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Würzburg/Schweinfurt
Wohnraum für Bedürftige: Wer bekommt eine Verfügungswohnung und welche Regeln gelten in Würzburg?
Wohnungen für Menschen mit wenig Geld sind in der Region begehrt – und extrem knapp. Für wen Verfügungswohnraum gedacht ist und was der Unterschied zur Sozialwohnung ist.
Verfügungswohnraum in Würzburg: ein Bettgestell, mehr nicht. Was die Bewohner an Mobiliar und Elektrogeräten mitbringen wollen, müssen sie genehmigen lassen. 
Foto: Daniel Peter | Verfügungswohnraum in Würzburg: ein Bettgestell, mehr nicht. Was die Bewohner an Mobiliar und Elektrogeräten mitbringen wollen, müssen sie genehmigen lassen. 
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 15.07.2024 15:13 Uhr

Nach 23 Jahren von heute auf morgen raus aus der Verfügungswohnung? Der Fall der Würzburger Rentnerin Krystyna Thiele hat für große Aufmerksamkeit gesorgt. Die 77-Jährige sollte, weil ihre 44-Quadratmeter-Wohnung nach Auffassung der Stadt Würzburg für sie allein zu groß ist, am 30. November in ein WG-Zimmer umziehen. Dank eines Schreibens ihrer Hausärztin hat Thiele von der Stadt jetzt einen Zeitaufschub bekommen.

Was aber ist "Verfügungswohnraum". Für wen sind solche Unterkünfte gedacht und welche Regeln gelten dabei? Was ist der Unterschied zu einer Sozialwohnung - und sind diese in Würzburg und anderswo in Unterfranken wirklich so knapp? Antworten auf zentrale Fragen. 

Was ist eine Verfügungswohnung?

Verfügungswohnungen sind Wohneinheiten, die Städte zur Behebung von Wohnungsnotfällen betreiben. Sie dienen der vorübergehenden Unterbringung von Personen, die obdachlos geworden sind oder von Obdachlosigkeit bedroht sind – etwa weil wegen Mietschulden ein Mietverhältnis fristlos gekündigt oder Räumungsklage erhoben worden ist.

Die Stadt Würzburg etwa verfügt über 140 Verfügungswohnungen unterschiedlicher Größe sowie rund 80 Einzelzimmer. Laut Pressestelle der Stadt hat sich der Bestand an Verfügungswohnraum damit im Vergleich zum Jahr 2014 verdoppelt. Die Städte Aschaffenburg und Schweinfurt betreiben derzeit keine Verfügungswohnungen.

Wer bekommt Verfügungswohnungen?

Menschen, die obdachlos oder von Obdachlosigkeit bedroht sind, können über die Wohnungsnotfallhilfe eine Unterbringung in Verfügungswohnungen beantragen. Dies gilt in der Regel allerdings nur für Menschen, die schon in der Stadt gewohnt haben, in der sie nun obdachlos geworden sind. Durchreisende oder gerade eingereiste Menschen gehören nicht zu dem Personenkreis, dem Unterstützung durch eine Verfügungswohnung angeboten wird. Eine überschuldete Familie jedweder Nationalität, der die bisherige Wohnung gekündigt wurde, zählt dazu. 

Sind Verfügungswohnungen auf Dauer angelegt?

Nein. Durch die Einweisung in eine Verfügungswohnung wird laut Satzung der Stadt Würzburg kein Mietverhältnis begründet. Die Verfügungswohnung ist nicht als Dauerwohnung gedacht und ein Anspruch darauf besteht nicht. Laut Satzung der Stadt Würzburg ist auch eine "Umsetzung in eine andere städtische Verfügungswohnung" möglich, "wenn dies aus Gründen der Obdachlosenfürsorge oder aus anderen Gründen erforderlich wird". Wer länger als ein halbes Jahr in der Verfügungswohnung bleiben will, muss einen Verlängerungsantrag stellen. Wird dieser bewilligt, kann der Bewohner oder die Bewohnerin ein weiteres halbes Jahr bleiben.

Welche Regeln gelten für die Bewohner?

Für jedes Möbelstück und jedes Elektrogerät, das Bewohnerinnen und Bewohner für die Verfügungswohnung beschaffen oder mitbringen wollen, müssen sie laut Satzung der Stadt Würzburg bei der zuständigen Wohnungsnotfallhilfe eine Genehmigung einholen. Tiere sind verboten, Besucher dürfen nicht übernachten, Fahrräder dürfen nicht in der Wohnung abgestellt werden.

Bewohner müssen sich an die Hausordnung halten und sogenannte "Nutzungsgebühren" zahlen, die sich nach der Qualität der Wohnung und der Quadratmeterzahl richten. So kostet etwa ein Quadratmeter der höherpreisigen Kategorie wie in der Verfügungswohnung von Krystyna Thiele aktuell 8,20 Euro.

