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Würzburg Baskets
Aus Samen sollen Bäume und dann ein Wald werden: Sasa Filipovskis Metapher für das neue Team der Würzburg Baskets
Aktuell beherrscht den Basketball-Bundesligisten vor allem ein Thema, das für den Trainer alle Träumereien beenden könnte. Im Interview verrät der Slowene, was ihn bewegt.
Zwei Fäuste nach oben: Bei Baskets-Trainer Sasa Filipovski ist das in dem Fall keine Jubel-Geste, sondern ein taktischer Hinweis an sein Team.
Foto: Julien Becker | Zwei Fäuste nach oben: Bei Baskets-Trainer Sasa Filipovski ist das in dem Fall keine Jubel-Geste, sondern ein taktischer Hinweis an sein Team.
Tim Eisenberger
 |  aktualisiert: 03.10.2024 02:45 Uhr

Am vergangenen Dienstag, als das Interview anstand, zeigte sich Sasa Filipovski, der beliebte Trainer der FIT/One Würzburg Baskets, ausnahmsweise nicht mit bester Laune. Vielleicht lag es daran, dass er mit dem Training unzufrieden war, oder es waren die Medienanfragen, die kurz vor Saisonbeginn verstärkt auf ihn einprasselten. Zu allem Überfluss musste er dann auch noch seinen Schreibtisch im Großraumbüro des Würzburger Trainingszentrums, auf dem akribisch sortierte Nüsse und Obst in Tupperdosen aufgereiht liegen, verlassen und in den benachbarten Konferenzraum wechseln – nur weil der anwesende Redakteur eine intimere Gesprächsatmosphäre wünschte.

Filipovski war genervt, doch sobald der Slowene über Basketball reden durfte oder darüber, was er in Zukunft mit den Würzburg Baskets alles vorhat, verbesserte sich seine Laune. Der 50-Jährige fand einmal mehr unterhaltsame Vergleiche für seine Mannschaft und teilte interessante Ansichten über den Bundesligisten mit. 

Frage: Herr Filipovski, haben Sie sich gut erholt im Sommer?

Sasa Filipovski: Ja, auf jeden Fall. Auch wenn die Saison durch unsere Teilnahme am Halbfinale etwas länger gedauert hat, konnte ich dennoch Zeit mit meiner Familie verbringen. Natürlich haben wir Trainer nie wirklich frei, denn wir sind ständig damit beschäftigt, Spieler zu scouten, die Saison zu analysieren oder bereits die Vorbereitungen für die nächste Saison zu planen. Im Sommer habe ich vor allem viel mit Spielerberatern gesprochen, da wir ein neues Team aufbauen mussten.

Sie haben die Vorbereitung angesprochen. An welchen Inhalten haben Sie mit Ihrem Team gearbeitet?

Filipovski: Die neuen Spieler müssen sich mit meiner Philosophie vertraut machen. Es geht vor allem darum, Gewohnheiten zu verändern. Details wie die Position der Hände in der Verteidigung oder die Wahl der Passfinten in der Offensive sind dabei entscheidend. In diesem Jahr haben wir methodischer gearbeitet und weniger Wert auf sofortige Ergebnisse gelegt. Das wird man sicherlich zu Beginn der Saison spüren, aber ich hoffe, dass sich dieser Ansatz langfristig auszahlen wird.

Heißt das, die Fans brauchen dieses Jahr etwas mehr Geduld?

Filipovski: Die Fans müssen zunächst eine Verbindung zu den neuen Spielern aufbauen, da sie noch nicht wissen, was sie erwarten können. Letztes Jahr sind wir trotz eines der niedrigsten Spieleretats der Liga überraschend auf den vierten Platz gekommen – ein Wunder, das sich nicht so leicht wiederholen lässt. Nun steht uns ein Neustart bevor, und ich bin überzeugt, dass die Fans uns dabei unterstützen werden, weil sie das nachvollziehen können.

Das hat in den letzten Jahren funktioniert, deshalb glauben alle, dass Sie das immer wieder wiederholen können.

Filipovski: Das ist nicht richtig. Ich bin mir nicht sicher, ob die Spieler mit diesem Druck umgehen können. Was wir wirklich brauchen, ist Ruhe und Zeit, um konzentriert arbeiten zu können – keinen zusätzlichen Druck.

Sie bremsen schon seit Wochen merklich die Euphorie. Wollen Sie Ihr Team vor dem zusätzlichen Druck schützen?

Filipovski: Neulich hat ein Journalist behauptet, wir seien jetzt ein Champions-League-Team. Das sehe ich anders. Die letztjährige Mannschaft war tatsächlich ein solches Team, doch wir haben den MVP und den besten Verteidiger der Liga verloren. Man kann sich vielleicht Champions-League-Team nennen, wenn man dort drei Jahre in Folge gespielt hat. Ein Blick auf unser aktuelles Team zeigt das deutlich: Unser Aufbauspieler ist letzte Saison abgestiegen, unser Starter auf der Position zwei hat in der vergangenen Saison in der zweiten Liga in der Türkei gespielt, und Hannes Steinbach ist erst 18 Jahre alt. Abgesehen von Lukas Wank hat noch kein Spieler in der Champions League gespielt.

Sind Sie zufrieden mit dem Verlauf der Vorbereitung?

