Marode Scheunen stehen neben verwahrlosten Wohnhäusern in den Ortskernen, das Leben ist aus vielen Straßen unserer Dörfer weitgehend verschwunden. Wer eine Familie gründen und sesshaft werden will – vorausgesetzt er kann sich für ein Leben auf dem Land begeistern – baut sich ein Häuschen auf der grünen Wiese außerhalb. Um einer solchen Situation vorzubeugen, haben die zehn Gemeinden der Interkommunalen Allianz Oberes Werntal (Lkr. Schweinfurt und Bad Kissingen) im Jahr 2008 beschlossen, sich auf die Innenentwicklung ihrer Ortschaften zu fokussieren.
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Statt Neubaugebiete auszuweisen und auf diese Weise Wohnraum zu schaffen, wollte man auf leerstehende Gebäude und Baulücken in der Ortsmitte zurückgreifen. Offenbar mit Erfolg. Wie eine aktuelle Studie im Auftrag der Ländlichen Entwicklung Bayern zeigt, konnten in einem Zeitraum von zehn Jahren 50 Hektar an neuem Bauland und 270 Leerstände innerhalb der Dörfer vermieden werden. Von 1800 Baulücken im Innenbereich der Gemeinden konnte man 545 bebauen, also 30 Prozent.
Innenentwicklung spart den Gebührenzahlern vier Millionen Euro
Dadurch ist auch der Bau von über zehn Kilometern an Straße und Kanalisation sowie Stom- und Wasserleitungen überflüssig geworden. Dem Gebührenzahler spart das laut Studie über vier Millionen Euro in den kommenden 20 Jahren. „Diese Studie belegt eindeutig, welches Potenzial in der Innenentwicklung und der Ortskernbelebung stecken", sagt die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber laut Pressemitteilung. Das große Ziel der Ministerin: den Flächenverbrauch eindämmen.
Die Allianz Oberes Werntal haben damals zwei andere Faktoren zum Handeln veranlasst, berichtet Euerbachs (Lkr. Schweinurt) Bürgermeister Arthur Arnold (CSU). Zum einen waren da die Prognosen für einen recht starken Bevölkerungsrückgang. Zum anderen habe die Allianz festgestellt, dass mit 36 Hektar allein kurz- und mittelfristig mehr Flächen in den Innenbereichen der Ortschaften zur Verfügung stehen, als bis 2020 voraussichtlich gebraucht werden. Weitere Neubaugebiete hätten da keinen Sinn gemacht.
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"Die Aufgabe der Kommunen ist es unter anderem, die Eigentümer anzusprechen und den Bürgern zu erklären, warum es so wichtig ist, dass die Dorfstruktur weiterhin bewohnbar bleibt.", erklärt Arnold zum Vorgehen der Allianz. Aber auch die Beratung der potentiellen Käufer zu den diversen Fördermöglichkeiten sei wichtig – denn die Sanierung einer alten Scheune ist nicht unbedingt günstig. Letztlich wird versucht, zwischen Kaufinteressenten und Eigentümern zu vermitteln. Doch das ist nicht immer einfach.
Hohe Nachfrage im Würzburger Speckgürtel
Von uneinigen Erbengemeinschaften über zu hohe Preisvorstellungen auf Seiten der Verkäufer bis hin zu stolzen Bäuerinnen, die bis zu ihrem Lebensende nichts an ihrem Hof verändern wollen: Arnold kann von einigen Hürden bei der Beseitigung von Leerständen berichten. "Mit der Brechstange geht gar nichts, im Gegenteil", sagt der Sprecher der Allianz im Bereich Innenentwicklung. Man brauche Mitarbeiter in den Rathäusern, die für das Thema brennen, und müsse ein Vertrauensverhältnis zu den Bürgern haben.
Auch in Gerbrunn (Lkr. Würzburg) arbeitet die Gemeinde derzeit an einen Konzept zur Innenentwicklung. Die Ausgangslage ist aber eine andere. "Wir könnten täglich mehrere Bauplätze veräußern, wenn wir sie hätten. Die Leute orientieren sich wieder mehr an den städtischen Ballungszentren", sagt Stefan Wolfshörndl (SPD), Bürgermeister Gerbrunns. Der Bedarf an Wohnraum vor den Toren der Stadt ist groß. Neues Baugebiet habe man aber erst ausgewiesen und plane nicht, das innerhalb der kommenden Jahre zu wiederholen, so Wolfshörndl.
