico und André Leipold haben die Kickers zwei weitere Feldspieler verpflichtet. Verbessern sie die Chancen im Meisterschaftskampf?
Wildersinn: Auf jeden Fall bringen beide Fähigkeiten mit, die wir so in unserem Kader bislang noch nicht hatten. Dadurch werden wir ein Stück weit unberechenbarer. Sie ergänzen das Kaderpuzzle ziemlich gut. Ich freue mich, dass die Verantwortlichen den Kader gezielt und sinnvoll erweitert haben. So haben wir auch die nötige Breite, um auf Verletzungen zu reagieren.
Nicht nur der bisherige Stammkeeper Marc Richter ist derzeit verletzt, auch sein Vertreter Vincent Friedsam fällt lange aus. Könnte das zu einem entscheidenden Problem werden?
Wildersinn: Natürlich ist das bitter für unsere beiden Keeper. Ein guter Torwart ist wichtig, um Erfolg zu haben. Es wird auch für die Feldspieler eine Umstellung sein, wenn jetzt gegen Türkgücü München Eric Verstappen im Tor stehen wird – keine Frage. Nun hat er eine Bewährungschance. Ich habe volles Vertrauen.
Viele Vereine in der 2. und 3. Liga waren zuletzt oder sind noch auf Trainersuche. Nach der erfolgreichen Hinrunde mit den Kickers – gab es bei Ihnen auch einmal eine Anfrage eines anderen Klubs?
Wildersinn: Eine offizielle Anfrage gab es nicht. Ich beschäftige mich tatsächlich auch nicht mit solchen Dingen. Wir haben hier im Sommer ein Projekt gestartet, stecken da jetzt mittendrin und ich habe richtig Bock darauf, daran weiterzuarbeiten.
Sie sehen ihre Aufgabe bei den Kickers als langfristiges Projekt?
Wildersinn: Ich war zuletzt sieben Jahre bei der zweiten Mannschaft in Hoffenheim tätig. Daran sieht man ja: Wenn ich mich wohl fühle, gute Bedingungen habe und die Aufgabe attraktiv ist, kann ich mir vorstellen, lange zu bleiben. Das ist in Würzburg derzeit alles gegeben. Aber ich weiß auch, wie schnell sich im Fußball die Dinge ändern. Auch bei den Würzburger Kickers ist derzeit vieles in Bewegung. Man kann keine Garantien ausstellen. Momentan fühle ich mich sehr wohl.
Zum Glück hat man mit Marko Wildersinn wieder einen Glücksgriff getätigt. Es gab ja zwischendurch auch einige Nieten auf dem Trainerposten, insbesondere Antwerpen und auch Ziegner.