Filipovski: Es ist nie genug Zeit. In dieser Vorbereitung hatten wir etwas mehr Spielraum, da wir nicht im Pokal antreten mussten und am ersten Spieltag spielfrei waren. Leider kamen unsere Aufbauspieler verspätet zum Team, sodass sie gerade erst mit der Vorbereitung beginnen. Als sie eintrafen, mussten wir einige Schritte zurückgehen und einige Systeme überarbeiten – wir haben praktisch von vorne angefangen. Natürlich wäre es ideal gewesen, am ersten Tag 14 Spieler zur Verfügung zu haben, aber das Leben ist nicht perfekt. Man muss flexibel sein und sich anpassen können.

Letztes Jahr gaben Sie den Klassenerhalt als offizielles Saisonziel aus. Trauen Sie sich dieses Jahr etwas mutiger zu sein?

Filipovski: Mein Traum ist es, die Qualifikation für die zweite europäische Runde zu schaffen. Doch in einer Vierergruppe mit nur sechs Spielen kann selbst ein einziger schlechter Tag und eine knappe Korbdifferenz das Aus bedeuten. In der Liga möchte ich um die Play-in-Plätze kämpfen. Die Teams, die letztes Jahr hinter uns lagen – wie Bonn, Ludwigsburg, Bamberg, Braunschweig oder Oldenburg –sind dieses Jahr deutlich stärker und haben große Ambitionen. Es ist wichtig, realistisch zu bleiben und keine überzogenen Versprechen zu machen. 

Nicht besonders übermütig. Ich nehme an, Sie haben in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit zu großen Ambitionen gemacht?

Filipovski: Ich kann Ihnen von einem polnischen Klub berichten, bei dem ich tätig war: Turow Zgorzelec. Als ich kam, stand das Team auf dem siebten Platz, aber wir haben es geschafft, bis ins Meisterschaftsfinale zu kommen. Doch danach wurde der Klub übermütig, hat sich finanziell übernommen und versäumt, sich weiterzuentwickeln. Heute gibt es den Verein im Profibereich nicht mehr. Ein weiteres Beispiel aus Polen ist Zielona Gora: Sie spielten einst in der Euroleague, standen aber dieses Jahr kurz vor dem Abstieg. Das zeigt, wie wichtig es ist, den Verein langfristig zu stabilisieren. Wenn wir uns jetzt zu sehr unter Erfolgsdruck setzen, könnte uns das Gleiche passieren. Deshalb möchte ich realistisch bleiben und die Bodenhaftung bewahren.

Ihr aktueller Verein hat es im Sommer geschafft, den Etat merklich zu erhöhen. Ist er damit nicht stabil?

Filipovski: Die erfolgreichsten Klubs in Europa wie Real Madrid, Barcelona oder ZSKA Moskau haben riesige Budgets fürs Team, aber sie machen jedes Jahr Minus. Sie bekommen Unterstützung vom Staat, wir nicht. Wir müssen innovativ sein, um neue Wege zu finden, Geld zu verdienen. Basketball muss ein Geschäftsmodell werden. Die NBA macht es vor. Dort gehören die Vereine Geschäftsleuten und niemand macht Verlust. Die San Antonio Spurs waren in den letzten Jahren nicht besonders erfolgreich, aber die Halle ist ausverkauft. Sie verkaufen ihr Produkt sehr gut. Aber es ist schwer, weil es kann sein, dass wir 2028 ohne Halle nicht mehr BBL spielen können.

Nicht nur ihre Gesellschafter, sondern auch Sie beschäftigt also das Thema Multifunktionsarena?

Filipovski: Wir brauchen die Halle, ohne sie ist Basketball in Würzburg tot. Ich freue mich, dass sich etwas bewegt, aber es wird Zeit, dass 'aus dem Wort Fleisch ward', wie es in der Bibel über Jesus gesagt wurde, als die Ankündigung vom Messias endlich Gestalt annahm.

Sie haben also noch große Ziele und Träume mit dem Verein.

Filipovski: Natürlich, wir haben noch viele Dinge zu tun. Wenn die Halle mal da ist, brauchen wir Wohnungen, die näher am Trainingszentrum sind. In Zukunft brauchen die Spieler eine Mensa oder ein gutes Restaurant, in dem sie gut essen. Pizza und Burger sind nicht gut für sie. Der erfolgreiche Tennisprofi Novak Djokovic würde uns auslachen. Ich kontrolliere meine Spieler nicht, aber ich versuche Ihnen klarzumachen, was gut für sie ist und was nicht.

Mittlerweile sind Sie bekannt für Ihre sehr bildlichen Vergleiche. Welche Metapher haben Sie für das diesjährige Team?

Filipovski: Dieses Team ist ein Haufen Samen. Wir haben sie eingepflanzt und wässern sie. Wir kümmern uns um sie und sie arbeiten auch selbst hart. Sie wachsen und ich hoffe, sie werden zu starken Bäumen und dann als Gruppe ein guter Wald. Es ist wichtig, dass sie zusammenpassen und sich aneinander gewöhnen. Noch suchen sie sich. Dabei geht es häufig um die Abstimmung im Team. Die Aufbauspieler wissen beispielsweise noch nicht, wo die großen Spieler den Ball hingepasst haben wollen. Das dauert, aber am Ende sollen sie gemeinsam flächendeckend Schatten spenden.

 
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