Zuletzt war's Trainer Tobias Strobl, teils gewollt, zu wenig Spielkultur. Da sagte er seinen Spielern vor dem Spiel gegen Viktoria Aschaffenburg einfach mal: "Stellt euch vor, ihr wärt kleine Kinder, die von der Schule heim kommen, den Schulranzen in die Ecke schmeißen und kicken gehen." Weil sie das prima befolgt haben, auch mit einem Löwenherz gekämpft, haben sie auch gewonnen. Und weil Torjäger Adam Jabiri in der 89. Minute aus vier Metern getroffen hat - zum 2:1-(1:1)-Sieg des FC 05 Schweinfurt, der den amtierenden Meister auf Platz drei hievte, nur noch sechs Punkte hinter dem Spitzenduo.
- Zum Nachlesen der Live-Ticker zum Aschaffenburg-Spiel
"Wir hatten die letzten beiden Wochen gemerkt, wie der Druck steigt" - Strobl setzte darum bewusst den Impuls zum Straßenfußball. Und seine Mannschaft wirkte wie verwandelt, gegen Aschaffenburger, die eine gute halbe Stunde lang ein Gegner auf Augenhöhe waren, "ein emotionales, laufstarkes Spiel" ermöglicht hatten, wie ihr Trainer Jochen Seitz sagte. "Leidenschaftlich verteidigt" habe seine Mannschaft, dann aber "das ein oder andere Kräftchen verloren" angesichts von drei Partien binnen neun Tagen. Auch freilich, weil der FC 05 mit seiner Mischung aus Angriffsfußball und Mentalität dem Gast die Courage raubte.
Nur für einen Moment durften sich die Schweinfurter ans Illertissen-Spiel erinnert gefühlt haben: Erste Aktion Aschaffenburg, Nicolas Hebisch zieht ab, 05-Keeper Luis Zwick lässt prallen und Roberto Desch trifft - wieder der schnelle Rückstand für Schweinfurt, diesmal nach sieben Minuten. Der große Unterschied jedoch: Diesmal reagierte der FC 05 nicht übermotiviert, sondern konzentriert und zielstrebig. Und wurde mit einer famosen Szene, ermöglichst durch Daniel Adlungs artistischen Einsatz an der Auslinie, belohnt: Mit einer gewitzten Körpertäuschung ließ Amar Cekic einen Aschaffenburger ins Leere laufen und zwirbelte den Ball in den linken Winkel zum 1:1 (37.) - "ein Tor des Monats" (Strobl).
Der so oft heraufbeschworene erste dreckige Sieg
Das war der Türöffner für entschlossenes Schweinfurter Anrennen. Ohne große Torchancen, aber voller Wucht. "Wir haben uns nicht beirren lassen, unser Powerplay durchgezogen", sprudelte aus Cekic selbst nach Schlusspfiff viel dieser Mentalität heraus, die der FC 05 in etlichen Spielen so nicht gezeigt hat. "Ich hatte nie das Gefühl, wir könnten verzweifeln. Ich habe gewusst, heute fällt das Tor noch." Es war letztlich der so oft heraufbeschworene dreckige Sieg - erstmals hat der FC 05 einen Rückstand gedreht. Cekic: "Das fühlt sich besser an als ein 8:0".
Nachdem er nach einer Rechtsflanke noch am fantastisch reagierenden Viktoria-Torwart Max Grün erst gescheitert war, knallte Jabiri den frei werdenden Ball im Nachsetzen unter die Latte - sein 17. Treffer. Zum Ende der Vorrunde auch sein wertvollster. Denn nun ist der Rückstand auf Bayreuth (1:1 gegen Buchbach) und Bayern auf sechs Zähler geschrumpft. "Eine schöne Momentaufnahme", will Cekic das nicht überbewerten. "Die Anderen bleiben uns scheißegal. Wir müssen unser Ding machen. Gelingt uns das, können wir am letzten Spieltag auf Eins stehen."
Tobias Strobl hofft auf nachhaltigen Effekt des Sieges
"Klar könnte ich mich mit der Tabelle befassen und hätte heute bessere Laune als einige andere Male", so Strobl. "Aber das dürfen wir nicht tun, sonst verlieren wir den Fokus." Denn noch muss der FC 05 einiges aufholen und benötigt dafür einmal eine Serie von mehr als nur drei Siegen in Folge. Strobl hofft deshalb auf einen nachhaltigen Effekt aus dem gewonnenen Unterfranken-Derby: "Aschaffenburg schlägt man nicht einfach so. Dieser Erfolg kann definitiv etwas auslösen."
Es war aber längst nicht nur eine Willensfrage. Es passten viele Rädchen ineinander. Yannick Schuster ersetzte den Rot-gesperrten David Grözinger exzellent auf der Linksverteidiger-Position, Nico Rinderknecht eine Halbzeit lang Gelb-Rot-Sünder Lamar Yarbrough, ehe er mit Verdacht auf Gehirnerschütterung raus musste. Auch dieser erneute Ausfall des Innenverteidigers wurde nach der Hereinnahme von Nicolas Pfarr kompensiert. Die "Notlösung", dass der an der Leiste verletzte Meris Skenderovic nicht eins zu eins durch einen weiteren Angreifer ersetzt wurde, sondern Jabiri als Sturm-Solist auflief, ging ebenfalls voll und ganz auf.
Konstanz bleibt in den nächsten Wochen das Zauberwort
Und auch die Gratwanderung durch das rigorose Öffnen bekamen die Schweinfurter "seriöser" (Strobl) hin, als beispielsweise gegen die kleinen Bayern. Die vier Minuten Nachspielzeit überstanden sie gegen vogelwild alles nach vorn schickende Gäste mit der Wachsamkeit und Konsequenz, die ihnen bei den Punktverlusten in Augsburg und Pipinsried noch abging. Dieses Gesamtbild freilich müssen die Schweinfurter konservieren. Vor dem Pokal-Intermezzo gegen die Würzburger Kickers (13. November), helfen auch gegen Buchbach, Unterhaching und Rain nur Siege, um dran zu bleiben - Konstanz bleibt das Zauberwort.