Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: In Hin- und Rückspiel unterlag der FC 05 Schweinfurt im direkten Vergleich dem selbst "nur" zweitplatzierten FC Bayern zweimal – bei 4:11 Toren. Elf (!) Gegentore. Deutlicher als vom Münchner Talentschuppen kann ein amtierender Meister und selbsternannter Top-Favorit auf die Titelverteidigung in der Fußball-Regionalliga Bayern nicht offenbart bekommen, dass er sich maßlos selbst überschätzt hat. Die Qualität dieser Schweinfurter Mannschaft reicht offenkundig zu nicht mehr, als sich mit dem FV Illertissen um Platz drei zu streiten.
Vorläufiger Tiefpunkt der desaströsen Entwicklung im Jahr 2022 mit je drei Siegen, Unentschieden und Niederlagen war das 1:5 (0:4) im Grünwalder Stadion am Montagabend. Ein Spiel, das der FC 05 nur deshalb nicht weitaus höher verloren hat, weil die Münchner, die ihrerseits bei einem Spiel weniger zehn Punkte Rückstand auf Primus Bayreuth haben, mehrere Gänge zurückgeschaltet haben.
Schweinfurts Interimstrainer Jan Gernlein, der am Freitag das Amt des entlassenen Tobias Strobl übernommen hatte, blieb das Staunen eines beeindruckten Zusehers: "Die Bayern haben gezeigt, was wirkliche Qualität ist. In kompletter Summe. Da haben elf Mann die gleiche Idee. Wir dagegen brauchen im Kopf zu lange." Meist sah das dann so aus, dass der Münchner schon war, wo der Schweinfurter erst hin wollte. Gabriel Vidovic (9., 31.), Malik Tilman (20.), Hyunju Lee (40.) und Armindo Sieg (83.) hatten die Schweinfurter bei ihren Toren teilweise vorgeführt.
In allen Mannschaftsteilen einen Schritt zu langsam
Steckte gar mehr dahinter? Hat die Mannschaft womöglich mit ihrer laxen Darbietung protestiert gegen die Strobl-Entlassung? Gernlein erkannte den Zusammenhang beider Ereignisse, versuchte ihn jedoch anders einzuordnen: "Man hat den Spielern angemerkt, dass das noch in den Klamotten gesteckt hat. Wir hatten ja alle ein gutes Verhältnis zu Tobi." Wille und Fokus hätten gefehlt. Was erklärt, warum die Nullfünfer in allen Mannschaftsteilen stets einen Schritt zu spät dran waren, Zweikämpfe gegen körperlich unterlegene Jugendliche verloren, offensiv keine nennenswerte Aktion hatten, abgesehen vom Ehrentreffer durch Edin Hyseni fünf Minuten vor Schluss.
Die Lässigkeit, mit der Gernlein das Debakel anschließend aufarbeitete, mag Ausdruck dafür gewesen sein, dass Ergebnisse inzwischen nebensächlich sind. Präsident Markus Wolf und Sportleiter Robert Hettich hatten gefordert, dass Spieler, die bleiben oder bleiben sollen, angesichts der sportlich aussichtslosen Lage, den Vorzug erhalten sollten vor fixen Abgängen. In München erfüllte Gernlein das weitgehend. Sieht er sich deswegen als Erfüllungsgehilfen? "Wir schauen, dass wir Kompromisse finden zwischen diesen Forderungen und meinen Überlegungen als Trainer. Beide haben das nötige Vertrauen in mich", sagt Gernlein mit Blick auf Präsident und Sportleiter.
Telefonkonferenz der Entscheidungsträger am Wochenende
Am Samstag hatten sich Wolf, Hettich, Gernlein und Torwart-Trainer Norbert Kleider zu einer Telefonkonferenz zusammen geschaltet. "Ich habe meine Bitte formuliert, dass offen über die Ziele des Vereins geredet wird. Ich weiß aber auch, dass ich gegenüber meinem Arbeitgeber die bestmögliche Entwicklung der Mannschaft für die nächste Saison erfüllen muss." Warum auch sollte Gernlein seine Vorstellungen allzu forsch vertreten? Zum Saisonende verlässt auch er den Verein.
Bleibt die Frage, wie sich der FC 05 in den verbleibenden acht Spielen verkaufen wird. Gelingt am Samstag (Sachs-Stadion, 14 Uhr) gegen den FC Pipinsried eine Trotzreaktion und gleichzeitig eine Revanche für das in seinem Zustandekommen peinliche 2:2 aus der Hinrunde? Oder rutscht die Mannschaft ohne erkennbare Homogenität in eine Abwärtsspirale der Selbstaufgabe? Letzteres wäre für die perspektivische Entwicklung des Kaders verheerend.
Verteidiger und Eigengewächs Nicolas Pfarr bleibt
Immerhin eine positive Meldung gab's am Montag: Verteidiger Nicolas Pfarr bleibt den Schweinfurtern eine weitere Saison treu. Der Vertrag des 22-Jährigen verlängerte sich durch seinen 20. Saisoneinsatz per Klausel. „Ich fühle mich hier zu Hause", kommentierte das 05-Eigengewächs sein Bleiben. Junge Spieler mit Wurzeln in der Region – darauf scheint die Strategie der Schweinfurter nach den bisherigen Verpflichtungen Severo Sturm (TSV Abtswind) und Julius Landeck (TSV Großbardorf) hinauszulaufen.