Sexismus und Rassismus, immer noch fehlende Angleichung der Gehälter sowie der große Spagat zwischen Beruf und Familie: Ist die Gleichberechtigung in der Gesellschaft wirklich angekommen? Zum Internationalen Weltfrauentag - bei manchen auch Feministischer Kampftag genannt - am 8. März haben wir fünf starke Frauen aus der Region Würzburg mit ganz unterschiedlichen Hintergründen befragt, ob sie sich gleichberechtigt fühlen, und was ihrer Ansicht nach noch dringend getan werden muss, um die Frauenrechte zu stärken.
1. Lisa Kämpf-Dirks (36) aus Würzburg, Mutter von vier Kindern und berufstätig
Was bedeutet für Sie Gleichberechtigung und fühlen Sie sich gleichberechtigt?Lisa Kämpf-Dirks: Bis ich Mutter wurde, fühlte ich mich gleichberechtigt, sowohl gesellschaftlich als auch in meiner Partnerschaft. Erst als Care-Arbeit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein Thema wurde, wurden mir viele Ungerechtigkeiten bewusst. Eltern-sein bedeutet, dass Opfer gebracht werden müssen, körperlich, mental, finanziell und beruflich, ich kenne keine Familie, bei der das gerecht aufgeteilt wurde. Da fühlt man sich auch von der Gesellschaft schon oft im Stich gelassen.
Kämpf-Dirks: Mein Mann und ich haben uns immer bemüht eine gleichberechtigte Elternschaft zu leben, jedoch wurden uns viele Glaubenssätze erst nach und nach bewusst. Diese fördern leider eine Ungleichbehandlung von Frauen. Ich finde es wahnsinnig anstrengend, mich von diesen patriarchalen Gedanken zu verabschieden und gegen Widerstand mein Recht einzufordern.
Kämpf-Dirks: Absolut! Vor allem muss ein Bewusstsein geschaffen werden für viele Diskriminierungen, die uns ganz selbstverständlich erscheinen. Besonders gefährlich finde ich dabei Argumentationen, die auf die Natur der Frau und ihrer angeblichen Freude an Aufopferung abzielen. Das muss ich leider schon bei meinen Töchtern beobachten, die, anders als mein Sohn, von vielen Seiten ganz selbstverständlich zu sozialem und altruistischem Verhalten aufgerufen werden.
Kämpf-Dirks: Ich bin wirklich gerne Mutter und ich freue mich über die engen Verbindungen zu meinen Freundinnen, Schwestern, meiner Mutter und meiner Schwiegermutter. Diese besondere Art sich zu unterstützen und Gemeinschaft zu teilen, ist etwas ganz Besonderes. Wir sollten uns das viel häufiger bewusst machen und Kolleginnen, andere Mütter und Frauen in unserem Umfeld mehr unterstützen.
2. Fatim Dao (27), Mutter eines fünf Monate alten Jungen und für das Studium nach Deutschland gekommen
Was bedeutet für Sie Gleichberechtigung und fühlen Sie sich gleichberechtig?Fatim Dao: Für mich bedeutet Gleichberechtigung, dass Frauen, egal welcher Herkunft, Religion, Hautfarbe oder sozialem Status die gleichen Rechte, Chancen und dieselbe Anerkennung bekommen, wie jede andere Person in unserer Gesellschaft. Leider fühle ich mich selbst nicht immer gleichberechtigt, denn auch heute gibt es noch strukturelle Ungleichheiten und Diskriminierung.
Dao: Als PoC-Frau (Anmerk. d. Red.: PoC kommt aus dem englischen "Person of Colour" und ist eine Selbstbezeichnung für Menschen, mit nicht weißer Hautfarbe) habe ich mit vielen persönlichen Herausforderungen zu kämpfen, darunter Rassismus und Sexismus. Ich erlebe also oft eine doppelte Diskriminierung aufgrund meines Geschlechtes und meiner ethnischen Zugehörigkeit. Als Studentin, die nach Deutschland gekommen ist, sind auch der Zugang zu Bildung, Beschäftigungsmöglichkeiten und angemessene Gesundheitsversorgung immer wieder Probleme, denen ich mich stellen muss.
