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Unterpleichfeld
Wassermangel und Kostendruck: Warum  Landwirt Sauer in der Bergtheimer Mulde statt Himbeeren jetzt Pfingstrosen pflanzt
Jahrzehntelang baute die Familie Kohl und Spargel an. Jetzt ist der Unterpleichfelder Sebastian Sauer riesiger Pfingstrosen-Produzent. Wieso er nichts anderes mehr macht.
Sebastian Sauer vom Holzäckerhof in Unterpleichfeld im Landkreis Würzburg baut in großen Folientunneln Pfingstrosen an. 
Foto: Thomas Obermeier | Sebastian Sauer vom Holzäckerhof in Unterpleichfeld im Landkreis Würzburg baut in großen Folientunneln Pfingstrosen an. 
Henrik Rampe
Henrik Rampe
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:36 Uhr

Wenn er so weitergemacht hätte wie sein Großvater, dann würde Sebastian Sauer jetzt in der Bergheimer Mulde auf einem Kohlfeld stehen. Aber Sauer steht unter einer Zeltplane zwischen Pfingstrosen, manche bonbonrosa, andere zinnoberrot oder cremeweiß. Der zweite Sonntag im Mai ist für den Landwirt aus Unterpleichfeld im Landkreis Würzburg ein besonderer Tag geworden: Muttertag. Der umsatzstärkste Tag des Jahres, wie er sagt.  

Hätte er einfach weitergemacht wie sein Großvater, sagt Sauer, dann wäre er jetzt wohl pleite. Kohl- und Spargelanbau seien für den Familienbetrieb in der Bergtheimer Mulde bereits zur Jahrtausendwende unrentabel gewesen. Deshalb hätten sie damals das "Beeren-Zeitalter" eingeläutet: Himbeeren und Heidelbeeren auf einer Fläche von 30 Hektar. Anfang der 2000er Jahre wurde die Ackerfläche dann schrittweise von Pfingstrosen belegt. 

"Da hängt viel Herzblut daran, die Entscheidung stellt alles auf den Kopf."
Landwirt Sebastian Sauer aus Unterpleichfeld über seine Umstellung auf Pfingstrosen

Und jetzt? Eine neue Kultur anpflanzen, von Beeren auf Pfingstrosen wechseln – da verändere sich ein komplettes Geschäftsmodell, sagt Sauer: "Da hängt viel Herzblut daran, die Entscheidung stellt alles auf den Kopf." Er habe trotzdem keine Alternative gesehen. 2022 hat der Betrieb die letzte Beere geerntet. Sauer hat die 200.000 Euro teure Verpackungsmaschine für die Beeren verkauft und auf Ebay eine Kleinanzeige für die Bewässerungsschläuche gestellt.

Landwirt Sauer: Mit Pfingstrosen den Wasserbedarf deutlich reduziert

Der Unterpleichfelder passte seinen Betrieb an – aus wirtschaftlichen Gründen und Wasser-Spar-Zwängen, wie er sagt. Auf der gleichen Anbaufläche verbrauche er mit den Pfingstrosen nur noch halb so viel Wasser wie mit den Beeren. Mit jährlich sieben bis acht Liter Wasser pro Pfingstrose komme der Betrieb gut hin, sagt Sauer. 

Laut Claudia Teager, Leiterin der Abteilung Gartenbau beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten  Kitzingen-Würzburg, bewegt sich der Wasserbedarf der Pfingstrosen in einer Liga mit einer jungen Weinbau- oder Apfelbaum-Anlage - und damit im unteren Bereich der bewässerten Sonderkulturen. "Ohne gezielte Bewässerung ist der professionelle Anbau von Schnittblumen  allerdings nicht möglich", sagt Taeger.

Gartenbau-Expertin Taeger: Professioneller Anbau braucht gezielte Bewässerung und Tunnel 

Die Ansprüche von Kunden und Zwischenhändlern seien hoch, im heimischen Wohnzimmer würden nur Blumen mit geraden Stielen, einwandfreier Blattgesundheit und prächtigen Blüten landen. Dafür sei zusätzliches Wasser unerlässlich. Auch der Anbau im Tunnel sei nötig, um die Pfingstrosen etwa vor Starkregen, Frost und Nebel zu schützen, sagt die Gartenbau-Expertin. 

