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Würzburg
Eine "fast" ganz normale Familie: Wie die Bauers zwei Pflegekindern ein sicheres Zuhause geben
Heike und Dominik Bauer sind Pflegeeltern. Vor fast 14 Jahren haben sie ihre Tochter aufgenommen, später kam ihr Sohn dazu. Welche Herausforderungen die vier zu meistern haben.
Pflegefamilien werden dringend gesucht: Unser Foto zeigt Pflegemama Heike Bauer aus dem Landkreis Würzburg mit ihren zwei Kindern.
Foto: Thomas Obermeier | Pflegefamilien werden dringend gesucht: Unser Foto zeigt Pflegemama Heike Bauer aus dem Landkreis Würzburg mit ihren zwei Kindern.
Katja Glatzer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:01 Uhr

Ein schönes Einfamilienhaus im Landkreis Würzburg. In der Küche sitzt Heike Bauer mit ihrer 16-jährigen Tochter und dem zwölfjährigen Sohn am Esstisch, schnippelt Erdbeeren, Kiwi und Bananen für den Obstsalat. Es wird geredet, gelacht und auch ein bisschen geschimpft. Wie in einer ganz normalen Familie eben. Auch die Hunde Sunny und Camiro gehören dazu - und die Katzen Kira und Molly, die auf leisen Tatzen neugierig den Raum betreten. Und doch ist bei Familie Bauer alles ein klein wenig anders als bei anderen Familien.

Denn Heike und Dominik Bauer haben ihre Tochter Pauline (Anmerk. d. Red.: Namen der Kinder geändert) mit zweieinhalb Jahren und ihren Sohn Anton mit 20 Monaten aufgenommen und sind seitdem Pflegeltern. Sie gehören somit zu den insgesamt 83 Pflegefamilien, die es derzeit im Landkreis Würzburg gibt.

Mit dem Begriff "Pflegemutter" kann sich Heike Bauer allerdings nicht ganz identifizieren, "schließlich liebe ich meine Zwei als wären sie meine leiblichen Kinder und habe sie nicht nur 'zur Pflege'". Als sie vor vielen Jahren ihren Mann kennenlernte, wusste Heike Bauer, dass sie gerne Kinder mit ihm haben wollte. Dominik Bauer hatte bereits eine Tochter aus seiner ersten Ehe.

Wie leibliche Geschwister: Die zwei Kinder der Pflegefamilie Bauer vor einigen Jahren bei einem Schnappschuss im Urlaub.
Foto: Heike Bauer | Wie leibliche Geschwister: Die zwei Kinder der Pflegefamilie Bauer vor einigen Jahren bei einem Schnappschuss im Urlaub.

Doch das Schicksal erfüllte dem Ehepaar ihren Wunsch nicht. "Und den Weg über künstliche Befruchtung wollte ich für mich nicht gehen", erzählt Heike Bauer. Sie und ihr Mann hätten dann über eine Adoption nachgedacht. Während es in Deutschland nur wenige Kinder gebe, die zur Adoption freigegeben werden, sei eine Auslandsadoption unverhältnismäßig teuer, sagt die heute 47-Jährige. "Das fühlte sich fast ein bisschen an, als würde man sich ein Kind kaufen wollen."

Die Bauers wollten einem Kind eine Chance geben

Auf einem Informationsabend erfuhr Heike Bauer dann von der Möglichkeit, einem Kind, das aus verschiedenen Gründen nicht in seiner Herkunftsfamilie leben kann, ein neues Zuhause zu geben. Sie konfrontierte ihren Mann mit der Idee, dachte, dass er nicht zustimmen würde. Doch: "Ich war überrascht, dass er gar nicht abgeneigt war." Dann sei alles relativ schnell gegangen.

Es gab mehrere Treffen im Jugendamt des Landkreises Würzburg, einen Hausbesuch, "bei dem man auf Herz und Nieren geprüft wurde", und schließlich ein Seminar über mehrere Tage, das auch über Probleme, die bei den Kindern auftreten können, informierte. Dazu gehören beispielsweise Bindungsstörungen, das Fetale Alkoholsyndrom durch häufigen mütterlichen Alkoholkonsum während der Schwangerschaft oder Traumata und Ängste, die die Kinder aus ihrer Herkunftsfamilie mitbringen. Doch das habe sie nicht abgeschreckt - sondern fast noch mehr motiviert, einem Kind eine Chance zu geben, erzählen die Bauers.

Spiel und Spaß: Die Bauers sind eigentlich eine ganz normale Familie.
Foto: Thomas Obermeier | Spiel und Spaß: Die Bauers sind eigentlich eine ganz normale Familie.

