SV Stammheim? Nein, nicht das Dorf bei Schweinfurt. SV Stammham? Ja, das Dorf bei Ingolstadt. Dort hat der kleine Benjamin Hadzic Tore geschossen. Viele, weil er so kräftig war. Dann hat er die besten süddeutschen Nachwuchsleistungszentren in Nürnberg, München und Stuttgart besucht, mal für einen österreichischen Erstligisten gespielt und ist im September beim FC 05 Schweinfurt, der den Stürmer wegen der immensen Verletzungsmisere nachverpflichtet hatte, gelandet. Am Samstag (14 Uhr, Sachs-Stadion) steht er zum achten Mal in der Fußball-Regionalliga Bayern auf dem Platz – Gegner ist im "kleinen" Unterfranken-Derby Viktoria Aschaffenburg.
Hadzic fällt auf mit seinen blondierten Haaren im Eminem-Look. "Ich bin zu 0,0 Prozent introvertiert und zu 100 Prozent extrovertiert. Ich bin ein lebensfroher Mensch und das zeige ich auch." Dabei nimmt er in Kauf, dass optisch auffallende Spieler von den Fans bisweilen kritischer beäugt werden: "Kein Problem, ich weiß, was ich hier machen muss: Tore schießen. Ich muss liefern." Zwei Treffer in der Liga, zwei im Pokal-Wettbewerb stehen auf seinem Konto. Er weiß um den langen Schatten des 15 Jahre älteren Adam Jabiri, der es in der bisherigen Saison auf 13 Liga-Treffer bringt: "Kein Problem, ich bin Teamplayer. Nur, wenn die Mannschaft glänzt, kann auch der Individualist glänzen."
Gelegentliche Tipps vom routinierten Torjäger Adam Jabiri
Jabiri habe ihn hie und da mal beiseite genommen, ihm Tipps gegeben ("nicht immer nur Spann schießen, auch mal ablegen"). Hadzic akzeptiere die zentrale Rolle des Oldies, "ich mache dann die Dinge außenherum" – ob auf den Flügeln oder als hängende Spitze. Zuletzt freilich harmonierten beide Angreifer als klassische Doppelspitze. "Ich bin ein Instinktspieler, ich mache, was mein Bauch gerade sagt", sagt Hadzic über Hadzic, meint damit auch, dass er gerne mal aus vorgegebenen Schemata ausbricht. "Meine Stärken sind Durchschlagskraft, Technik und Tempo."
Sein Trainer Christian Gmünder sieht Selbstbewusstsein und Individualität gerne: "Defensiv brauchen wir Stabilität, da habe ich Regeln. Offensiv darf ein Spieler ausbüxen und für Überraschungen sorgen." Vor allem dann, wenn "er so eine kleine Dreckigkeit mitbringt. Er hat seine Leistungsgrenze noch nicht erreicht, aber wir werden noch viel Freude an ihm haben."
Auf seinen Instinkt vertraut Hadzic auch abseits des Platzes. "Ich habe viele Menschen in meinem Leben kennengelernt. Da entwickelt man ein Gefühl dafür, wie der Andere wirklich ist." Mist habe er nie wirklich gebaut, enttäuscht worden sei er allerdings einige Male. "Manchmal vertraut man selbst Freunden zu viel und fällt dann auf die Schnauze." Seine Mentalität als Fußballer habe davon eher profitiert: "Ich stehe immer auf, mache immer weiter."
Nach dem Erstliga-Aufstieg mit Klagenfurt nicht mehr berücksichtig
So verkraftete er auch die Karriere-Auf- und -Abs der vergangenen vier Jahre. Aus der FC-Bayern-Jugend gekommen war Hadzic Stammspieler in der U 23 von Hannover 96, durfte 2018/19 auch drei Mal in der Bundesliga-Elf ran. Dann Wechsel nach Österreich zu Austria Klagenfurt, dort am Bundesliga-Aufstieg beteiligt, zwischenzeitlich mit einem Marktwert von 200.000 Euro taxiert, jedoch in der Eliteklasse von Trainer-Legende Peter Pacult nicht mehr berücksichtigt und zuletzt vereinslos.
Eine Enttäuschung für einen, der die Junioren-Nationalmannschaften Bosnien-Herzegowinas bis zur U 21 durchlaufen hat – und bei der U-17-EM in Aserbeidschan, obwohl in Dinslaken geboren, "mächtig stolz war, mein Land zu repräsentieren". Immerhin spielten da bei den Vorrunden-Gegnern Deutschland und Österreich heutige Stars wie Kai Havertz (FC Chelsea) und Christoph Baumgartner (TSG Hoffenheim).
Auch am freien Sonntag gibt es nur Fußball – und Familie
"Für einen Bosnier, einen Nicht-EU-Spieler wie mich, ist es schwerer, sich in Deutschland durchzusetzen", ringt Hadzic nach einer Erklärung dafür, dass seine Laufbahn einen anderen Weg genommen hat. Obwohl der Ehrgeiz riesig ist: "Seit ich klein bin, wollte ich Fußball-Profi werden. Ich bin entschlossen und weiß, was ich kann", schließt er einen Plan B rigoros aus. "Das ist der berufliche Weg, den ich eingeschlagen habe. Im Fußball hast du nur eine Chance im Leben, Ausbildung oder Studium kannst du auch später nachholen. Ich lebe nur für den Fußball, habe ihn im Herzen, im Blut."
Das erfährt auch die Freundin, die in Ingolstadt lebt und an zwei Wochenenden pro Monat nach Schweinfurt kommt, an den beiden anderen Sonntagen. In Ingolstadt muss sie da nämlich auf ihn warten. Das Tages-Programm sieht erst einmal den mittäglichen Besuch der Stammhamer Reserve vor, wo der Papa mit 52 Jahren immer noch B-Klasse kickt, um 15 Uhr ist der Bruder mit der Kreisklassen-Ersten dran. "Dann geht's mit der Familie zum Essen und bisschen Fußball schauen. Am Abend treffe ich meine Freundin."