Auch wenn seine Heimat, das Allgäu, für Urlaub und Genuss steht: Christian Gmünder sagt's gerne und oft, dass er ein Kämpfer ist und ein Arbeiter. "Ich musste mich in meinem Leben hocharbeiten. Ich habe nichts in die Wiege gelegt bekommen" - Worte, die sie in einer Arbeiterstadt gerne hören, bei einem Verein, dessen Slogan "wir arbeiten Fußball" lautet. Der neue Trainer des Fußball-Regionalligisten FC 05 Schweinfurt weiß, wie man sich vorstellt. Und um ganz sicherzugehen, schiebt er hinterher: "Ich bin keiner, der sich verpisst, wenn's mal nicht läuft. Ich habe noch nie einen Vertrag aufgelöst."
Der 42-Jährige hat einen A-Schein in der Tasche, will irgendwann auch die Pro-Lizenz anstreben, just jenen Lehrgang also, den gerade sein am 1. April entlassener Vorgänger Tobias Strobl absolviert, "aber nicht jetzt. Jetzt liegt mein Fokus erst einmal auf dem FC 05." Offiziell ab dem 13. Juni, da ist Trainingsauftakt. Über die Vertragslaufzeit haben Verein und Trainer Stillschweigen vereinbart.
Gekommen sind sie in Schweinfurt auf den Noch-A-Jugend-Trainer des SSV Ulm, der mit seiner Mannschaft in der Bundesliga auf dem drittletzten Platz der Staffel Süd/Südwest rangiert und wohl absteigen wird, über Sportleiter Robert Hettich. Die beiden kennen sich seit Jahren aus gemeinsamen Scouting-Tagen. Der Kaderplaner machte dem gelernten Konstruktionstechniker und Automobil-Kaufmann ein Angebot und der sah die Chance, "den nächsten Schritt zu gehen" - mit dem ersten Cheftrainer-Posten bei einer Erwachsenen-Mannschaft, nachdem er bereits Co in Aalen und Heidenheim war.
Ein, zwei Alpha-Tierchen auf Gmünders Wunschzettel
Gmünder ist einer, dem man den Arbeiter abnimmt. Als Spieler in Mannheim, Heidenheim ("dort habe ich Adam Jabiri leider zeitlich verpasst") und Reutlingen sei er durchaus ein kleines "Arschloch" gewesen. Er erwartet in Schweinfurt "nicht nur Frieden, Freude, Eierkuchen". Sondern "offene, ehrlich Kommunikation. Es dürfen auch kräftigere Worte auf dem Platz fallen. Ich brauche keine Ja-Sager." Ein, zwei Spieler, die den Mund aufmachen, den Finger in die Wunde legen, seien nicht schlecht für die Gesamtstimmung im Team. Das sich in Schweinfurt in der jüngeren Vergangenheit gerne mal als zu brav erwiesen hatte. Gut möglich, dass Alpha-Tierchen auf Gmünders Wunschzettel stehen.
Gut möglich aber auch, dass er sie nicht bekommt. Seine künftige Ausrichtung betreffend hält der FC 05 sich noch bedeckt. Die Worte "Meister" und "Aufstieg" meiden sie im Sachs-Stadion nach dem Verpassen aller saisonalen Ziele wie der Teufel das Weihwasser. Von einem Talentschuppen mit überwiegend lokalen und regionalen Talenten sei man jedoch weit entfernt - deuten zumindest Hettich und "der Neue" an.
Engerer Draht zu den Schweinfurter Jugendspielern
Letzterer gilt als Talent-Entwickler, will das jedoch nicht auf Eigengewächse reduziert wissen. "Es geht nicht um Jugendwahn, es geht auch um Qualität." Rückkehrer Julius Landeck, der im Sommer von Großbardorf nach Schweinfurt wechselt, sei ein Idealfall, doch müsse man sich zwangsläufig im Bundesliga-Nachwuchs von Vereinen wie Freiburg oder Hoffenheim umschauen. Ein vereinsinternes Jugendkonzept, stringent von der U13 bis zur ersten Mannschaft aufgebaut, sei im Profifußball - und den soll es in Schweinfurt weiterhin geben - kaum realisierbar ("in Ulm hat das mal der Cheftrainer machen wollen, dann wurde er freigestellt"). Einen "engeren Draht" zu den Schweinfurter Jugendspielern will er trotzdem pflegen: "Und ihnen gegebenenfalls Spielpraxis geben."
Hettich lässt in einem Nebensätzchen die Worte "wir haben die Zielsetzung, die Mannschaft auch zu verstärken", fallen, was dem Trainer den Mund wässrig macht mit Blick auf einen Führungsspieler: "Einen, der die existierenden Säulen Adam Jabiri, Lukas Billick und Kristian Böhnlein unterstützt." Ob Gmünder seine bevorzugte Grundordnung 4-1-4-1 in Schweinfurt umsetzen kann? Von einem fixen System, für das Personal exakt positionsgetreu gecastet werde, rückt er schon mal ab. "Ich sehe Systeme als fließende Prozesse, in denen wichtig ist, wie Spieler ihre Rolle interpretieren." Hauptsache es komme das heraus dabei, was er sehen möchte: "Vollgas-Fußball und Power."
Mentaler Anschauungsunterricht bei Tottenham Hotspur
Selbst ein emotionaler Mensch, erwarte er auch im Team Emotionen: "Nur wer dabei sein will, wird auch dabei sein." Er schaue gerade eine Doku über Tottenham Hotspur ("All or nothing"), zitiert die Szene, in der José Mourinho in der Kabine sagt: "Ihr müsst das Spiel auch gewinnen wollen." Wollen dreimal unterstrichen und mit fünf Ausrufezeichen. "Diese Winner-Mentalität kann man trainieren. Man muss nur die richtigen Spielchen einbauen und die Jungs ein bisschen provozieren."
Nach fünf Wochen Vorbereitung, in denen der FC 05 auf ein Trainingslager verzichtet (Hettich: "Geld muss man nicht unnötig ausgeben") und am 5. Juli eines seiner geplanten sechs Testspiele bei der FT Schweinfurt anlässlich deren 120-jährigen Bestehens absolviert, steht am 16. Juli das erste Punktspiel an. Bis dahin dürfte Gmünder seine neue Wahlheimat besser kennengelernt haben: Er "will so oft wie möglich vor Ort sein" und bezieht ein Zimmer in Schweinfurt. Seine Frau (Lehrerin in Heidenheim) bleibt daheim in der Schwäbischen Alb, er pendelt die 180-Kilometer-Strecke gelegentlich.