Sie betritt die Bühne. Selbstbewusst mit einem Lächeln. Ihr fliederfarbener Eyeliner glänzt im Scheinwerferlicht – wie üblich passend zum Outfit aufgetragen. Vor ein paar Stunden war sie noch in Brüssel zu Besuch im EU-Parlament, eine Zugfahrt später steht sie nun auf der kleinen Bühne im Cairo - anlässlich der "Würzburger Woche gegen Rassismus" die vor Kurzem stattgefunden hat. Alle Augen auf sie gerichtet. Ein kurzes Durchatmen. Sie beginnt mit den Worten "Deine Haut ist dreckig".
Äußerungen wie diese hat Kantom Azad schon des Öfteren zu hören bekommen, wie sie in einem Gespräch mit der Redaktion erzählt. Das erste Mal von einem sechsjährigen Mädchen in einer Ballettstunde, weil es nicht ihre braune Hand halten wollte. Ein zweites Mal in der Grundschule. Ein drittes Mal habe das ein etwa 50-jähriger Mann gesagt, der ihr im Bus gegenübersaß und sie als "eine unterprivilegierte Frau aus der Dritten Welt" beleidigte. "Rassismus in Deutschland. Das gibt's doch so selten. Das habe ich auch mal gedacht", fährt sie fort. Ihre Stimme bebt.
Das Problem mit der Frage "Wo kommst du denn her?"
Kantom Azad ist 23 Jahre alt. Sie wohnt in Würzburg und studiert Medienkommunikation. Seit Beginn der Corona-Pandemie betreibt sie nebenbei Aktivismus auf Instagram – sie ist unter dem Namen "itskantom" zu finden. Manche Studierende kennen sie auch durch den Instagram-Account der Universität Würzburg, für welchen sie ebenfalls Beiträge zu diversen Themen erstellt.
Ihre Eltern kommen aus Bangladesch, sie selbst wurde in Deutschland geboren, ist hier aufgewachsen und ist somit Deutsche. Dennoch wird die Studentin im Alltag öfter mit der Frage "Woher kommst du?" konfrontiert. Warum das schon zu Alltagsrassismus zählt und wie sie sich selbst zum ersten Mal mit dem Thema Rassismus auseinandergesetzt hat, teilt sie ganz offen mit ihren Followerinnen und Followern in den sozialen Medien.
Etwas Aktivismus, etwas Unterhaltung, etwas Kunst und ganz viel Liebe
Ihre Foto- und Video-Posts nimmt Azad in ihrem WG-Zimmer auf. Im Hintergrund hängen selbstgemalte Bilder, Fotos und eine Auswahl ihrer selbstgeschriebenen Gedichte an den Wänden. Auch in der Küche werden regelmäßig Videos zu veganen Rezeptideen abgefilmt. Ihre Accountinhalte bestehen aus einem "Misch-Masch aus verschiedenen Dingen. Etwas Aktivismus, etwas Unterhaltung, etwas Kunst und ganz viel Liebe", wie sie selbst beschreibt. Quasi ein persönlicher Blog, auf dem sie ihr alltägliches Leben teilt.
"Vor Kurzem hatte ich sogar die Möglichkeit, als Influencerin nach Brüssel zu fahren, um der EU-Kommission im Parlament meine Fragen zu verschiedenen Themen rund um den Klimawandel oder Nachhaltigkeit zu stellen", erzählt sie.
Kantom Azad zeigt sich kreativ, offen und authentisch. Neben Poetry Slam, veganen Ersatzprodukten und Secondhandeinkäufen spricht sie auch wichtige Themen an – etwa Rassismus im Alltag. Gerade das Buch "Excit Racism" der Autorin Tupoka Ogette, in welchem Entstehung, Strukturen und Wirkungsweisen von Rassismus in Deutschland erklärt werden, schärfte ihren Blick dafür – besonders das Bewusstsein für Sensibilisierung wurde erweitert. Seitdem teilt sie nun auch ihre eigenen Erfahrungen mit der Öffentlichkeit.