Anzeige für den Anbieter Genially über den Consent-Anbieter verweigert

Pfingstrosen brächten Vorteile für das Ökosystem, sagt Taeger: Nach der Ernte beschatten die Pflanzen den Ackerboden. Es bilde sich eine "Schattengare", die für die Bodenaktivität wichtig ist und dazu führt, dass der Boden mehr Wasser aufnehmen kann. 

Bergtheimer Mulde: Der Boden ist fruchtbar, der Grundwasserspiegel sinkt 

Und um das kostenlose und knappe Gut Wasser konkurrieren im nördlichen Landkreis Würzburg viele Landwirte. Auf den sehr fruchtbaren, aber trockenen  Lösslehmböden rund um Bergtheim wird vorzugsweise Gemüse angebaut, das zumeist zusätzlich bewässert werden muss.

Doch der Grundwasserspiegel sinkt seit Jahren. 2020 ist den Landwirten in der Bergtheimer Mulde gestattet worden, auf einer etwa 1000 Hektar großen Fläche 550.000 Kubikmeter Wasser zu entnehmen – noch. Die Idee und der Wunsch vieler Landwirte: Statt Grundwasser wollen sie zukünftig 1,4 Millionen Kubikmeter Mainwasser auf ihre Felder leiten.

Schnittblumen aus Unterfranken: ein Nischenprodukt

Sauer geht einen anderen Weg. Als bekannt wurde, dass in der Bergtheimer Mulde ein Landwirt im Hitzesommer 2022 eine Wasseruhr manipuliert haben soll, trat er zusammen mit anderen Landwirten aus dem regionalen Bewässerungsverband aus.

Jetzt setzt Sauer ganz auf die Päonien, die Pfingstrosen. In Unterfranken ein Nischenprodukt: Laut dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kitzingen-Würzburg werden in der Region auf einer Fläche von etwa 85 Hektar Zierpflanzen angebaut, ein Trend zu mehr lässt sich nicht ausmachen. 

Sauers Betrieb hat neun Festangestellte und etwa 50 Saisonarbeitskräfte. Um die Blumen vor dem Muttertag ernten zu können, beheizt der Landwirt Folientunnel mit Abwärme aus der eigenen Biogasanlage. Bis zu zwei Wochen früher könne so das Saisongeschäft beginnen, sagt Sauer. Von Ende April bis Anfang August sind die Blumen erhältlich.

Verkauft wird über den Onlineshop. Für ein Bund, fünf Pfingstrosen, zahlen Selbstabholer rund zehn Euro. Größere Stückzahlen werden auch per Post verschickt. Der Großteil von Sauers Ernte geht allerdings an Floristen und Großhändler. Etwa 25 Prozent seiner Geschäftspartner habe er in den Niederlanden, sagt der Unterpleichfelder. Welchen Weg die unterfränkischen Pfingstrosen von dort aus nehmen, liege nicht mehr in seiner Hand.

Gläserne Pfingstrosen: Bewässerung wird über das Smartphone geregelt

Denn dass er mit unterfränkischem Brunnenwasser Pfingstrosen für Abu Dhabi züchten würde? Sauer hat die Kritik oft gehört. Es sei eine Dauerkultur, erklärt er, tröpfchenweise bewässert, gedüngt mit Reststoffen aus der Biogasanlage. Alle würden vom Wassersparen reden – er setze das mit seinen Pfingstrosen um.

Die Pflanzen in Sauers Betrieb obrauchen nicht viel Wasser und werden über unterirdische Bewässerungsschläuche versorgt.
Foto: Thomas Obermeier | Die Pflanzen in Sauers Betrieb obrauchen nicht viel Wasser und werden über unterirdische Bewässerungsschläuche versorgt.

Sauer überwacht seine Pfingstrosen digital – und bewässert knapp zwei Monate lang. Für jede Reihe Pfingstrosen gibt es einen digitalen Regler, mit dem der Landwirt die Tröpfchenbewässerung rund 30 Zentimeter unter der Erde aktivieren kann. Tun die elektromagnetischen Ventile nicht, was sie sollen, bekommt er eine Push-Nachricht aufs Smartphone. Und Sensoren im Boden melden, wenn eine Bewässerung nötig ist.

Im Juli und August, an den heißesten Tagen, an denen landwirtschaftliche Entnahmen die öffentliche Trinkwasserversorgung gefährdeten, seien die allermeisten Pfingstrosen bereits geerntet, sagt Sauer. Für ihn selbst hört die Arbeit dann nicht auf. In der kühlen Jahreszeit baut er die Folientunnel zurück, entfernt Beikräuter - und pflanzt neue Pfingstrosen.