Dao: Ja, definitiv. Obwohl schon viele Fortschritte erzielt wurden, gibt es noch viel zu tun – gerade um die Stellung von PoC-Frauen in unserer Gesellschaft zu verbessern. Dazu braucht es eine Veränderung gesellschaftlicher Strukturen, um Gleichberechtigung und Gerechtigkeit für alle zu ermöglichen.
Dao: Das Schöne daran eine PoC-Frau zu sein ist die Stärke, Widerstandsfähigkeit und Vielfalt, die wir mitbringen. Wir haben eine reiche kulturelle Geschichte und eine starke Gemeinschaft, die uns unterstützt und inspiriert. Trotz der Herausforderungen sind wir in der Lage unsere Stimme zu erheben und positive Veränderungen in der Welt herbeizuführen.
3. Katharina Ganz (53), Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen
Was bedeutet für Sie Gleichberechtigung und fühlen Sie sich gleichberechtigt?Katharina Ganz: In der Gesellschaft und in Unternehmen stoßen Frauen oft an eine gläserne Decke, wenn sie Führung wahrnehmen wollen. In der katholischen Kirche liegt die Letztverantwortung immer bei geweihten Männern. Hier empfinde ich den Unterschied bei den Geschlechtern besonders stark.
Ganz: Ich setze mich für Geschlechtergerechtigkeit vor allem in der katholischen Kirche ein. Denn Frauen werden aufgrund ihres Geschlechts nicht geweiht und können nicht die Sakramente spenden. Das ist ungerecht und diskriminierend.
Ganz: Noch immer verdienen Frauen weniger als Männer. Sie übernehmen oft die Hauptsorge für Kinder und zu pflegende Eltern. Deshalb leiden sie besonders im Alter häufiger unter Armut. Auch Alleinerziehende haben es sehr schwer. Und das sind meistens Frauen.
Ganz: Ich hatte es als Mädchen und Frau nicht immer leicht, bin aber durch manche Herausforderungen gewachsen und möchte heute kein anderer Mensch sein als die (Ordens-)Frau, die ich bin.
4. Sophie Rumpel (35), Transfrau, Jugendsekretärin bei der DGB-Jugend Bayern und Sprecherin für Feminismus bei den Jusos Bayern
Was bedeutet für Sie Gleichberechtigung und fühlen Sie sich gleichberechtigt?Sophie Rumpel: Gleichberechtigung bedeutet für mich mehr, als auf dem Papier dieselben Rechte zu haben. Die rechtlichen Grundlagen gibt es zum Beispiel mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Aber gesellschaftlich gesehen bin ich nicht gleichberechtigt. Da gibt es immer noch Diskriminierung. Das ist allerdings oft schwierig nachzuweisen, weil die Personen meistens nicht offen sagen, dass ich zum Beispiel für eine Stelle oder ein Amt abgelehnt wurde, weil ich eine Frau bin oder eine Transperson.
Rumpel: Als Transfrau stehst du immer ein bisschen zwischen den Stühlen. Einerseits wirst du von Männern diskriminiert, weil du eine Frau bist. Anderseits wirst du von Frauen diskriminiert, weil du eine Transfrau bist. Vor etwa zwei Jahren saß ich zum Beispiel in einem Vorstellungsgespräch. Dort wurde mir dann gesagt: "Grundsätzlich sind Sie perfekt geeignet für die Stelle, aber weil Sie eine Transfrau sind, wird das Thema 'Transgender sein' immer im Fokus stehen und nie Ihre inhaltliche Arbeit." Deshalb wurde mir abgesagt.
Rumpel: Es muss definitiv etwas getan werden. Als Gewerkschafterin denke ich erstmal an Equal Care, Equal Pay, an Quotenregelungen für diverse Gruppen. Aber auch daran, dass Frauenberufe grundsätzlich schlechter bezahlt werden. Außerdem müssen wir noch deutlicher machen, dass es Transpersonen nicht darum geht, den Platz für Frauen kleiner zu machen, sondern darum, mehr Platz für alle zu schaffen.
Rumpel: Für mich ist das Schöne, dass innerhalb von vielen Frauennetzwerken eine krasse Solidarität und Zusammenarbeit da ist. Zum Beispiel bei Missmutig (Anmerkung der Redaktion: Queerfeministische Gruppe in Würzburg) sind ganz unterschiedliche Menschen dabei, die ihre eigenen Geschichten mitbringen. Trotzdem schaffen wir es Projekte, wie die queerfeministischen Aktionstage, zu organisieren.