Einige Monate später kam dann der Anruf aus dem Jugendamt, ob die Familie ein Geschwisterpärchen aufnehmen wolle - "doch es kam nicht zustande". Doch bald darauf - im Herbst 2008 - folgte schon der nächste Anruf, "und nach einer kurzen Phase der Anbahnung kam endlich unsere Pauline zu uns". Dazwischen blieb nur wenig Zeit, das Kinderzimmer einzurichten sowie Kinderkleidung und erstes Spielzeug zu besorgen. "Da hat man nicht wie in der Schwangerschaft neun Monate Zeit, sondern es kann ganz schnell gehen", sagt Heike Bauer schmunzelnd. Es habe sie erstaunt, dass die Reaktionen im Freundes- und Bekanntenkreis durchweg positiv waren. Ebenso in der Öffentlichkeit. "Wir hatten vorher niemandem etwas von unseren Plänen erzählt."

Nach zweieinhalb Jahren kam das "Geschwisterchen" dazu

Zweieinhalb Jahre später nahm das Ehepaar dann das "Geschwisterchen" Anton auf. "Wir dachten, dass es unserer Prinzessin nicht schaden würde, wenn noch jemand dazukäme", sagt Heike Bauer. Während Pauline sich gleich als sehr neugieriges und offenes Mädchen entpuppt habe, weinte der kleine Junge oft und ließ sich kaum beruhigen. "Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als er das erste Mal von hinten angelaufen kam und mein Bein umarmte. Da war er etwa fünf Wochen bei uns", erinnert sich Heike Bauer lächelt. Heute ist Anton ein riesiger Fußballfan und größer als sie selbst. Die Bauers haben es immer wieder geschafft, sich auf die Bedürfnisse ihrer zwei Pflegekinder einzustellen, "auch wenn es oft nicht leicht war und ist".

Gerade zu Anfang sei bei ihr und ihrem Mann auch die Angst dagewesen, dass das Kind zu den leiblichen Eltern rückgeführt werden könnte. "Irgendwann denkt man aber nicht mehr daran. Und die Zeit spielt immer für die Pflegefamilie." Wenn Schwierigkeiten aufkamen, erzählt Heike Bauer, habe sie sich immer gesagt: "Die gibt es in allen Familien, denn Kinder durchlaufen nun mal verschiedene Phasen." Wichtig sei es, ihnen Geborgenheit zu geben, "eben ein Nest, in dem sie so sein dürfen, wie sie sind - mit all ihren Gefühlen".

Die Pflegekinder von Familie Bauer haben keinen Kontakt zu den leiblichen Eltern

Ihre Pflegetochter ist heute 16, der Pflegesohn zwölf Jahre alt. Im Rückblick kann Heike Bauer nur sagen: "Ich würde alles wieder genauso machen. Wir haben eine gute Bindung aufgebaut." Das bestätigt Pauline, die bei dem Gespräch mit dieser Redaktion dabei ist, mit einem Lächeln: "Ja, Mama." Sie erinnere sich noch genau daran, sagt die 16-Jährige, die die Wirtschaftsschule besucht, "als ich bei Papa auf dem Arm in mein neues Zuhause kam".

Kontakt zu den leiblichen Eltern haben ihre Kinder nicht. Das Jugendamt sieht dies eigentlich - je nach Absprache - etwa einmal im Monat vor, aber bei Pauline und Anton kam es anders. Bei ihrer Pflegetochter hielt zunächst der leibliche Vater Kontakt, wandte sich dann aber ab. "Meinem Mädchen hat das immer zu schaffen gemacht, sie hat nie verstanden, warum." Erst vor einigen Wochen habe er sich dann plötzlich nach vielen Jahren wieder über das Jugendamt gemeldet. "Das war ganz schön aufwühlend für Pauline", sagt Heike Bauer. Und Pauline fügt hinzu: "Ich bin froh, dass er mich nicht vergessen hat." In Bezug auf ihre leibliche Mutter, an die sie sich nicht erinnern kann, sagt die 16-Jährige: "Ich kann nicht vermissen, was ich nicht kenne."

"Wir sind eine Familie, auch wenn wir nicht alle den gleichen Nachnamen tragen"

Sie sei immer transparent mit dem Thema "leibliche Eltern" umgegangen, erklärt Heike Bauer. "Die Kinder wussten von klein auf, wo sie ihre Wurzeln haben und, dass es eine sogenannte Bauchmama gibt, die sie geboren hat. Das ist ungemein wichtig für ihre Entwicklung." Ihre Pflegetochter habe zum Beispiel Kontakt zu ihrem leiblichen Bruder, der in einer anderen Pflegefamilie lebt. Ihr Pflegesohn habe seine leibliche Oma mütterlicherseits kennengelernt.

