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Heuchelhof
Wie die Caritas den Pflegenotstand bekämpft - und die Inderin Ann Maria zur Pflegeausbildung nach Würzburg kam
Azubis aus dem Ausland sind die große Hoffnung der Caritas im Kampf gegen den Personalnotstand in der Pflege – dafür scheut die Einrichtung in Würzburg keine Kosten. Rechnet sich der Aufwand?
Strahlend empfängt Inge Köberlein die angehende Pflegefachkraft Ann Maria Thankachan, die den Blutdruck der Bewohnerin des Caritas Seniorenzentrums Bischof-Scheele-Haus am Heuchelhof misst.
Foto: Maria Reinhart | Strahlend empfängt Inge Köberlein die angehende Pflegefachkraft Ann Maria Thankachan, die den Blutdruck der Bewohnerin des Caritas Seniorenzentrums Bischof-Scheele-Haus am Heuchelhof misst.
Maria Reinhart
 |  aktualisiert: 15.12.2024 02:26 Uhr

Die Inderin Ann Maria Thankachan kommt in das Zimmer der 91-jährigen Inge Köberlein im Caritas Seniorenzentrum Bischof-Scheele-Haus am Würzburger Heuchelhof. Fröhlich lachend spricht die Pflegeauszubildende mit der Bewohnerin. Sie liebt ihre Arbeit mit den älteren Menschen, sagt sie und das sieht man ihr an. Verständigen kann sich die 20-Jährige problemlos, auch wenn ihr Deutsch nicht perfekt ist.

Seit einem Jahr lernt Ann Maria Thankachan Deutsch – erst in Indien, seit dem 1. September in der Pflegeschule. Zusammen mit 15 anderen Auszubildenden aus dem indischen Bundesstaat Kerala absolviert sie seitdem bei der Caritas in Würzburg die Ausbildung zur Pflegefachkraft.

Enormer administrativer Aufwand für Arbeitgeber

Organisiert wurde die Bewerbung für die Ausbildung, die Einreise, die Anmeldung in Deutschland sowie die Unterbringung der Azubis von der Caritas und einem Pfarrer in Indien. Die 16 Inderinnen und Inder wohnten zunächst im Bischof-Scheele-Haus in Würzburg – auf einer wegen Personalmangels leerstehenden Pflegestation. Ann Maria Thankachan und vier weitere Azubis sind inzwischen nach Veitshöchheim in eine Wohngemeinschaft gezogen, die ebenfalls von der Caritas organisiert wurde.

Der Geschäftsführer der Caritas-Einrichtungen gGmbH, Georg Sperrle, erläutert im Gespräch den enormen administrativen Aufwand: Über ein Programm der Bundesagentur für Arbeit werden im Ausland potenzielle Auszubildende oder Fachkräfte rekrutiert. Nach einem Videogespräch kümmert sich die Caritas – vom Flug bis zum Internetanschluss – um alles Weitere. Dafür wurde eine Stabstelle "Personalmarketing und -entwicklung" gegründet. Warum nimmt ein Arbeitgeber solche Mühen und mitunter immense Kosten auf sich?

Einige Azubis wohnen in einer leeren Station des Bischof-Scheele-Hauses, andere in einer WG in Veitshöchheim. Im Bild (v.l.) Alna Mariya, Ann Maria Thankachan, Anna Jose Peter, Jeevan George und Mariya Antony.
Foto: Maria Reinhart | Einige Azubis wohnen in einer leeren Station des Bischof-Scheele-Hauses, andere in einer WG in Veitshöchheim. Im Bild (v.l.) Alna Mariya, Ann Maria Thankachan, Anna Jose Peter, Jeevan George und Mariya Antony.

Personalnot führt zu Gewinnausfall

Aktuell macht die Babyboomer-Generation, also die geburtenstarken Jahrgänge 1955 bis 1969, noch einen signifikanten Teil der Arbeitskräfte aus. Doch wenn diese Generation in Rente geht und irgendwann selbst pflegebedürftig wird, droht der bestehende Pflegenotstand zur Katastrophe zu werden. Die Zahl von derzeit fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werde bis 2050 laut Sperrle auf über sieben Millionen anwachsen. Gleichzeitig hätten in den letzten zwei Jahren bundesweit 1200 Pflegeeinrichtungen geschlossen.

Denn Personalmangel führe zu Gewinnausfall: Ein Seniorenwohnheim, das nur Pflegepersonal für 90 Prozent der Plätze habe, sei unwirtschaftlich. Daher zahlten sich Kosten für Personalmarketing im Ausland auf lange Sicht aus, so Sperrle. Andere Möglichkeiten gebe es kaum: Aufgrund niedriger Geburtenraten stünden in Deutschland zu wenige junge Menschen für den Arbeitsmarkt zur Verfügung.

