Eine simple Karte mit einer "Traueranzeige" bekam Schweinfurts Fußball-Kreisspielleiter Gottfried Bindrim Anfang dieser Woche. Inhalt: Die Verbandsfunktionäre seien "die Totengräber der kleinen Vereine". Absender: unbekannt. Gegenüber der Hetze, die kürzlich Spieler des FC Bayern München und ganz aktuell der Leipziger Nationalspieler Benjamin Henrichs öffentlich machten, mag diese Karte zwar nur als Kleinigkeit gelten. Sie zeigt aber, dass der Umgang mit der eigenen Meinung und vor allem gegenüber anderen immer mehr an Hemmungen verliert.
Der Respekt voreinander scheint verloren gegangen – diese Erkenntnis greift immer mehr um sich. Auch aus diesem Grund hatte die Schiedsrichtergruppe Haßberge anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens am Donnerstagabend zu einer Talkrunde mit vier Fußball-Experten geladen. "Das Interesse ist riesengroß, wir haben 190 Anmeldungen", freute sich Kreisobmann Christian Wetz über ein volles Haus in Haßfurt.
Aufgeboten hatten die Haßberg-Schiris dabei den unterfränkischen Bezirksvorsitzenden und Vizepräsidenten des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV), Jürgen Pfau, Regionalliga-Schiedsrichter Manuel Steigerwald vom TSV Karlburg, den Ex-Bayernliga-Trainer des FC Sand, Matthias Strätz, und den Kapitän des Landesligisten DJK Dampfach, Stefan Greb. Dieses Quartett nahm sich, moderiert von Marco Heumann, das Thema "Respekt auf dem Fußballplatz" vor – beleuchtet aus den Blickwinkeln von Spielern, Trainern, Funktionären und Schiedsrichtern.
Dass Spieler oder Trainer nicht immer mit den Entscheidungen des Schiedsrichters einverstanden sind, liegt auf der Hand. Beschimpfungen, gar Beleidigungen sind allerdings Reaktionen, die weit über das Ziel hinausgehen. "Der Ton ist rauer geworden", bestätigte Steigerwald. "Vor allem im Internet sind wir einer großen Willkür ausgeliefert", stellt der Gräfendorfer fest. "Und das wird mittlerweile auch ins reale Leben übertragen und somit auch auf den Fußballplatz."
Einig waren sich alle vier, dass der mangelnde Respekt voreinander grundsätzlich ein gesellschaftliches Problem sei, also nicht nur auf den Fußball begrenzt ist. "Man muss bereits im Vorfeld aufklären, sich in die Rolle des anderen versetzen", findet Pfau, dass die Akzeptanz anderer Meinungen oder Entscheidungen ein Grundpfeiler des Respekts sei.
Einen Weg zur gegenseitigen Akzeptanz gefunden hat der Fußball-Landesligist DJK Dampfach, wie dessen Kapitän Stefan Greb bestätigte: Der Aufsteiger, noch zu Bezirksliga-Zeiten in der Fairness-Tabelle stets ganz unten stand, hatte bei einem Informationsabend mit Schiedsrichtern einen regen Austausch, der offenbar gefruchtet hatte. Mittlerweile ist die DJK – trotz zweier Roter Karten im Mittwochsspiel in Fuchsstadt – im Mittelfeld dieser Fairness-Tabelle angelangt.
Ein Sportgruß nach dem Spiel?
"Spieler und Trainer haben eine Vorbildfunktion", nahm Strätz sich und seine (Trainer-)Kollegen in die Pflicht. Profi-Fußballer seien dabei natürlich Multiplikatoren, Zuschauer im Stadion oder an den Fernsehgeräten würden immer öfter Gesten oder Aktionen übernehmen und Respektlosigkeiten als gesellschaftsfähig betrachten. "Aber wir sollten den Respekt vorleben", meint Strätz, der in seiner Zeit an der Seitenlinie beim FC Sand "zwar kein Lämmchen" gewesen sei, den Bogen aber nie überspannt habe.
Dass vielleicht ein gemeinsamer Sportgruß nach dem Spiel (Pfau: "Das muss ja kein Hipp-hipp-hurra sein") zumindest die Emotionen wieder abkühlen kann, war eine Idee, wie wieder mehr Respekt auf dem Fußballplatz zu finden sein könnte. Vielleicht bekommt Gottfried Bindrim dann auch einmal eine Glückwunschkarte – mit Absender.