Fenster und Balkone eines Wohnblocks: Um eine Sozialwohnung mieten zu können, benötigen Bewohnerinnen und Bewohner einen Berechtigungsschein. Ob er bewilligt wird, hängt vom Haushaltseinkommen ab (Symbolbild). 
Foto: Susann Prautsch, dpa | Fenster und Balkone eines Wohnblocks: Um eine Sozialwohnung mieten zu können, benötigen Bewohnerinnen und Bewohner einen Berechtigungsschein. Ob er bewilligt wird, hängt vom Haushaltseinkommen ab (Symbolbild). 

Worin unterscheidet sich eine Verfügungswohnung von einer Sozialwohnung?

In Verfügungswohnungen werden Bewohner eingewiesen, Sozialwohnungen können die Bewohner selbst mieten. Um eine Sozialwohnung mieten zu können, brauchen Antragsteller einen Wohnberechtigungsschein. Er wird nur bewilligt, wenn das Bruttoeinkommen des gesamten Haushalts eine gewisse Einkommensgrenze nicht überschreitet.

Je nach Einkommensverhältnissen erhalten Antragsteller dann entweder ausgewählte Wohnungsangebote von der Stadt oder können sich mit dem Wohnberechtigungsschein selbst auf geeignete Wohnungen bewerben - so ist es in Würzburg geregelt. Ein Anspruch auf eine Sozialmietwohnung besteht nicht.

Wer im Laufe der Mietzeit über die Einkommensgrenze kommt, darf laut bestehendem Recht in der Sozialwohnung bleiben. Dies ist ein Grund dafür, dass die Fluktuation auf dem Sozialwohnungsmarkt sehr gering ist und sogenannte Fehlbelegungen häufig sind.

Wie viele Sozialwohnungen gibt es in Würzburg und Schweinfurt?

In Würzburg gibt es nach Angaben der Stadt aktuell 3388 Sozialwohnungen. "Definitiv gibt es zu wenige Wohnungen in bezahlbaren Preissegmenten. Besonders eng ist der Würzburger Wohnungsmarkt für Großfamilien", bestätigt die Pressestelle. Von den 3388 Sozialwohnungen fallen laut dem Würzburger Kreisverband der Linken allerdings rund 1400 mittelfristig aus der Sozialbindung, werden dann also keine Sozialwohnungen mehr sein.

Gleichzeitig lebt in Würzburg eine Vielzahl von Menschen, deren geringes Einkommen sie zur Nutzung einer Sozialwohnung berechtigen würde. Die Stadt spricht von 15.000 einkommensschwachen Haushalten, die Lage auf dem Sozialwohnungsmarkt ist also extrem angespannt. Besser sieht die Lage in der Stadt Schweinfurt aus, dort gibt es mehr als 5000 Sozialwohnungen.

 
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  • Roland Rösch
    Heizung Nikotinfarbe ?
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  • Johannes Sitter
    Als langjähriger Kommunalpolitiker habe ich schnell gemerkt, dass der Boulevardjournalismus wieder auf dem Vormarsch war. Zum Glück gab es dann eine sachliche Klarstellung. Die Main-Post hat beides berichtet. Was mich ärgert, ist, dass die Politiker dabei immer als unsympathisch und unsozial dargestellt werden.
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  • Herbert Stapff
    Unabhängig vom Schicksal der Fr. Thiele: Wie kann es passieren, dass jemand mehr als 20 Jahre in einer Verfügungswohnung lebt, die doch nur für kurzfristige Benutzung im Notfall vorgesehen ist? Informiert man die in Verfügungswohnungen Eingewiesenen über die Unterschiede und legt ihnen nahe, sich um eine Sozialwohnung zu bewerben?
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  • Martin Deeg
    Verfügungswohnungen sind nicht auf Dauer angelegt, im Fall der Frau Thiele kann man nach 23 Jahren aber durchaus davon sprechen, dass hier von dieser Norm abgewichen wurde.

    Zum Vergleich: wohnt jemand länger als 10 Jahre in einer Mietwohnung, beträgt die Kündigungsfrist seitens Vermieter 12 Monate.

    Fr. Thiele kann sich m.E. hier begründet auf eine Sondersituation berufen, die Stadt sollte den Wunsch der (faktisch) Mieterin berücksichtigen und eine Umwandlung der Wohnung in eine Sozialwohnung erwägen.
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  • Alfred Holler
    Diese Klarstellung hätte die MP im Sinne einer umfassenden Berichterstattung schon bein ersten Artikel liefern MÜSSEN, dann wär allen die Bedeutung des Vorgangs verständlich gewesen und das Stadt-bashing hätte unterbleiben können.
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  • Robert Hippeli
    Sehr geehrte Frau Rauch,
    vielen Dank für die Klarstellung!
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  • Simone Eckenroth
    Danke für die sachliche Klärung!
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