Das Grundstück als Anlage für die Erben
Um die 80 Baulücken gebe es in Gerbrunn, so der Bürgermeister. In der Regel seien das erschlossene Grundstücke, die seit Jahren nicht bebaut werden. "Das ist der Klassiker: Der Eigentümer sieht das Grundstück als Kapitalanlage, die er an seine Enkel vererben will." Eine Leerstandsproblematik wie im Spessart oder Rhön habe man nicht. "Wir haben keine Häuser, die 20 Jahre ungenutzt bleiben, weil sie keinen Käufer finden."
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Im April hat die Gemeinde einen Fragebogen an die Eigentümer unbebauter oder wenig genutzter Grundstücke versendet, um herauszufinden, was diese mit ihren Flächen vorhaben, ob sie Beratungsbedarf haben oder sogar verkaufen wollen. Nicht einmal die Hälfte hat sich zurückgemeldet. Wolfshörndel ist aber mit dem Rücklauf zufrieden. "Wir können auch niemanden zum Bauen zwingen. Da sind uns die Hände gebunden." Die Bereitschaft ein Grundstück zu nutzen, könne sich über die Jahre ändern, zum Beispiel nach einem Eigentümerwechsel durch Erbe oder Umzug.
Bürger nehmen durchschnittlich mehr Wohnraum in Anspruch
Nur wenige Kilometer westlich in Höchberg (Lkr. Würzburg) ist man ebenfalls auf der Suche nach Platz innerhalb der bestehenden Bebauung. Auch hier wurden Eigentümer angeschrieben. Während der vergangenen 60 Jahre ist die Fläche der Marktgemeinde im Speckgürtel Würzburgs von 62 Hektar auf 250 Hektar gewachsen. Dabei nehmen aber Bürger durchschnittlich immer mehr Platz in Anspruch, die Zahl der Einwohner pro Hektar hat sich in dieser Zeit von 76 auf 37 fast halbiert.
"Wir werden versuchen Flächen zu aktivieren", sagt Bürgermeister Peter Stichler (SPD). Ein neues Baugebiet wolle er trotz hoher Nachfrage nicht ausweisen. In Höchberg gebe es über 200 Baulücken, etwa 70 leerstehende Häuser und rund 90 bebaute Grundstücke, auf denen noch Platz zur Nachverdichtung sei. Als Vorteile der Innenentwicklung nennt Stichler nicht nur, dass dadurch die Natur geschont werde, indem Flächen gespart würden, sondern auch kurze Wege zu Ärzten, Kindergärten und Einzelhandel sowie dass der Ortskern belebt und der Fortbestand von Geschäften gesichert werde.
Der Bürgermeister sieht jedoch auch Probleme bei der Bebauung leerer Grundstücke. Die Preise seien in Höchberg mittlerweile exorbitant hoch. Stichler: "Wenn jemand viel Geld für ein Grundstück zahlt, will er natürlich auch mehr darauf bauen, um eine möglichst hohe Rendite rauszuholen." Statt einem Einfamilienhaus werde dann ein Sechsfamilienhaus gebaut. "Das können wir nicht verhindern." Eine negative Folge daraus sei beispielsweise deutlich mehr Verkehr im Innenbreich.
Kein Bevölkerungsrückgang mehr im Hofheimer Land
Auch um den Druck von den stadtnahen Ballungsbieten zu nehmen, sei es wichtig, dass sich der ländliche Raum attraktiv aufstellt, sagt Wolfgang Borst (CSU), Bürgermeister von Hofheim (Lkr. Haßberge). Die Gemeindeallianz Hofheimer Land hat viel erreicht durch Innenentwicklung. Seit neun Jahren gibt es in dem Kommunen keinen Bevölkerungsrückgang mehr – anders als befürchtet. Zunächst ging es darum, heruntergekommene Gebäude in den Griff zu bekommen, sagt Borst. Gerade in den Orten nahe der ehemaligen DDR sei Leerstand ein großes Problem gewesen.
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Das hat sich geändert. "Wo früher Ratten und Mäuse waren, ist heute alles belebt", so der Bürgermeister. Mittlerweile wollen laut Borst Menschen aus ganz Deutschland ins Hofheimer Land ziehen. Um das zu erreichen, musste man auch die Infrastruktur in Angriff nehmen. Nahversorgung, Bürgerbusse und Glasfaser: Damit könne man Lust am Landleben wecken. Und die Arbeit hört nicht auf. "Das muss man permanent anschieben, um den Standort attraktiv zu halten."