Die Corona-Krise hat die Situation noch zugespitzt. Seit Jahren fehlt es in der Alten- und Krankenpflege an Personal, eine Trendwende ist nicht erkennbar. Eine Umfrage der Regio Mainfranken GmbH unter örtlichen Heimen und Kliniken bestätigt den Dauerengpass.
"Durchschnittlich die Hälfte der offenen Stellen der Gesundheitsberufe kann nicht besetzt werden", fasst Regionalmanagerin Anne Pfrenzinger das Ergebnis zusammen. Das Pflegepersonal überaltert, jede dritte Kündigung erfolgt wegen der psychischen Belastung oder der Arbeitsbedingungen. Nur: Für zusätzliches Personal fehlt es den Heimen und Kliniken am Budget – an Geld ebenso wie an Zeit und Knowhow, um neue Kräfte zu rekrutieren.
Umfrage: Hälfte der Heime und Kliniken bemüht sich um Kräfte aus dem Ausland
Zwei Drittel der befragten Einrichtungen in Mainfranken versuchen es über Quereinsteiger, ein Drittel behilft sich mit Leiharbeitskräften. Und immerhin die Hälfte setzt auf Pflegekräfte aus dem Ausland. Könnten sie ein Schlüssel sein, um den Pflegenotstand zu beheben? Oder werden sie durch fremde Sprache und Kultur ausgebremst?
Linh Nguyen (Name von der Redaktion geändert) hat es geschafft. Die junge Vietnamesin arbeitet als Altenpflegerin in einer Einrichtung im Raum Würzburg. Doch der Weg dahin war steinig. Nach ihrem Pharmazie-Studium in Vietnam lernte die heute 28-Jährige Deutsch – als Voraussetzung, um für eine Pflegeausbildung nach Ostdeutschland zu kommen.
Vietnam: Teilweise falsche Versprechungen von Vermittlern
Wie so viele Landsleute träumte auch sie von einem besseren Leben in Europa, wollte von hier aus ihre Familie in Vietnam unterstützen. Doch nicht selten versprechen private Vermittler das Blaue vom Himmel. Locken mit vermeintlich hohen Löhnen, von denen netto dann viel weniger bleibt. 650 Euro bezahlte man der 28-Jährigen im ersten Lehrjahr. Brutto. Für die Miete musste sie, anders als versprochen, selbst aufkommen.
"Viele Vermittler in Vietnam waren selbst noch nie in Deutschland", kritisiert Duc-Dung Le aus Würzburg. Über eine Firma hat er mehrere Jahre junge Azubis aus seiner früheren Heimat in Deutschland begleitet. Der promovierte Immunologe lebt seit 17 Jahren hier und war mehrere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Würzburger Uniklinikum tätig. Mittlerweile berät Le Pharmaunternehmen. Er weiß, wie junge Azubis aus Vietnam in Deutschland "ins kalte Wasser geworfen werden". So wie Linh Nguyen.
Dabei bräuchten sie vor Ort qualifizierte Beratung und Unterstützung – sei es für Sprachkurse, Behördengänge, kulturelles Verständnis oder sozialen Anschluss. Genau hier möchte Le mit einer neuen Firma ansetzen. Er ist überzeugt, dass die Ausbildung und die Beschäftigung von Pflegekräften aus Vietnam eine Win-Win-Situation sein kann. Wenn man es richtig angeht für die Betreffenden wie für die Heime und Kliniken. Das gelte, sagt Le, auch für andere Branchen.
Linh Nguyen ließ sich nicht entmutigen. Auch nicht von einem anfänglichen ausländerfeindlichen Mobbing durch Kolleginnen im Heim, das sie im Gespräch beschreibt. Als wäre der Start nicht schon schwer genug gewesen mit all den Fachausdrücken, die sie für die Pflegearbeit noch lernen musste. Die junge Frau wechselte schließlich die Einrichtung – und fand ein freundliches und hilfsbereites Umfeld.
"Vietnamesen gelten als zäh und sehr diszipliniert", sagt Berater Le, "sie ziehen Sachen durch." Haben sie in ihrer Heimat bereits eine Pflegeausbildung absolviert, wird sie in Deutschland nicht komplett anerkannt. Ein oder eineinhalb Jahre sind bis zum Abschluss hier noch draufzusatteln. Das wäre anders, wenn medizinische Fachschulen in Vietnam die Pflegeausbildung ganz nach deutschen Standards anbieten würden, in Verbindung mit Sprachkursen und sonstiger Vorbereitung auf das Leben in Deutschland.
Dies will Duc-Dung Le in Zusammenarbeit mit Behörden und IHK nun in die Wege leiten. Und er will Arbeitgeber in Deutschland beraten, damit die Integration der vietnamesischen Pflegekräfte klappt. Sie hätten eine andere Mentalität, andere Bedürfnisse. Hier gelte es Verständnis zu schaffen.
Hat sie als Vietnamesin in Unterfranken Vorurteile erlebt? Linh Nguyen lächelt: "Nein, nicht weil ich aus Vietnam komme." Sondern weil sie aus Ostdeutschland zugezogen ist. Für ihre Kolleginnen im Altenheim ist sie vor allem: "Ossi".
Seit Jahren versucht die Politik, Pflegekräfte aus aller Welt nach Deutschland zu holen. 2013 wurde dafür das Programm "Triple Win" der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit aufgelegt. Allerdings geht es dabei vor allem um die Rekrutierung bereits ausgebildeter Kräfte. Seit 2019 werden auch Pflegeazubis aus Vietnam vermittelt, bislang allerdings nicht nach Mainfranken.