Pflegekräfte arbeiten am Limit

"Für mich ist Altenpflege immer noch Berufung", sagt Heike Otto. Seit sie 16 war, war sie als Pflegekraft im Würzburger Caritas Seniorenzentrum St. Thekla tätig; heute übernimmt sie administrative Aufgaben als Pflegedienstleitung in der Zentrale der Caritas. Bis zur Rente 40 oder 50 Jahre lang aktiv zu pflegen, schaffe keiner, sagt Otto – dafür sei die körperliche Belastung im Berufsalltag zu groß. Auch psychisch fordere der Arbeitsalltag: Immer von Glocke zu Glocke zu hetzen, für die Bewohner nie wirklich Zeit zu haben, das sei unbefriedigend. "Das Gespräch bei der Grundpflege ist wichtiger als die Grundpflege selbst", meint Otto.

Sie stellt eine Erschöpfung bei ihren Kolleginnen und Kollegen fest. Gestiegene Krankheitszahlen erforderten, auch einmal zehn bis zwölf Tage am Stück zu arbeiten. Ihre Arbeit werde dafür aber fair, nach Tarif und mit Zulagen vergütet, so Heike Otto.

Lösen ausländische Pflegekräfte den Notstand?

Der knappe Personalmarkt in der Pflege sorgt für Gehälter von 1350 Euro Ausbildungsgehalt im ersten Lehrjahr und ein Einstiegsbruttogehalt von 3500 Euro; dazu bieten viele Arbeitgeber, wie auch die Caritas weitere Vorteile. Wie finanzieren sich diese Gehälter?

An die 40 Prozent der Bewohner der Einrichtungen beziehen laut Sperrle Sozialhilfe, um den monatlichen Eigenanteil von rund 3500 Euro zu stemmen. Die Kosten des Personalnotstands würden letztlich die Bewohner und ihre Angehörigen, die Pflegekassen und der Staat tragen.

Mit zunehmender Personalnot in der Zukunft werde wegen fester Standards nicht die Qualität der Pflege, sondern die Anzahl der Pflegeplätze abnehmen – wodurch noch mehr Angehörige in die Pflege eingebunden werden müssten. 

Bessere Bedingungen für Pflegekräfte in Deutschland

Ohne die Initiative der Caritas, die ihr die Angst vor der Auswanderung genommen habe, hätte Ann Maria Thankachan nie eine Ausbildung in Deutschland begonnen. Sie sei mit offenen Armen empfangen worden, sagt sie, und fühle sich sehr wohl hier.

In Indien sei eine Pflegeausbildung zu teuer und auch Arbeitsplätze gebe es wenig. In Deutschland verdiene sie sehr gut bei besseren Arbeitsbedingungen. Ann Maria Thankachan ist mit einem befristeten Arbeitsvisum hier, das voraussichtlich, solange sie angestellt ist, verlängert wird. Ihr Plan ist es, langfristig hier zu arbeiten.

 
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  • Irmgard Engert
    3 Monate zu lang!
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  • Stefan Wolz
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Gerhard Kreßmann
    Man sollte allen, die fordern Ausländer zu "remigrieren" ein soziales Jahr in der Pflege aufs Auge drücken. Dann würde ihnen vielleicht am eigenen Leibe klar, wie wichtig diese Menschen für Deutschland sind.
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  • Klaus B. Fiederling
    Es müsste eigentlich auch unseren jungen Anwärtern die in Deutschland geboren sind, und die vor dem Start ins Berufsleben der Beruf der Krankenschwester bzw. -Pfleger/in oder im Seniorenheim der Alten/Seniorenpflege schmackhaft gemacht werden. Es wäre ganz gut, wenn sich Caritas oder sonstige Pflegesparten mal Zeit nehmen würden, einen Tag in die Schulen in ihrer näheren Umgebung zu schauen und einen Vortrag halten und mit praktischen Beispielen mal unsere Kids davon überzeugen könnten, dass der Pflegeberuf oder der Krankenschwester/pfleger ein Beruf der Zukunft ist. Es ist schwierig jemanden in ein Berufschema zu pressen, der davon noch gar nichts gehört hat. Ich finde auch toll, dass sich viele unserer ausl. Imigrannten intigrieren gerade im gesundheitlichen Personalwesen ihren Dienst leisten. Diese junge Pflegerin Ann-Maria ist ein sehr gutes Beispiel. Mögen ihr viele jungen Leute folgen dass der Notstand in der Pflege nicht noch größer wird.
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  • Christian Kelle
    Werter Herr Habermann - als Übergangsmanager an der Mittelschule Unterpleichfeld kann ich jetzt mal nur für mich und meine Kolleginnen an den anderen Mittelschulen im Landkreis sprechen. Wir holen regelmäßig Institutionen und Firmen an unsere Schulen, die ihre jeweiligen Aussbildungsmöglichkeiten dort vorstellen. Die Caritas, die Pflegefachschule JuliusCare (KWM und Juliusspital) wie auch die Uniklinik waren bereits an unseren Schulen und haben sehr anschaulich über die Ausbildung zur/zum Pflegefachhelfer/in informiert. Den Ausbildungsberuf "Krankenschwester" gibt es übrigens nicht mehr, dies nur am Rande zu Ihrer Info. 😉 Alle aufgeführten Institutionen und Kliniken bieten zudem auch Praktika an, die von unseren Schülern auch genutzt werden. Und aufgrund dieser Praktika haben sich auch schon Einige zur generalistischen Pflegefachhelferausbildung entschlossen.
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  • Christian Kelle
    Sorry, ich meinte natürlich Herrn Fiederling.
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  • Alfred Neumann
    Unsere Bevölkerungszahl schrumpft konstant. Selbst wenn jeder junge Mensch heute in die Pflege ginge, können wir den Bedarf nicht mehr decken. Reine Mathematik: Aus einer 5 kann ich keine 10 machen! Wird seit über 20 Jahren schon gesagt. Aber wird weggeschaut, wie bei Klimawandel, Fachkräftemangel, Rentensystem ...
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  • Felix Habermann
    Hallo Ann Maria ! ! !
    Großes Dankeschön an Dich und die Anderen
    die hier in Deutschland ihre Ausbildung zur
    Pflegefachkraft machen. Wünsche euch
    viel Glück und Spaß bei der Arbeit.
    Gruß Klaus Habermann, Estenfeld ! ! !
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  • Christa Bullmann
    Typisch Deutschland, auf der einen Seite haben wir Notstand in fast allen sozialen Berufen, auf der anderen Seite werden die administrativen Hürden so hoch gelegt dass es bloß so schwer wie möglich wird Ausländer die arbeitswillig sind ins Land zu holen.