 
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    Ich freu mich schon drauf, wenn in der Bergtheimer Mulde endlich wieder straffrei Cannabis angebaut werden darf.
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  • G. W.
    Diese Pflanze würde vermutlich auch ziemlich ohne Bewässerung auskommen .
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    Auf jeden Fall braucht sie kaum Pflanzenschutzmittel. Und - man kann alles, aber auch wirklich alles was diese Pflanze liefert verwerten.
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  • A. K.
    Ich bin absolut der Meinung, dass zur Produktion von Schnittblumen KEIN Grundwasser verwendet werden dürfte. Dass sollte, wenn überhaupt der Produktion von Lebensmitteln vorbehalten bleiben.
    Heutzutage ist es doch sicherlich möglich, zu errechnen, welche Menge aus den jährlichen Niederschlägen in einem Gebiet, dem Grundwasser zugeführt wird. Diese Menge könnte dass das Maß für die Entnahme im folgenden Jahr sein. Technisch überwacht durch digitale Messgeräten an den Grudwasserbrunnen.
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  • A. F.
    Bis Regenwasser im Grundwasser ankommt kann es locker mal 20 Jahre dauern. Die Brunnen sind ab 20 teilweise bis 70m tief.
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  • A. K.
    Irgend eine Referenzmenge muss müsste man annehmen.
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  • M. G.
    Die Brunnen sind bis 120 m tief, ich verstehe nicht, warum diese Landwirte ihr Grundwasser umsonst bekommen, jeder Verbraucher muss sein Wasser teuer bezahlen, es muss ein Betrag fest gelegt werden zum Beispiel 2,00 € je Kubikmeter, dann drehen Sie den Hahn gleich zu und bewässern nur gezielt.
    Aber das Wasserwirtsschaftsamt schaut ja zu
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  • H. S.
    Aber für die WC Spülung ist das Okay?
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  • E. H.
    Als normaler Verbraucher verstehe ich nur folgendes

    Mit regionaler Lebensmittel-Versorgung hat dieser Betrieb nicht viel zu tun.
    Es wird trotz allem Wasser gebraucht
    Es wird in Unmengen Plastikmüll vor Ort produziert
    Die Rosen gehen bis ins angrenzende Ausland

    Und dafür muss unser Trinkwasser herhalten ?
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  • G. R.
    Grundwasser!!
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  • D. E.
    "Es wird trotz allem Wasser gebraucht"
    Mit Pfingstrosen den Wasserbedarf deutlich reduziert (Auf der gleichen Anbaufläche verbrauche er mit den Pfingstrosen nur noch halb so viel Wasser wie mit den Beeren.). Ein Landwirt mit nur 30 Hektar ohne Sonderkulturen und Bewässerung ist nicht überlebensfähig und Pleite. Wie sieht ihre Alternative aus? Zurück zu den Beeren?

    "Es wird in Unmengen Plastikmüll vor Ort produziert"
    Auch wenn die Rosen woanders angebaut wird, müssen diese verpackt werden. Verpackung erfolgt vor Ort und muss nicht erst woanders hintransportiert werden

    "Die Rosen gehen bis ins angrenzende Ausland"
    Nicht der Transport von Pfingstrosen zum Muttertag ist das Problem, sondern die täglichen überregionalen Transporte von "normalen" Lebensmitteln oder deren Weg zu den Verpackungsstätten.

    Haben Sie ein Konzept oder wenigstens eine Idee für einen Landwirt mit 30 Hektar (und nicht an einem Stück), der dann vielleicht auch noch mehrere Leute beschäftigt?
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  • A. F.
    Plastikmüll.
    Schaut euch mal die Flächen an wo vorher die Beeren standen. Die würden gepflügt, was da an Folien auf der Fläche liegt oder vergraben wurde, eine SCHANDE
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  • H. S.
    Haben sie schon mal in Ägyten gesehen , wie unsere geliebten neuen Spargelkartoffel wachsen?
    Wir haben gerätselt, ob die aus-im-unter-durch-mit Plastik wachsen.
    Laien konnten sich nicht vorstellen, dass da was rauskommt.
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    Lebensmittel hat er vorher angebaut, dafür braucht er aber noch viel mehr Wasser. Das will die Bevölkerung auch nicht... Von irgendwas muss auch er leben.
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  • A. F.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • N. K.
    Kann man halt leider nicht essen.
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  • P. T.
    Wird dennoch konsumiert!
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