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Würzburg
"CariFair": Wie das Programm der Caritas in Stadt und Landkreis Würzburg dem Pflegekräftemangel entgegenwirken will
Die Würzburger Caritas hat ein neues Programm eingeführt: Im Rahmen von "CariFair" werden ausländische Betreuungskräfte zu Pflegebedürftigen in deren Privathaushalte vermittelt.
Sie berät Angehörige von Pflegebedürftigen, die eine ausländische Pflegekraft suchen: Jolanthe Zagorski, Koordinatorin für 'CariFair' in Stadt und Landkreis Würzburg. Gleichzeitig ist sie Ansprechpartnerin für die Pflegekräfte.
Foto: Claudia Jaspers (Caritas Würzburg) | Sie berät Angehörige von Pflegebedürftigen, die eine ausländische Pflegekraft suchen: Jolanthe Zagorski, Koordinatorin für "CariFair" in Stadt und Landkreis Würzburg.
Catharina Hettiger
 |  aktualisiert: 15.07.2024 09:51 Uhr

Rund vier von fünf pflegebedürftigen Menschen werden laut Statistischem Bundesamt Destatis in Deutschland zu Hause versorgt – oft durch Angehörige und ambulante Pflegedienste oder durch sogenannte "24-Stunden-Kräfte", auch "Live-Ins" genannt. Diese leben eine bestimmte Zeit bei den Pflegebedürftigen und unterstützen sie im Haushalt und bei der Alltagsbewältigung. Häufig sind dies Frauen aus Ost- und Mitteleuropa. "Bisher gibt es keine sicheren Rahmenbedingungen für diese Tätigkeit", sagt Eva-Maria Pscheidl, Leiterin des Fachbereichs Pflege und Betreuung im Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Würzburg e.V..

An diesem Punkt setzt das Programm "CariFair" der Caritas an: Ausländische Pflegekräfte sollen legal und zu fairen Bedingungen an Pflegebedürftige vermittelt werden. "Fair, legal und transparent", so der Anspruch des Programms, das sich damit auf dem Vermittlungsmarkt von Pflegekräften von teils unseriösen Agenturen abheben will.

Entwickelt wurde das Programm, das nun auch in Würzburg umgesetzt wird, bereits 2009 vom Caritasverband Paderborn: Mit dem damaligen Projekt, das unter dem Schlagwort "Heraus aus der Grauzone" lief, wollte die Caritas Paderborn gemeinsam mit der Caritas Polen sowohl Betreuungskräften als auch Pflegebedürftigen helfen, ihre Interessen gleichermaßen umzusetzen und zu sichern.

Ein Kernpunkt des Programms ist, dass die Familie des zu Pflegenden die Betreuungskraft anstellt, also als ihr Arbeitgeber auftritt. Es gibt einen zweisprachigen Arbeitsvertrag; bezahlt wird nach dem deutschen Tarifvertrag für Beschäftigte im Privathaushalt. Unterkunft und Verpflegung werden von der Familie kostenlos gestellt. Die Betreuungskraft ist sozial- und unfallversichert, die Beschäftigung ist steuerpflichtig. Arbeitszeiten, Pausen und Urlaub sind, in Abstimmung mit der Familie, klar geregelt. "Die Betreuung ist kein 24-Stunden-Einsatz", heißt es etwa im Info-Flyer der Caritas zu CariFair, "eine Haushalts- und Betreuungskraft bei CariFair arbeitet durchschnittlich 38,5 Stunden in der Woche". Mindestens ein freier Tag pro Woche, regelmäßige Pausen und der Anspruch auf bezahlten Urlaub sind Teil des Vertrags.

Koordinationskraft der Caritas als dauerhafte Ansprechperson

"Nicht jede Vermittlungsagentur für ausländische Pflegekräfte ist ein schwarzes Schaf", sagt Eva-Maria Pscheidl. Es komme aber vor, dass nur ein geringer Teil des Geldes, das die Familie des Pflegebedürftigen zahlt, beim Live-In ankommt – und der größte Teil an die Agentur geht. "Die Familie zahlt zum Beispiel monatlich 2.800 Euro an die Agentur, wovon die Pflegekraft gerade einmal 800 Euro erhält", so Pscheidl. Bei CariFair sind die Kosten für die Familie transparent aufgeführt: Neben dem Gehalt, das die Betreuungskraft erhält – das Bruttogehalt beträgt laut Tarifvertrag 2032 Euro –, sind 500 Euro Arbeitgeber-Anteil an Sozialversicherungsbeiträgen zu zahlen. Die Caritas erhält von der Familie eine monatliche Begleitpauschale von 142 Euro.