Triple-Win-Programm der Bundesagentur: Vor allem Pflegekräfte von den Philippinen
Wie die Bundesagentur auf Anfrage mitteilt, waren in den vergangenen Jahren im Raum Würzburg sechs Kliniken und Pflegeheime am Triple-Win-Programm beteiligt. Rund 100 Pflegekräfte habe man auf diese Weise vermitteln können, die allermeisten von ihnen von den Philippinen. So wie Farrah Mae Patena, die mit zwei weiteren Landsfrauen im Würzburger Seniorenheim St. Thekla beschäftigt ist. Vor zwei Jahren ist die 31-jährige ausgebildete Pflegerin nach Deutschland gekommen, spricht inzwischen exzellent Deutsch und hat den Schritt nach Europa nicht bereut: "Es gefällt mir, und es war nicht soooo schwer.".
Für die großen Träger von Alteneinrichtungen in Unterfranken sind die Pflegekräfte aus dem Ausland eine Chance und Herausforderung zugleich im Kampf gegen den Personalmangel. Sowohl Caritas und Arbeiterwohlfahrt (AWO) berichten von eigenen Bemühungen – doch Bürokratie, Wohnungssuche und nötige Sprachkurse verursachen auch einen hohen Aufwand für die Arbeitgeber.
AWO bei weltweiter Rekrutierung zurückhaltender als Caritas
Häufig fehle es an der Zuarbeit von Botschaften und Behörden, kritisiert Ulrike Hahn von der AWO Unterfranken. Dadurch komme es zu zeitlichen Verzögerungen von bis zu einem Jahr, sagt die Bereichsleiterin Senioren und Rehabilitation. Nicht selten seien die Deutschkenntnisse dann bis zum Beginn der Ausbildung schon wieder verflogen. Rund 50 albanische Pflegefachkräfte habe man in den letzten drei Jahren ins Land geholt. In Albanien sei die Jugendarbeitslosigkeit hoch, Pflegekräfte fänden keine Anstellung. Doch Azubis oder fertig Ausgebildete aus komplett anderen Kulturkreisen zu rekrutieren – da ist man bei der AWO zurückhaltend.
Die unterfränkische Caritas arbeitet bei der sprachlichen Ausbildung der Angeworbenen eng mit der Kolping-Akademie zusammen. Und hält auch global nach Pflegekräften Ausschau. Vier Mitarbeiterinnen aus Albanien, drei von den Philippinen konnte man zuletzt zur Anerkennung als Fachkräfte bringen. Laut Georg Sperrle, Geschäftsführer der Caritas-Einrichtungen, will man aktuell zehn neue Mitarbeitende aus Mexiko nach Unterfranken holen.
Sperrle hält die Rekrutierung internationaler Pflegekräfte für unverzichtbar: "Wir können auf den hiesigen Arbeitsmärkten schlicht niemanden mehr finden." Wegen Personalmangels könnten schon heute viele Pflegeplätze nicht mehr belegt werden. Und das Problem spitze sich weiter zu. Pflegekräfte aus dem Ausland könnten für Erleichterung sorgen, sagt der Caritas-Geschäftsführer.
Entscheidend sei neben der Integration im Heimbetrieb auch jene am Wohnort. Und ja, sagt Sperrle: "Es braucht Zeit, Geduld und intensive Begleitung durch Kollegen und Führungskräfte." Die Caritas verstehe sich bei Gewinnung, Qualifizierung und Integration selbst als Lernende. In jedem Fall seien internationale Pflegekräfte ein Gewinn für die Einrichtungen.
Wenn ich nun diesen Artikel lese, dann wird klar: alles Lügen! Lieber holt man sich billige und willige Kräfte aus dem Ausland, anstelle mal endlich die Löhne zu erhöhen und Arbeitsbedingungen zu verbessern!
Was mich nur wundert ist, dass die auch noch kommen und nicht direkt nach England wandern, wo man für dieselbe Arbeit zu deutlich besseren Bedingungen mehr Geld bekommt.
Es gibt ca. 500000 ausgebildete Pflegekräfte in Deutschland, die inzwischen berufsfremd arbeiten oder gar nicht mehr, es aber noch tun könnten. Mehr als 50% von denen wären bereit in ihren Beruf zurückzukehren, wenn Arbeitsbedingungen und Lohn besser wären.
Tja - wenn ich das da oben lese, wird es das niemals werden. Profit geht eben über alles!
Für mich wäre nur eine umfassende Reform der Weg: Keine Profitorientierten Heime., bessere Bezahlung, wer will 4 Tage Woche , früherer Renteneintritt wie bsp. bei Piloten, Soldaten etc. pp... , höhere Einnahmen durch Pflegekasse (gerne zahle ich dafür mehr ...), mehr Urlaub, Springerpools, damit frei auch frei bleibt....etc... und andere KOnzepte: Kleiner, familiärer, vor Ort... da arbeitet man auch viel lieber... (war selber in der Pflege tätig...)
Jedoch fehlen dann eben Pflegekräfte in anderen Teilen der Welt. Ich halte es darüber hinaus auch für an der Zeit, dass wir als Menschen anders mit unseren Betagten umgehen. Der Bau weiterer Seniorenheime durch Betreiber von Immobilien oder Hedgefonds sollte unterbunden werden. Pflegefabriken mit 15 % Rendite, die alljährlich hunderte Pflegekräfte aufreiben und auswürgen können nicht die Zukunft sein. Als Gesellschaft brauchen wir zukünftig neue Wege, um insbesondere die Alten zu versorgen. Ausländische Kräfte sind da nicht die Rettung. Wir sehen seit Jahren Bemühungen in diesem Sektor. Meist sind sie kläglich gescheitert. TripleWin erfindet das Rad definitiv nicht neu.