Victor Kleinhenz, der Trainer des TSV Aubstadt, ist kein Fußgall-Nostalgiker und schon gar kein Fußball-Romantiker, der von früheren Glanzzeiten von Vereinen schwärmt. Dafür ist er mit 30 Jahren viel zu jung und zu sehr vom modernen Fußball überzeugt, so wie er ihn in seiner Trainerausbildung kennengelernt hat. Natürlich hat es in ihm einen emotionalen Ruck erzeugt, als das Halbfinal-Los im bayerischen Toto-Pokal für seinen TSV Aubstadt den Traditionsverein TSV 1860 München als Gegner ergab. Angepfiffen wird dieses Spiel an diesem Samstag um 14 Uhr in der mit 3.000 Zuschauerinnen und Zuschauern ausverkauften NGN-Arena von DFB-Schiedsrichter Thomas Stein.
Aubstadt-Trainer Victor Kleinhenz wirft als Fan des 1. FC Köln so schnell nichts um
Ob Victor Kleinhenz besondere Sympathien für die Sechziger habe, eventuell sogar Löwen-Fan sei? "Nein, weder Bayern noch 1860, mein Herz schlägt für den 1. FC Köln. Das ist die Gemeinsamkeit, die ich mit unserem Förderer Marco Weigand habe. Durch dick und dünn, wir haben alles mitgemacht. Uns wirft so schnell nichts um und davon profitieren wir auch im Tagesgeschäft der Regionalliga Bayern."
Kölner Fan sei er also, auch Michael Köllner-Fan, vom Trainer von 1860 München? "Ich hatte noch keine Berührungspunkte mit ihm. Ich glaube aber, er ist ein Trainer, der die alten Tugenden, aber auch sehr viele innovative Ansätze miteinander verknüpft. Er hat ja trotz des etwas unruhigen Umfelds bei 1860 bisher einen sehr guten Job gemacht."
1860 München in diesem Jahr noch nicht live vor Ort beobachtet
Live vor Ort hat Kleinhenz den TSV 1860 München schon öfter gesehen, dieses Jahr aber noch nicht. "Über verschiedene Plattformen, in denen ihr Spiel analysiert wird, haben sich André Betz und ich diese Woche aber schon informiert." Beeindruckt ist der Wartmannsrother natürlich von der Historie des Gastvereins.
162 Jahre, zusammenhängend mit der Stadt-Rivalität mit den Bayern. Im Zeitraffer: 672 Bundesliga-Spiele, 238 Siege, Deutscher Meister, zwei Mal DFB-Pokalsieger, 1965 Finale im Europapokal der Pokalsieger im Wembley-Stadion vor 100.000 Zuschauenden gegen West Ham United (0:2), aber auch Lizenzentzug 1982, ein Jahr Regionalliga 2017, Umzug von der Allianz-Arena ins Grünwalder Stadion.
"Auf der anderen Seite der TSV Aubstadt mit einem Kader, von dem viele ihr erstes Jahr in der Regionalliga spielen", fährt Kleinhenz fort. "Und bei den Sechzigern Profis mit Zweit- und Drittliga-Erfahrung." Er nennt aber keinen einzigen Namen, um die Ehrfurcht seiner Spieler nicht über Gebühr zu befeuern. "Da muss natürlich an einem besonderen Tag extrem viel zusammen kommen, dass wir als David den Goliath ärgern können."
Kleinhenz: "Lust zu gewinnen ist größer als die Angst, schlecht auszusehen"
Sein Team müsse in allen Bereichen Top-Leistungen abliefern, brauche Begeisterung, ganz viel Geschlossenheit in der Defensive und gute Entscheidungen im Umschaltspiel. "Es wird aber auch wichtig sein, dass wir immer wieder Ballbesitz-Phasen haben. Eben so, wie unser Spiel die letzten Wochen aussah."
Es werde wichtig sein, "dass wir uns anpassen und abrufen, je nach dem, in welche Richtung das Spiel läuft". Natürlich bietet dieses ganz spezielle Spiel, das manche das "Jahrhundert-Spiel des TSV Aubstadt" nennen, emotionale Ansätze für den Rhetoriker Kleinhenz. Der seine Mannschaft in ihrer Diversität mit ihren unterschiedlichen Spieler-Charakteren kennt und ihre Sprache spricht. Seine Ansprachen enthalten keine leeren Worthülsen oder Alltagsfloskeln. Er bringt das Wichtige mit wenigen Worten einprägsam auf den Punkt.
"Ich glaube, wir haben den Vorteil, dass bei uns die Lust, so ein Spiel zu gewinnen, einfach größer ist als die Angst oder der Respekt, schlecht auszusehen oder etwas zu verlieren. Ich weiß nicht, ob das als Favorit genau so ist." Der Aubstädter Trainer hofft zudem auf die maximale Unterstützung der Fans. "Ich weiß, dass wir Typen in der Mannschaft haben, die sich von dieser Kulisse nicht beeindrucken, sondern eher beflügeln lassen. Wenn diese Unterstützung kommt, können wir, im Kollektiv mit der Region im Rücken, eine optimale Leistung bringen. Wozu sie reicht, werden wir dann sehen." Was er für realistisch halte? "In einem Spiel ist alles möglich."
In Burghausen ist beim TSV Aubstadt der Knoten geplatzt
In den ersten drei Regionalliga-Spielen (0:1, 0:0, 1:1) nach der Winterpause hat der TSV Aubstadt nur Verwöhnte enttäuscht. Hinterher verteilte Kleinhenz kollektives Lob, sprach die Defizite an, appellierte aber immer wieder: "Ich bin überzeugt, wir sind auf dem richtigen Weg." Beim 3:0-Sieg in Burghausen ist dann am letzten Wochenende der Knoten geplatzt. In umgekehrter Richtung lief es beim TSV 1860 München: Die Serie von vier Siegen in Folge wurde zur am Sonntag mit dem 0:3 bei Waldhof Mannheim beendet, bekam die Aufstiegseuphorie einen Dämpfer.
Könnte sich das irgendwie im Spielverlauf niederschlagen? "Wie sich das auf 1860 auswirkt, ob als Vorteil oder Nachteil, kann ich wirklich nicht beurteilen. Was uns angeht, es war vorher nicht alles schlecht und dann nicht alles gut. Die Leistung in das Ergebnis umgemünzt zu haben, war für das Vertrauen in unser Spiel aber ganz wichtig", sagt Kleinhenz. Und hinterher werde man sich wieder den Endspielgegner wünschen? "Eins nach dem anderen, so wie die Klöß gegessen werden."
TSV Aubstadt gegen 1860 München live im Bayerischen Fernsehen
Wer an keine Eintrittskarte kommen konnte, kann das Löwen-Gastspiel in Aubstadt live im BR-Fernsehen und im Anschluss bis 2. April in der BR-Mediathek ansehen. "Dass diese Partie aus Aubstadt im Free-TV übertragen wird, ist eine tolle Sache und letztlich auch der Lohn für das, was in den vergangenen Jahren beim TSV Aubstadt Großes geleistet wird", sagte BFV-Schatzmeister Jürgen Falterbacher, der im Präsidium des BFV für den Spielbetrieb im Freistatt verantwortlich zeichnet.
"Unser Dank gilt allen Beteiligten, die diese Live-Übertragung erst möglich gemacht haben", ergänzt der Verbandsspielleiter Josef Janker und betont: "Bei den Vorbereitungen waren die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer des TSV Aubstadt mit ganz viel Herzblut bei der Sache, um bestmögliche Produktionsbedingungen zu ermöglichen."