Wenn man sich fremd im eigenen Heimatland fühlt
"Woher kommst du?" – Auch Azad ist lange der Meinung gewesen, dass das keine schlimme Frage wäre. "Für mich persönlich war das anfangs eine offensichtliche Interessensfrage. Sie wird mir oft genug im Alltag gestellt." Nachdem sie sich jedoch mehr mit dem Thema auseinandergesetzt und auch mit BIPoC-Freundinnen und Freunden (Anmerkung der Redaktion: Black, Indigenious and People of Color; ist eine positiv besetzte, politische Selbstbezeichnung rassistisch diskriminierter Personen) über ihre Erfahrungen gesprochen habe, wurde sie selbst sensibler. "Erst dann habe ich wirklich realisiert, dass die Frage nicht darauf abzielt, aus welcher Stadt ich in Deutschland komme, sondern darauf, wie meine Hautfarbe zustande kam", erzählt sie.
Auch auf Instagram sei sie schon mit Nachrichten wie "Hey Kantom, bist du Inderin?", "Du sprichst aber gut deutsch!" oder "Du siehst gar nicht deutsch aus" konfrontiert worden. Einmal sei ihr auch unterstellt worden, sie würde sich für ihre vermeintliche Herkunft schämen.
Früher habe sie immer mit "Bangladesch" geantwortet – mit der Herkunft ihrer Eltern –, weil sie schon vermutet hat, dass die Person gegenüber das hören wollte. "Ich hatte beinahe schon eine Identitätskrise. Denn in Bangladesch bin ich Deutsche, hier Bengalin. Ich fühlte mich somit fremd in meinem eigenen Heimatland. Aber ich persönlich sehe und fühle mich als Deutsche."
Durch das öffentliche Teilen der verschiedenen Vorfälle und ihren Gedanken dazu kam ein lebhafter Austausch mit ihrer Instagram-Community zustande. Sofort meldeten sich einige, die ähnliche oder sogar noch schlimmere Erfahrungen gemacht haben – unter anderem Polizeigewalt. Da ist Azad klar geworden, was das eigentlich für ein Problem ist und wie wichtig es deshalb sei, auf Rassismus im Alltag aufmerksam zu machen.
Sollte man also in Zukunft bei Konversationen das Herkunftsthema komplett weglassen?
An sich sei es absolut okay jemanden mal zu fragen, woher man kommt. "Aber nicht als Konversationsstarter", wie die Influencerin anmerkt. Was aber nicht okay sei: Die Antwort der Person nicht zu akzeptieren – dazu zählen Aussagen wie "Echt aus Deutschland? Du siehst aber nicht deutsch aus!" oder "Schämst du dich für deine Herkunft?". Sie gibt den Tipp, die Fragen bedacht und zu einem richtigen Zeitpunkt zu stellen. Am besten wäre es, sie zu umschreiben – beispielsweise mit "Welche Sprachen sprichst du noch so?"
"Und ich dachte anfangs wirklich, diese Vorfälle haben mich nicht geprägt. Dabei bin ich noch privilegiert, denn ich rede einwandfrei deutsch", sagt Kantom Azad. Anlässlich der "Würzburger Woche gegen Rassismus" teilte sie ihre eigenen Erfahrungen, Gedanken und Gefühle – sowie Geschichten ihrer Freundinnen und Freunde – in einem ganz persönlichen Text, den sie in Form eines Poetry Slams vortrug.
Sie ermutigt, sich mit dem Thema Rassismus auseinanderzusetzen, zuzuhören und unterschiedliche Perspektiven einzunehmen. Ihre Stimme wird lauter: "Jetzt erst realisiere ich, was all die Erfahrungen mit mir machen. Jetzt erst realisiere ich, dass ich vielleicht ein paar mehr Bewerbungen absenden sollte. Jetzt erst realisiere ich, dass ich meinen E-Mails immer ein lächelndes Bild von mir beigefügt habe, um von meinem muslimischen Namen abzulenken. Jetzt erst realisiere ich, dass ich in dieser Gesellschaft andere Privilegien habe. Aber ich realisiere auch, dass ich genau deshalb laut werde."
Noch sind sie keine Minderheit, aber das lässt sich kaum noch aufhalten.
In ein paar Generationen ist es vermutlich so, dass es kaum noch irgendwo Unterschiede gibt.
Dann gibt es keinen Streit mehr - aber ob die Welt dann "bunter" ist.....?
Es ist der Urtrieb am Zufügen von Pein, der manchen Menschen innewohnt. Dieser ist das Problem und macht weder halt vor Sommersprossen, dunkler Hautfarbe oder dicken Brillen. Das ist die Ursache, nicht das künstliche Konstrukt "Rassismus"!