
Wenn ein Paar ein Pflegekind aufnehmen will, wird es zunächst durch das Jugendamt, speziell durch den Pflegekinderdienst, geprüft. Wenn alles geschafft ist, kann es plötzlich ganz schnell gehen und ein Kind findet ein neues Zuhause. Petra Fleischmann, Julia Albrecht und Nina Büttner vom Pflegekinderdienst des Würzburger Landratsamtes erklären, welche Voraussetzungen Pflegeltern erfüllen müssen und wie sie bei dieser herausfordernden Aufgabe unterstützt werden.
Warum werden Kinder überhaupt aus ihren leiblichen Familien herausgenommen?
"Nicht alle Kinder haben das Glück, behütet in ihren Familien aufwachsen zu können", sagt Petra Fleischmann. Schicksalsschläge, finanzielle, gesundheitliche oder psychische Probleme könnten dazu führen, dass Eltern überfordert seien. Wenn andere Unterstützungsangebote nicht ausreichen, könne es nötig werden, ein Kind für eine gewisse Zeit oder auch langfristig in einer Pflegefamilie unterzubringen.
Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um sich als Pflegeltern bewerben zu können?
Laut Fleischmann sind pädagogisches Geschick und eine wohlwollende Erziehungshaltung den besonderen Bedürfnissen des Kindes gegenüber wichtig. Dazu gehöre auch, die leiblichen Eltern des Kindes zu akzeptieren. Zudem sollten angehende Pflegeeltern gesund sein, eine stabile Beziehung führen - auch gleichgeschlechtliche Paare können Pflegekinder aufnehmen-, ein geregeltes Einkommen haben und über ausreichend Wohnraum verfügen. Die Pflegeeltern müssten außerdem bereit sein, mit dem Jugendamt zusammenzuarbeiten sowie an Fortbildungen oder an Supervision teilzunehmen.
Gibt es Schulungen oder Seminare, die Pflegeeltern vorab belegen können oder müssen?
Über den bundesweiten Verband "Pfad für Kinder" wird in Neustadt an der Aisch (Mittelfranken) ein dreitägiges Vorbereitungsseminar angeboten. Interessierte Familien können auch mit ihren leiblichen Kindern anreisen und erhalten vor Ort eine Einführung in die Aufgaben als Pflegeeltern. Zudem können sie sich dabei intensiv mit der Thematik auseinandersetzen und sich mit anderen Familien in einer ähnlichen Situation austauschen. Die Teilnahme ist verpflichtend, die Kosten werden vom Jugendamt übernommen, sagt Julia Albrecht.
Haben die Kinder weiterhin Kontakt zu ihren leiblichen Eltern?
Sowohl die Eltern als auch die Kinder haben ein Recht auf gemeinsame Umgangskontakte. Auch wenn ein Kind nicht mehr bei seinen Eltern leben könne, seien bereits prägende Momente miteinander geteilt worden, sagt Nina Büttner. "Man kann ein Kind aus der Familie nehmen, aber nicht die Familie aus dem Kind", sagt sie. Besonders in der Phase der Identitätsbildung seien die leiblichen Eltern Bestandteil der Biographiearbeit.
Wie sieht solch ein Besuchskontakt aus?
Die Kontakte verlaufen unterschiedlich und können jederzeit den individuellen Anforderungen angepasst werden, berichten die Expertinnen. Zu Beginn würden die Besuche in der Regel durch den Pflegekinderdienst begleitet, bei besonderen Schwierigkeiten sei auch eine Anleitung durch andere Institutionen der Jugendhilfe möglich. Je nach Verlauf und Kooperation der Beteiligten könnten sich Pflegeeltern und leibliche Eltern später auch unbegleitet treffen. Zeitlich variieren die Kontakte von einer Stunde im Monat bis hin zu Übernachtungen und Wochenendbesuchen. Im Mittelpunkt der Planung stünden immer das Wohl und die Bedürfnisse des Kindes.
Steht immer eine Rückführung des Kindes in die leibliche Familie im Fokus oder wachsen die meisten Pflegekinder in ihren "neuen Familien" auf?
Die Perspektive, wo das Kind in nächster Zukunft seinen Lebensmittelpunkt haben wird, sollte innerhalb eines vertretbaren Zeitraumes geklärt werden, so Fleischmann. "Der Fokus liegt hierbei immer auf dem Wohl des Kindes." In strittigen Fällen werde der Aufenthaltsort über das Familiengericht geregelt. Oft würden Kinder aber in der Vollzeitpflege aufwachsen. Diese kann bis zum 18. Lebensjahr, in begründeten Fällen auch bis zum 21. Lebensjahr, bewilligt werden.
Welche weiteren Herausforderungen gibt es für die Pflegeeltern?
Pflegekinder müssen aus unterschiedlichen Gründen ihre Herkunftsfamilien verlassen. Diese Kinder haben in der Regel Erfahrungen gemacht, die sich vielfältig auswirken können. "Oftmals ist die Entwicklung der Kinder verzögert, sie können nur schwer verlässliche Bindungen eingehen und/oder haben Traumata erlebt", so Julia Albrecht. Auch eine Suchtproblematik, beispielsweise Alkoholkonsum der Mutter in der Schwangerschaft, könne erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung und das Verhalten des Kindes haben. "Pflegeeltern müssen bereit sein, sich auf das Kind einzustellen und es da abzuholen, wo es gerade in seiner Entwicklung steht", erklärt Albrecht. Es bedürfe Geduld, Einfühlungsvermögen und Akzeptanz.
Wie alt sind in der Regel Kinder, die in Pflegefamilien vermittelt werden, und gibt es auch Babys, die in "neue Familien" kommen?
Auch Babys werden in Pflegefamilien vermittelt, meist sind die Kinder bis zu sieben Jahre alt. Ältere Kinder sind eher eine Ausnahme.
Bekommen Pflegeeltern finanzielle Unterstützung vom Staat?
Über die Familienkasse kann Kindergeld beantragt werden. Pflegeeltern dürfen für das Pflegekind auch Elternzeit beantragen, Elterngeld wird jedoch nicht ausbezahlt. Für die Dauer des Pflegeverhältnisses wird zudem ein monatliches Pflegegeld ausgezahlt. Des Weiteren werden Zusatzleistungen wie die Kinder-Erstausstattung mit Möbeln und Kleidung finanziert. Auch die Kosten für Kindertagesstätte und Kindergarten werden übernommen.
Kann eine Pflegefamilie auch minderjährige ukrainische Flüchtlingskinder aufnehmen?
Wie Petra Fleischmann erklärt, sind für Flüchtlingskinder Familien geeignet, die sich bewusst sind, dass die Mädchen und Jungen aus einem Kriegsgebiet kommen, die Eltern(-teile) vielleicht noch nachkommen, oder die Kinder wieder zurückholen, sollte der Krieg vorbei sein. Aktuell sind diese Kinder im Würzburger Landkreis in Gastfamilien untergebracht, die über das Jugendamt beraten werden. Sollte ein Kind eine Pflegefamilie im klassischen Sinne benötigen, könne eine Vollzeitpflege eingeleitet werden.
Bei Interesse und Fragen: Amt für Jugend und Familie - Soziale Dienste, Zeppelinstraße 15,
97074 Würzburg, Telefon: (0931) 8003-5700.