Diese wird für die Tätigkeit einer Koordinationskraft der Caritas erhoben, die eine weitere Besonderheit von CariFair darstellt: Eine zweisprachige Koordinationskraft soll während des gesamten Beschäftigungszeitraums Ansprechperson für beide Seiten sein: Sowohl die Live-Ins, als auch die Familien können sich an sie wenden und werden regelmäßig von ihr besucht. Im Vorfeld informiert sie Familien, die sich eine ausländische Betreuungskraft wünschen, sucht nach einer geeigneten Person und organisiert auf Wunsch das Arbeitsverhältnis. "Wir suchen auf zwei Ebenen", erklärt Eva-Maria Pscheidl. "Zum einen wollen wir den Markt der Live-Ins erreichen, die sich aktuell in prekären oder unfairen Beschäftigungsverhältnissen befinden, um sie bei CariFair aufzunehmen. Unsere zweite Zielgruppe sind Familien, die eine Pflegekraft suchen."

"Strukturelle Probleme der Pflege kann das Programm nicht lösen."
Eva-Maria Pscheidl, Leiterin Fachbereich Pflege und Betreuung im Caritasverband für Stadt und Landkreis Würzburg e.V.

Beim Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Würzburg ist Jolanthe Zagorski die Koordinationskraft für Familien und Live-Ins. Seit das Programm Ende 2022 in Würzburg ins Leben gerufen wurde, konnten zwei Pflegekräfte in Familien vermittelt werden. Oft sind diese Einsätze sehr dringend: "Auch, wenn zu Familien bereits die Sozialstation kommt, sind Angehörige von Pflegebedürftigen oft überfordert“, so Zagorski. Doch wenn eine Familie erkenne, dass eine Pflege zuhause nicht mehr möglich sei, fehle es oft an Alternativen: "Manche Ältere möchten nicht ins Pflegeheim oder bekommen dort keinen Platz", sagt Jolanthe Zagorski. Selbst wenn in Heimen Betten frei seien, könnten diese zum Teil nicht belegt werden – es fehle schlicht an Personal. Und auch in der ambulanten Pflege herrsche Personalnot.

"Wir haben einen enormen Pflegenotstand", stellt Pscheidl fest. CariFair sei ein Baustein, um die Versorgungslücke in der Pflege etwas zu verringern und dem Pflegekräftemangel entgegenzuwirken. "Strukturelle Probleme der Pflege kann das Programm aber nicht lösen", so Pscheidls Fazit.

Da ein Live-In in der Regel über keine Ausbildung in der Pflege verfügt, und dementsprechend zum Beispiel keine Medikamente verabreichen oder Spritzen geben darf, kommt im Rahmen von CariFair einmal wöchentlich die Sozialstation in die Familie. "Diese sichere pflegerische Versorgung durch die Beteiligung von Fachkräften ist ein weiterer wichtiger Baustein des Programms", erklärt Eva-Maria Pscheidl. Von der Fachkraft könne die Betreuungskraft auch Tipps erhalten, etwa, wie man die oder den Pflegebedürftigen am besten aus dem Bett hebt.

"Wir wollen mit CariFair die Werte der Caritas vertreten, Transparenz zeigen und Live-Ins aus der Illegalität herausholen."
Eva-Maria Pscheidl, Leiterin Fachbereich Pflege und Betreuung im Caritasverband für Stadt und Landkreis Würzburg e.V.

Damit das Konzept von CariFair aufgehen kann, müssen sich beide Parteien gewissen Herausforderungen stellen. "Von Seiten der zu betreuenden Person ist eine gewisse Offenheit Voraussetzung – die nötig ist, wenn eine fremde Person im Haus wohnt, die, je nach Wohnsituation, auch die eigene Küche und das Bad mit nutzt", sagt Zagorski. Die Pflegekraft wiederum muss für eine bestimmte Zeit ihr Zuhause zurücklassen. Eine Videokonferenz im Vorfeld zum Kennenlernen könne dabei helfen herauszufinden, ob man sich gegenseitig sympathisch ist.

Generell kämen viele Pflegekräfte derzeit aus Rumänien, Bulgarien, Polen und der Slowakei. "Wichtig ist, dass die- oder derjenige aus einem EU-Land kommt, da es sonst Probleme mit einer Arbeitserlaubnis geben kann", erklärt Zagorski.

Dass das Programm CariFair ins Leben gerufen wurde, habe auch damit zu tun, dass sich die Caritas als Anwältin und Solidaritätsstifterin für Menschen ohne große Lobby verstehe, erklärt Eva-Maria Pscheidl. "Wir wollen mit dem Einbinden des Programms die Werte der Caritas vertreten, Transparenz zeigen und Live-Ins aus der Illegalität herausholen."

Wer mehr über CariFair erfahren oder sich beraten lassen möchte, kann dies über die Koordinatorin Jolanthe Zagorski tun. Erreichbar ist sie über E-Mail: carifair@caritas-wuerzburg.org oder per Tel.: (0931) 38659-106 bzw. Mobil: (0160) 90365959.

 
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