    So wird das nichts mit Fachkräftezuwanderung. Wenn die Regierung bis jetzt noch nicht aus dem Tiefschlaf erwacht ist, dann muss man sich hier über die Kompetenz einzelner Politiker Gedanken machen.

    MfG

    Johannes Bullmann, MPA
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  • Dietmar Eberth
    Immer das gleiche dumbe einprügeln auf die Regierung.

    https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/qualifizierte-einwanderung-2262984

    Nix Tiefschlaf. Erste Stufe des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes November 2023. Zweite Stufe März 2024, Dritte Stufe Juni 2024.
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  • Irmgard Engert
    Was nutzen diese Stufen, wenn trotzdem eine Unmenge an Bürokratie zu bewältigen ist bis jemand, der dringend gebraucht wird, eine Arbeitserlaubnis bekommt!
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  • Dietmar Eberth
    KEINER in dem Artikel hat sich über die Bürokratie beschwert.

    Ansonsten, lassen sie Gesetze doch auch erstmal einmal wirken. Im Gegensatz zur GroKo - die jahrelang nichts gemacht hat - hat die Ampel Erleichterungen durchgesetzt. CDU/CSU hat mit der AfD gegen das Gesetz gestimmt um das Thema weiter zu verschlafen. Auch das neue Einbürgerungsgesetz wird Anreize für Fachkräfte setzen.

    Deshalb, lassen Sie Gesetze einfach mal wirken. Die nächste GroKo kann nach unendlichen Diskussionen dann ja alles besser machen, aber das wird vermutlich Jahre dauern.
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  • Irmgard Engert
    Also ich weiß nicht, wie Sie das verstehen - Zitat aus dem Artikel: „Der Geschäftsführer der Caritas-Einrichtungen gGmbH, Georg Sperrle, erläutert im Gespräch den enormen administrativen Aufwand“ - ENORMER ADMINISTRATIVER AUFWAND - administrativ = Verwaltung = Bürokratie!
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  • Christa Bullmann
    Warum nicht einfacher?

    - Sprachzertifikat
    - Arbeitsvertrag
    - Bestätigung dass man für Unterkunft sorgt

    Dann Genehmigung.

    Nein, bei uns müssen 40 nachweise gebracht werden, übersetzt, weil man ja teilweise nciht mal Englisch kann und dann dauert die Bearbeitung 6 Monate.

    Sorry, habe selber in der Verwaltung gearbeitet. Wenn du dir da so manche Beamte ansiehst wundert mich gar nichts mehr.

    MfG

    Johannes Bullmann, MPA
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  • Dietmar Eberth
    Was ist mit Übernahme der Qualifikation und Berufserfahrung was ist mit Sicherheitsüberprüfung. Wollen sicherlich auch keine Terroristen/Straftäter einladen. Wollen sie bei Scheinarbeitsverträgen oder Kündigung gleich die ganze Familie wieder abschieben?

    Wenn alle mitziehen kann in einem beschleunigten Fachkräfteverfahren das Verfahren in 4 Monaten abgeschlossen sein.

    https://www.bayernportal.de/dokumente/leistung/9053829595127?localize=false
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  • Irmgard Engert
    3 Monate zu lange - das könnte deutlich schneller gehen - wenn man wollte
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  • Florian Stenger
    Hier wird doch genau das gemacht was man möchte. Man holt sich die Menschen die man für eine Ausbildung haben möchte gezielt ins Land und steckt Sie direkt in eine Ausbildung. Das mit dem Arbeitsvisum ist wichtig und bedeutet nicht das man die Menschen irgendwann wieder loshaben will.

    Hier wird das ganz gut erklärt.
    https://www.make-it-in-germany.com/de/visum-aufenthalt/arten/arbeiten-fachkraefte
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