"Wir beschäftigen uns heute mit den Adjektiven", so Lehrerin Diana Kunke auf die Frage, was aktuell auf dem Lehrplan steht. Adjektive, die Gefühls- und Lebenslagen beschreiben wie "Ich bin müde", oder "Ich bin verliebt". Worte aus einem normalen Leben. Doch das Leben der Schülerinnen und Schüler in dieser besonderen Klasse der Frieden-Mittelschule in der Schweinfurter Ludwigstraße ist nicht mehr normal, denn sie mussten, teils unter dramatischen Umständen, aus ihrer Heimat, der Ukraine, fliehen.
Damit das Leben der 17 Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 16 Jahren wieder Fahrt aufnimmt in Richtung Normalität, werden auch an den Schweinfurter Schulen Willkommensgruppen eingerichtet. Die erste hat Mitte März ihre Arbeit an der Frieden-Mittelschule aufgenommen, in der bis zu den Osterferien noch alle Kinder jenseits des Grundschulalters betreut werden.
Nach den Osterferien, so der Plan, werden an der Frieden-Mittelschule dann nur noch die Kinder der Geburtsjahrgänge 2010 bis 2012 unterrichtet. 2008/2009 Geborene kommen an die Walther-Rathenau-Realschule, die Jahrgänge 2006 und 2007 ans Humboldt-Gymnasium. Alle Älteren finden am Bayernkolleg eine vorläufige schulische Heimat.
Nach drei Wochen können sich die Kinder, betreut von ihrer russisch sprechenden Lehrerin, schon auf Deutsch vorstellen und erzählen, wie alt sie sind und woher sie kommen. Einige, wie Varja und Igor, hatten in Kiew Deutsch als zweite Fremdsprache. Die kleine Vorstellungsrunde zeigt, dass die Mädchen und Jungen aus den unterschiedlichsten ukrainischen Landesteilen kommen. Es ist eine bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft, die inzwischen zu einer echten Klasse zusammengewachsen sei, berichtet Lehrerin Diana Kunke.
Wie Sprachförderung die Türen zur Regelschule öffnet
Darüber freut sich auch die Schulleiterin der Frieden-Mittelschule, Rektorin Martina Rottman. Sie hat schon als Schulleiterin der Schweinfurter Auenschule die Übergangs- und Deutschklassen für Kinder geflohener Menschen mit aufgebaut und für diese Kinder von der 5. bis zur 9. Klasse ein schulisches Angebot organisiert. Der Anspruch solcher Klassen, Kinder durch gezielte Sprachförderung fit zu machen für den Regelschulbetrieb, gilt auch für die Willkommensgruppen.
"Ankommen ermöglichen, die Kinder in unser Schulsystem integrieren", nennt Rottmann die wichtigsten Anliegen solcher Klassen. Und weil sie weiß, dass Kinder eine Tagesstruktur brauchen, bot sie frühzeitig an, an der Frieden-Mittelschule die erste Willkommensgruppe zu etablieren. Die Anweisung vom Kultusministerium, dafür die Voraussetzungen zu schaffen, sei noch druckfrisch gewesen, als an ihrer Schule schon ein solches Angebot, damals noch "Begrüßungsgruppe" genannt, entstand.
"Ich habe den Bedarf gesehen und wollte helfen", skizziert Rottmann ihre Motivation. Da passte es ins Bild, dass mit Diana Kunke eine "Drittkraft" im Hause ist. Dieser etwas sperrige Begriff beschreibt Personen, die zusätzlich über die Regierung von Unterfranken eingestellt werden und die unterrichtsbegleitend Sprachförderangebote und interkulturelle Projekte durchführen. "Weil wir etwas schneller waren, als das aktuelle Konzept, haben wir erstmal alle Kinder genommen", so Rottmann, deshalb waren in den ersten Wochen auch 17 Kinder unterschiedlicher Jahrgänge in einem Klassenzimmer zusammen.
Wer spricht Ukrainisch oder Russisch und kann helfen?
Nach den Osterferien gibt es an der Frieden-Schule dann nur noch die 5. und 6. Jahrgangsstufe, dafür werden aber bis zu 24 Mädchen und Jungen unterrichtet, denn alleine aus der Flüchtlingsunterkunft auf dem Ledward-Gelände kommen neun Kinder dazu. "Es hat sich herumgesprochen, dass wir hier eine Anlaufstelle sind", so Martina Rottmann. Zunächst waren es Privatleute, die Flüchtlinge aufgenommen hatten und nach schulischer Betreuung fragten, mittlerweile ist das Angebot aber auch in den Flüchtlingsunterkünften angekommen.
Mit 24 Kindern wäre die Gruppe an der Frieden-Schule dann aber zu groß, sie müsste geteilt werden. Die große Unbekannte bei allen Berechnungen zur Zahl der betreuenden Kinder ist aber die Frage, wie viele bleiben in der Region und wie lange bleiben die Menschen überhaupt in Deutschland. "Im Moment brauchen wir noch Personal", sagt Rottmann. "Wer helfen kann, nicht nur Deutsch, sondern auch Russisch und/oder Ukrainisch spricht, darf sich gerne bei uns melden."
Fleißig melden sich auch die Kinder im Unterricht, in dem es – zurück zu den Adjektiven – gerade darum geht, Sätze wie "Ich bin ..." mit einem Adjektiv fertigzustellen. Dazwischen gibt es auch immer wieder nachdenkliche Töne, wenn die Kinder auf die Situation in ihrer Heimat angesprochen werden. "Traurig und sehr besorgt" sind etwa Varja und Igor, mit 15 und 16 derzeit die Klassenältesten, wenn sie an ihre Heimat denken. Nicht nur Freunden und Verwandten gilt die Sorge, einige mussten auch Haustiere wie Hund oder Katze zurücklassen.
Wichtig, dass auch traumatisierte Kinder wieder lachen können
"In den ersten Tagen waren die Kinder zurückhaltend, inzwischen sind sie in der Klasse angekommen", sagt Diana Kunke über ihre Willkommensgruppe. Durch ihre Arbeit hat sie schon reichlich Erfahrung mit Integrationsklassen sammeln können. Die Kinder in den Alltag zurückzuführen, sei die wichtigste Aufgabe. Einige seien traumatisiert von der Flucht. "Manche hatten nur eine Stunde, um das Nötigste zu packen." Die Koffer seien gepackt worden, während die Einschläge näher kamen. Das gehe an den Kindern nicht spurlos vorbei.
Im Unterricht steht die deutsche Sprache im Mittelpunkt. Indem Sprache in verschiedene Sachzusammenhänge aus Mathematik, Biologie oder Erdkunde gebracht wird, werden andere Fächer gestreift und Alltagssituationen beschrieben. "Die Kinder sind in der Gemeinschaft angekommen, jetzt können sie auch mal wieder lachen", freut sich Diana Kunke.
naja beschönigen braucht man es nicht. Es ist sicher eine tolle Leistung der verantwortlichen Lehrer wenn das klappt!
Wenn das Elternhaus aber nicht mitspielt oder die Bildung für den Staat wenig zählt dann bekommt Jahre später die Quittung. Das ist bei deutschstämmigen Kindern so aber vor allem auch bei vielen türkischstämmigen Migranten und sogenannten Russlanddeutschen (ohne das zu verallgemeinern!).
Die Kinder aus der Ukraine haben es sicher besonders schwer, sie wurden ja von heute auf morgen ohne Vorwarnung aus ihrem bisheringen Leben herausgerissen!
Sprache und Bildung ist der Schlüssel für vieles auch für Integration!