5. Gerda Stapf (79), ehemalige Inhaberin des Salons Friseur und Cosmetic Stapf in der Sanderau
Was bedeutet für Sie Gleichberechtigung und fühlen Sie sich gleichberechtigt?Gerda Stapf: Ja, ich fühle mich im Großen und Ganze gleichberechtigt. Ich finde, dass im Vergleich zu früher die Gleichberechtigung ein großes Stück vorangeschritten ist. Das sehe ich sehr positiv, denn in meiner Jugend beispielsweise hatten es Mädchen und Frauen noch um einiges schwerer, selbstbewusst ihren Weg zu gehen.
Stapf: Ich habe 42 Jahre lang meinen Salon Friseur und Cosmetic Stapf betrieben und habe dadurch auch viele Herausforderungen gemeistert. Ich war zum Beispiel die Erste in Bayern, die Friseur, Füße und Kosmetik in einem gemacht hat. Das war nicht leicht durchzusetzen damals. Mir fallen aber sonst keine Situationen ein, in denen ich mich als Frau angefeindet gefühlt hätte. Sicher, Neider hat es immer gegeben, aber darauf muss man nicht eingehen. Ich habe mein Ding gemacht. Ich bin ein zufriedener Mensch, was die anderen so machen und denken, das hat mich nicht so sehr interessiert.
Stapf: Die Bezahlung von Frauen in höheren Positionen ist oftmals noch nicht angeglichen. Das sollte sich auf jeden Fall ändern. Auch die Doppelbelastung, die Frauen oft haben, Beruf und Kinder in Einklang zu bringen, sollte mehr gewürdigt werden. Die Männer machen zwar viel mehr als früher im Haushalt und der Kindererziehung, angeglichen ist es meiner Meinung nach trotzdem noch nicht.
Stapf: Ich erlebe Frauen oft als offener und flexibler als Männer. Es ist aber auch schön, dass man als Frau so viele Möglichkeiten hat, sich schön zu kleiden, schöne Frisuren zu machen, ja, sich einfach herzurichten. Das mache ich heute genauso gerne wie früher. Frau kann Frau sein - das genieße ich.
Es ist aber auch richtig, dass Frauen oftmals ihre Männer in "Stich" lassen oder bei Kinderrziehung ihren Mann nichts reinreden lassen. Es gibt wie überall 2 Seiten der Medailien.
Woher kommt eigentlich der Frauentag heute am 8.3.? Etwa von Amerika, wie der Muttertag?
Dann möchten wir Männer auch einen Männertag nicht nur am VaterTag!
Doch grundsätzlich stimmt m. E. nichts gegen einen Männertag - außer, dass das dann einer national und weiter organisieren sollte, damit der „gelebt“ wird, also nicht überwiegend nur „begossen, wie der Vatertag.
Natürlich wäre das gerecht, ist der Anspruch verständlich, äähhh …welcher bzw. wofür genau soll der
stehen?
Doch wie gesagt, legen Sie los, das dauert, bis sich sowas etabliert hat.
Ernsthaft, viel Erfolg bei eine gute und hilfreiche Idee.
Ich möchte anmerken, dass ich mir hier mehr Vielfalt, nicht nur bei Frauen, auch Fragen, gewünscht hätte. Natürlich möchte und kann (!) sich nicht jede Frau vor allem arbeitsplatzbezogen überhaupt 100% öffentliche Ehrlichkeit leisten. Das ist der Nachteil des Anspruchs mit Bild/Klarnamen usw., Übrigens auch in den Kommentaren. Wer riskiert da zu bestimmten polit. Gruppierungen wirklich Kritik, wenn er Angst vor Diffamierungen und/oder Gewalt haben muss? Doch würden hier die wenigsten z.B. sagen, sie haben den Job nicht bekommen, weil sie eine Frau mit Kind sind, denn im Klartext: die fehlt jedesmal, wenn der Sprössling in der Kita hustet! Und wenn’s um mittl. Führungspositionen geht, die kein Gehalt, das eine Tagesmutter erlaubt beinhaltet, wird’s eng!
Ich bin keine Freundin von Quoten, trotzdem müssen verbindliche Rahmenbedingungen her, die Männer diesbzgl! verpflichten. „Freiheit“ hin wie her. Liebe Männer, ja ich weiß, viele tun das schon. Nur nicht genug.
