
In Deutschland fehlen auch in diesem Winter wieder Arzneimittel. Schon vor einem Jahr sorgten Lieferengpässe für massive Probleme, die Politik versprach Abhilfe. Jetzt warnt Ulrike Holzgrabe, Seniorprofessorin am Lehrstuhl für Pharmazie und Medizinische Chemie der Uni Würzburg: "Ich glaube nicht, dass es so einfach wird, das zu ändern."
Holzgrabe analysiert in einem aktuellen Forschungsprojekt mit Kollegen aus den Wirtschaftswissenschaften globale Lieferketten und Abhängigkeiten in der Medikamenten-Produktion – und sucht nach Wegen, um Engpässe künftig zu verhindern. Im Gespräch erklärt die Pharmazeutin, wie das funktioniert, warum die Ideen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unrealistisch sind und was sie vom Medikamenten-Horten hält.
Prof. Ulrike Holzgrabe: Wir stehen genauso da wie letztes Jahr und ich glaube nicht, dass es so einfach wird, das zu ändern. Selbst in der Pharmastrategie von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach steht wortwörtlich, dass wir diesen Winter wieder ein Problem haben werden.
Holzgrabe: … gut, wird aber kaum gelingen. Die von Herrn Lauterbach angekündigte Lagerhaltung wird nicht funktionieren, weil wir nichts haben, was wir ins Lager legen könnten. In diesem Winter werden wir damit leben müssen, uns in Europa gegenseitig auszuhelfen und Medikamente umzuverteilen.
Holzgrabe: Das ist ein Problem, weil wir keine Kontrolle über die Produktion in China haben. Wenn die Chinesen sich entscheiden, ein Medikament nicht zu liefern, haben wir das nicht. Und wenn man die weltpolitische Lage sieht, ist das sicher heute gefährlicher als vor ein paar Jahren. Entscheidend ist, dass es in Europa zu wenig Produktionsstätten für Medikamente gibt. Wir kaufen die Wirkstoffe in China und machen daraus Tabletten oder die Chinesen verkaufen die Wirkstoffe an Indien und wir kaufen die dort produzierten Medikamente. So sehen die Lieferwege heute aus.
Holzgrabe: Wir stellen in Europa nur etwa 30 Prozent der Arzneiprodukte her. Aber um wieder mehr bei uns produzieren zu können, fehlen allein schon die Grundstoffe. Auch hier greifen wir auf Produkte aus China zurück. Herr Lauterbach hat kürzlich im Fernsehen gesagt, er wolle auch die Feinchemikalien-Produktion zurückholen. Das halte ich jedoch für unrealistisch. In China sind die Umweltauflagen wesentlich niedriger und die Produktionskosten deutlich geringer.
Holzgrabe: Die absolute Unabhängigkeit sehe ich ehrlich gesagt nicht. Aber es gibt Möglichkeiten. Bis vor einigen Jahren gab es in Frankfurt zum Beispiel eine Anlage, in der Cephalosporine, das ist eine wichtige Gruppe von Antibiotika, hergestellt wurden. Die Produktion wurde aus Kostengründen stillgelegt. Wenn diese Anlage reaktiviert würde, könnten wir bei diesen Antibiotika relativ schnell unabhängig werden. Solche Beispiele gibt es bundesweit einige. Genau hier muss man ansetzen und gleichzeitig dafür sorgen, dass nicht noch mehr Industrie abwandert.

Holzgrabe: Das ist genau das, was wir wollen. Im ersten Schritt untersuchen wir dazu die Lieferwege, von der Synthese bis zur fertigen Tablette in der Pappschachtel. Nach dieser Analyse wird berechnet, wie teuer die Produktion in China ist und wie viel sie in Deutschland kosten würde. So sieht man zum Beispiel bei Penicillin: Die Behandlung über einen Zyklus, also zehn Tage, kostet etwa 20 Cent mehr bei Produktion in Deutschland als in China. Bei anderen Medikamenten, die länger oder lebenslang eingenommen werden, kann das natürlich mehr werden. Diese Grunddaten sammeln wir.
Holzgrabe: Nach der Analyse wollen wir in einem Stresstest untersuchen, was passiert, wenn nicht mehr genug von einem Ausgangsstoff oder Medikament vorhanden ist. Wir wollen herausfinden, wann wir den Lieferengpass merken und ab wann eine Therapie nicht mehr möglich ist. Es geht also darum, eine Strategie zu entwickeln, um Engpässe frühzeitig zu erkennen und zu verhindern oder gegenzusteuern.
Holzgrabe: Wichtig wäre, dass wir die Ursache der Engpässe bekämpfen – und da sehe ich nicht, dass Herr Lauterbach das tut. Letztlich hat das System der Krankenkassen mit Rabattverträgen und Festbeträgen dazu geführt, dass wir nicht mehr genug Produktionsstätten haben. Anfang des Jahrtausends wurden damit wirkungsvoll die Preise gedrückt. Damals haben sich auf Ausschreibungen der Kassen für Belieferungsverträge mehrere Pharmafirmen beworben, die günstigste bekam den Zuschlag. Wer leer ausging, musste sich überlegen, ob er überhaupt weitermacht. Die Folge: Heute gibt es nur noch wenige Produzenten in Deutschland. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir das Rad überdreht haben. Deshalb muss auch das Preissystem der Krankenkassen überarbeitet werden – sonst wird niemand in Europa eine neue Produktion aufbauen.
Holzgrabe: Horten sollten wir nicht, das ist ganz falsch. Umgekehrt ist klar: Wenn ich eine Infektion habe und der Arzt verschreibt mir ein Antibiotikum, dann brauche ich das und daran kann man auch nicht sparen. Jeder Einzelne sollte schlicht verantwortungsvoll mit Medikamenten umgehen.
Holzgrabe: Nein, man muss aus Angst vor fehlenden Medikamenten keine Panik verbreiten. Aber wenn sich jeder gegen Grippe, Corona und andere Infektionskrankheiten impfen lassen würde, und man auf diese Weise Superinfektionen verhindern könnte, wäre schon viel gewonnen.
und damit auch die Auslagerung von umweltschädlichen Prozessen, ins Ausland, bei Medikamenten speziell nach China und Indien, für deutsche und europäische Pharmafirmen ein Gewinn war, und alles schon billig, solange war Globalisierung gewünscht und alternativlos.
Jetzt merkt man langsam die Schattenseiten derartiger Politik und schon ist der Sündenbock ausgedeutet: der derzeitige Bundesgesundheitsminister!
Die Leute, die so eine Sch.... -Politik zu verantworten haben,und diejenigen, die sich damit schamlos bereichert haben, die konnten ja die Folgen ihres Treibens nicht absehen!
Herzlichen Glückwunsch!