"Wichtig ist nicht, ob man blutsverwandt ist, sondern, dass man es schafft, eine liebevolle Beziehung zu seinen Kindern aufzubauen."
Heike Bauer, Pflegemutter aus dem Landkreis Würzburg

Dass die Kinder in der Pflegefamilie schon recht bald Mama und Papa sagten, sei normal und gehöre dazu, "schließlich sind wir ja eine Familie, auch wenn wir nicht alle den gleichen Nachnamen tragen", meint Heike Bauer lächelnd. "Wichtig ist letztendlich nicht, ob man blutsverwandt ist, sondern ob man es schafft, eine liebevolle und vertrauensvolle Beziehung zu seinen Kindern aufzubauen."

Bei den Hausaufgaben: Heike Bauer unterstützt ihren Pflegesohn Anton.
Foto: Thomas Obermeier | Bei den Hausaufgaben: Heike Bauer unterstützt ihren Pflegesohn Anton.

Bei Problemen und Konflikten, gegebenenfalls auch mit der Herkunftsfamilie der Kinder, werde man als Pflegefamilie nicht alleingelassen, erzählen die Bauers: "Es gibt einen steten Kontakt und Austausch zum Pflegekinderdienst des Jugendamtes und einmal im Jahr findet ein Hilfeplangespräch mit den Zielen fürs Kind statt." Zudem gibt es Elternabende und Austausch mit anderen Pflegeltern. Da seien auch richtige Freundschaften entstanden, sagt die 47-Jährige. "Es verbindet uns eben, dass wir unsere nicht leiblichen Kinder großziehen. Da können wir uns gegenseitig unterstützen."

Was später wird, wenn ihre Kinder 18 Jahre alt werden und das offizielle Pflegeverhältnis ausläuft, auch darüber haben sich Heike und Dominik Bauer Gedanken gemacht. "Wir lieben unsere Zwei. Natürlich würden wir sie gerne adoptieren." Das können die Kinder dann ganz allein ohne die Unterschrift der leiblichen Eltern entscheiden." Pauline und Anton brauchen da sicherlich nicht lange zu überlegen.

 
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  • T. F.
    Finde ich sehr schön, es ist für alle Viere ein Gewinn und einfach klasse 👍
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  • I. I.
    Ebenfalls ernsthafte Frage: die Pflegefamilie erhalten monatlich eine bestimmte Summe - Höhe spielt für meine Frage keine Rolle. Sobald ein Pflegekind volljährig ist und eigenes Geld verdient, muss es davon soweit ich weiß dem Staat wieder einiges zurückgeben. Somit startet jemand, dessen Kindheit ohnehin holprig war, auch noch mit der finanziellen Thematik ins selbständige Erwachsenenleben. Vielleicht bin ich auch falsch informiert aber könnte die Mainpost hier recherchieren?
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  • I. E.
    stimmt leider!
    https://www.tz.de/leben/karriere/pflegekinder-muessen-grossteil-ihres-gehalts-jugendamt-abgeben-zr-13204521.html
    (Mir hat's gerade ziemlich die Sprache verschlagen, wie ich das gelesen habe - da werden Kinder und Jugendliche dafür bestraft, dass ihre Eltern nicht in der Lage waren, für sie zu sorgen! - mein Empfinden)
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  • H. B.
    ja das war leider sehr lange Gang und Gebe ..so langsam tut sich da was ..durch viel Einsatz von Pflegeeltern und diversen Vereinen
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  • I. E.
    seit 2021 sind es "nur noch" 25%, nicht mehr 75%
    https://www.moses-online.de/geaenderte-rechtslage-kostenheranziehung
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  • H. B.
    Nein die Kinder müssen wenn sie volljährig sind nichts an den Staat zurückzahlen .Das ist eine Fehlinformation !
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  • H. B.
    Ab Ausbildungsbeginn ist es leider so das die Kinder momentan 25 % abgeben müssen.
    Da werden aber denke ich immer individuelle Lösungen gefunden!
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  • W. S.
    Bei Pflegekindern müssen die leiblichen Eltern die Zustimmung für Fotos erteilen.
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  • H. B.
    daran liegt es aber nicht !
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  • G. B.
    Mal eine ganz ernst gemeinte Frage.
    Warum müssen die Namen der Kinder verfälscht werden? Warum darf man sie nicht zeigen?
    Beim anderen Artikel über Mütter und Kinder von heute ist das gerade nicht so.
    Man könnte den Eindruck haben, dass es etwas peinliches ist, ein Pflegekind zu sein. Das ist aber mMn. nicht so.
    Vielleicht kann das mal jemand erklären?
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  • H. B.
    Es ist nichts peinliches!Jedoch war es Wunsch der Kinder und Vorgabe des Jugendamtes
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  • W. S.
    Respekt für diese Entscheidung zwei Pflegekindern ein Heim zu geben. Das ist eine ganz tolle Sache.
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