Die Oerlenbacher Erklärung von 2008 ist für die Allianz Oberes Werntal – mit den Gemeinden Bergrheinfeld, Euerbach, Dittelbrunn, Geldersheim, Niederwerrn, Oerlenbach, Poppenhausen, Waigolshausen, Wasserlosen und Werneck – die Grundlage, sich gemeinsam für eine Innenentwicklung zu positionieren. Ob diese Leitlinie erfolgreich war und ob sie auch weiter Bestand hat, darüber sprachen wir mit dem Sprecher im Handlungsfeld Innenentwicklung, Euerbachs Bürgermeister Arthur Arnold, und mit der Allianzmanagerin Eva Braksiek.
Arthur Arnold: Die Oerlenbacher Erklärung war damals das Ergebnis unserer Diskussion im Oerlenbacher Pfarrheim, nachdem aus dem FLIZ-Projekt klar war, dass es über 250 Hektar Flächen als Potenzial im Inneren der Allianzgemeinden gibt, dass wir in den kommenden Jahren lediglich 25 Hektar benötigen und dass 39 Hektar kurz- und mittelfristig zur Verfügung stehen. Dazu kamen die Zahlen zur demografischen Entwicklung im Landkreis. Damit war klar, dass eine weitere Außenentwicklung nicht zielführend ist. Auch vom Bayerischen Gemeindetag kam die Botschaft: Wir müssen umschalten.
Arnold: In der Diskussion mit den Bürgermeistern, Gemeinderäten und Verwaltungsleuten tauchte die Überlegung auf, ob man zwischen stadtnahen und stadtfernen Kommunen Finanzmittel umschichten müsste, abhängig davon, ob Außenentwicklung betrieben wird oder nicht. Wir haben aber gemerkt, das überfordert uns. Aber wir haben auch verstanden, dass wir auf einer Ebene liegen. Unsere Vereinbarung zum Vorrang ‚Innen vor Außen‘ wurde schließlich einmütig gefasst und 2014 noch einmal erneuert.
Eva Braksiek: Und die Gemeinderäte in den Allianzgemeinden haben sie per Beschluss auch bestätigt.
Arnold: Wir als Gemeinde Euerbach waren als Träger öffentlicher Belange beteiligt. Der Gemeinderat sagte deutlich, dass er das kritisch sieht. Kommunalpolitisch habe ich mir dann ein paar Sätze aus Niederwerrn anhören müssen.
Braksiek: Die ganze Allianzarbeit wurde hinterfragt. Das hat sogar die Mitgliedschaft in Frage gestellt, obwohl wir uns vielen Themen widmen, vielen Zukunftsbereichen. Verbessert hat sich das, weil uns gemeinsame Projekte gelungen sind, beispielsweise das Standesamt Oberes Werntal oder die Bewältigung der Informationssicherheit.
Arnold: Das ist ein wichtiger Punkt. Es ist unter den Bürgermeistern ein Vertrauensverhältnis entstanden. Wir reden offen miteinander. Um Erfolge vorweisen zu können, braucht es erst eine Entwicklung in den weicheren Themen. Damit kann man dann an die großen Aufgaben gehen. Mit der Innenentwicklung haben wir ein ernstes, zukunftsträchtiges Thema angepackt.
Braksiek: Das ist kein Selbstläufer, da sind immer wieder Diskussionen und Informationen notwendig.
Braksiek: Vieles ist Aufgabe der Lotsen, die persönliche Ansprache, das ‚Sich Kümmern‘ um die Grundstücke, die Problemfälle, die Herausforderungen. Als Allianz versuchen wir, weitere Förderungen zu ermöglichen, aktuell für regionstypische Bausubstanz.
Arnold: Für Gemeinden sage ich, wenn im Kernbereich etwas verkäuflich ist und wo sich kein Privater engagiert: kaufen. Ich frage mich: Warum muss eine Gemeinde sehr stark nach außen wachsen? In Euerbach haben wir keine Außenentwicklung im Wohnbereich betrieben. Aber wir haben trotzdem Schwierigkeiten, die Kinder im Kindergarten und in der Schule unterzubringen. Ich mag gar nicht drüber nachdenken, welche Schwierigkeiten wir hätten, wenn wir weiter auf Baugebiete gesetzt hätten. Es wäre sicher kein Problem, hier hundert Bauplätze an den Mann zu bringen. Ob das so zielführend gewesen wäre? Aus meiner Sicht nicht.
Arnold: Vor allem mit großen Baugebieten verändert sich eine Gemeinde. Die Frage ist: Will man das? Und wer diskutiert das und entscheidet, dass man das Gemeindewesen so verändert? Man merkt das aber erst, wenn es passiert ist.
Arnold: Solange es den örtlichen Bedarf deckt, das, was aus den Gemeinden heraus kommt, funktioniert das noch. Bedenken muss man dabei aber auch die Situation, wenn draußen die jungen Leute neu bauen, und drinnen im Dorf die Älteren bleiben. Unsere Bauberatungen müssen über die vielfältigen Konsequenzen des Bauens im Außenbereich informieren. Sie müssen aufklären, wie die individuelle Situation sein wird.
Braksiek: Wieder bestätigt werden, denke ich. Die Oerlenbacher Erklärung ist in ihrer Formulierung gut, da ist alles drin.
Arnold: Das Stichwort ist öffentliche Bildungsarbeit, dass Bauen nicht bedeutet, draußen im Außenbereich neu zu bauen. Es hat sich zwar schon einiges verändert. Aber man muss sich langfristig anschauen, wie sich die Gesellschaft entwickelt, wie sie sich verändert. Paradebeispiel: Das neu gebaute Haus, das man heute nicht mehr unter 400 000 Euro erhält. Mit normalen Einkommen verschulden sich die Bauherren ein Leben lang. Und wir wissen, dass diese Lebenspläne nicht immer gelingen. Das ist die Realität.
Braksiek: Auch bei den Planern brauchen wir Sensibilität, dass sie gerade den Altortbereich modern, aber in Anlehnung an den Bestand planen.
Arnold: Wir haben kein bäuerliches Dorf mehr, so schade das auch ist. Die ganze Gebäudestruktur ist jedoch auf Landwirtschaft ausgerichtet. Wir brauchen heute von staatlicher und behördlicher Seite Unterstützung, das kann eine Kommune nicht allein. Es gäbe beispielsweise über den staatlichen Finanzausgleich die Möglichkeit, den Flächenverbrauch zu bewerten.
Arnold: Wir brauchen in den Rathäusern Leute, die mit den Betroffenen in unseren Dörfern reden können, die von ihnen akzeptiert werden. Um mit ihnen zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln.
Die Anstrengungen der Allianz Oberes Werntal zur Wiederbelebung der Altorte zeigen Wirkung. Ziel ist es, sogenannte Krapfendörfer zu schaffen, deren Inneres gut gefüllt ist, und Donut-Dörfer zu vermeiden, die in ihrem Kern leer sind. Die verschiedenen Aspekte dieser Innenentwicklung mit Vorbildcharakter beleuchten wir in unserer Serie.