Sagen Sie das einmal den vielen Tausenden Vätern in diesem Land, die jahrelang und gegen den Widerstand von institutionellen Ideologien, Vorurteilen und Rollenstereotypen darum „kämpfen“ müssen, ihre Kinder überhaupt „sehen“ zu können!
Wenn eine Mutter den Vater ausgrenzt, schafft es diese Gesellschaft nicht einmal, die „Mindeststandards“ der Gleichberechtigung und des Art. 6 GG durchzusetzen.
Dieses ständige sich selbst nähernde Narrativ eines allgegenwärtigen frauenbenachteiligenden Patriarchats, das hier permanent medial gepflegt werd, hält der Lebenswirklichkeit nicht im geringsten stand!
Das veraltete System hat nicht der einzelne Mann versiebt, trotzdem diskriminierend. Dazu gehört/e natürlich noch, Frauenaufstieg nach oben zu verhindern. Dann kann die Herrenrunde allein entscheiden.
Sagt eine Frau, die sich bis oben durchgekämpft hat gegen machtgeile Mobber, die 50% der Arbeitszeit mit Eigen-PR und Netzwerken verbracht haben! Ich war oft die einzige Frau, falls keine Sekretärin dabei war, in Konferenzen. Das ist heute besser, aber nicht ausgewogen.
In meinen Verantwortungsbereichen habe ich Wert auf eine gute Mischung gelegt, Männlein&Weiblein, alt&jung, intern&extern rekrutiert. Nur so erreicht man dauerhaft! Erfolg!
Interessante Frage. Die Antwort ist vielschichtig:
a) Weil immer noch gilt "Das Kind gehört zur Mutter".
b) Weil Väter jahrzehntelang nicht einmal das "Sorgerecht" bekamen, wenn die Mutter dies - anlasslos - nicht wollte.
c) Weil mit Konflikten überforderte und gleichgültige Institutionen seit Jahrzehnten immer noch nach dem Motto "guter Elternteil - böser Elternteil" diese Konflikte verschärfen anstatt sie zu lösen und natürlich immer noch a) gilt.
So ist es möglich, dass selbst "Hausmänner", die ihren Beruf aufgegeben haben, komplett ausgegrenzt werden - während die "Alleinerziehende" bspw. "nebenbei" als Fachanwältin o.ä. arbeitet - und keiner hinterfragt was da läuft.
Egal wo, doch die Scheidungsreform, nach der viele Frauen dann, wenn sogar 2 Kids in die Schule kommen, zwar ungern eingestellt werden, aber keinen Unterhalt bekommen. Sozialhilfe, nicht so der Brüller. Und die Minijobs führen nicht zu einigermaßen vernünftiger Rente. Ich habe nie verstanden, warum Frauen sich darauf eingelassen. Übrigens habe ich einige Phasen des Dilemmas bei der Scheidung meiner Eltern miterlebt und meine alte Mutter lange "gesponsert", weil sie nach altem Scheidungsrecht damals freiwillig stolz auf Zugewinn verzichtete.
Und natürlich schlafmützige Bürokratie. Nur - äähh - wer sitzt da eigentlich bzgw. zumindest federführend und hielt das alles für unsinnig oder nicht nötig? Vielfach die Herren, oder?
Es gibt heute noch Frauen, denen der Ehemann sagt, was gewählt wird. Also: Frauentag bleibt, ok?
Männer können zwar eine Welt erobern, aber mit Hilfe der Frauen können sie diese für immer beherrschen. Er ließ offen, welche Charaktereigenschaften der Frauen dieses Machtgefüge bewerkstelligen können. Während die biblische Judith als Amazone auftrat, praktizierte die Mutter Teresa in Kalkutta die christliche Nächstenliebe.
Beide Frauen leisteten für ihren Glauben wertvolle Dienste. Ob Kriegerin oder Samariterin, Frauen vollbringen Großes, und manche Frauen haben mehr Kraft als mancher "lasche Typ".
Mittlerweilen geht die Emanzipation jedoch Wege,. Wege, welche einen auch beunruhigen können: "Immer mehr Frauen trinken so viel." So lautete ein Artikel in der Main-Post vom 24.02.2024.
Die Frauen halten also in allen Lebenslagen mit. Deshalb sollten sie auch als gleichgestellt und -berechtigt behandelt werden.