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Würzburg
Verurteilter Pfarrer: Gemeindemitglieder vermissen Hilfe durch Bistum
Der Würzburger Bischof hat erneut deutlich Position gegen die Unterstützer des verurteilten Priesters in Bad Bocklet bezogen. Gläubige indes werfen dem Bistum Versagen vor.
Der Würzburger Bischof Franz Jung fordert die Unterstützer des wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten Pfarrers auf, nicht die Tatsachen zu verdrehen.
Foto: Christine Jeske | Der Würzburger Bischof Franz Jung fordert die Unterstützer des wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten Pfarrers auf, nicht die Tatsachen zu verdrehen.
Christine Jeske
 |  aktualisiert: 09.02.2024 10:01 Uhr

Nach einer ersten Stellungnahme durch den Bistumssprecher hat der Würzburger Bischof Franz Jung im Fall des verurteilen Priesters von Bad Bocklet (Lkr. Bad Kissingen) jetzt erneut deutlich Position bezogen. Knapp eine Woche nach der Berichterstattung dieser Redaktion stellt Jung klar: "Als Bischof von Würzburg distanziere ich mich ausdrücklich von den Unterschriftenaktionen für den wegen sexuellen Missbrauchs verurteilten Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft ‚Heiliges Kreuz Bad Bocklet‘. Die Organisatoren und Unterzeichner der Aktionen fordere ich auf, das Urteil und das Leid der Betroffenen zu akzeptieren und Tatsachen nicht zu verdrehen."

Nach Schätzung von Ulrike Dempsey, die zu den Angesprochenen zählt und in Bad Bocklet die Aktion mit organisiert hat, sind mittlerweile weit über 400 Unterschriften zusammengekommen. Die Unterzeichner wollen sich weiter für Pfarrer K. einsetzen. Sie halten ihn für unschuldig.

Laut Bischof Franz Jung konterkarieren die Aktionen der Unterstützer "in bizarrer und skandalöser Weise das Bemühen des Bistums Würzburg um Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs". Sie würden, so seine Stellungnahme, "schwersten Schaden für Pfarrei, Bistum und Kirche insgesamt" verursachen. Und sie ließen "mit Erschrecken erkennen, dass offensichtlich in Teilen der innerkirchlichen Öffentlichkeit noch immer nicht angekommen ist,  dass sexueller Missbrauch ein Verbrechen ist, das nicht geduldet werden kann".

Dies wollen die Unterstützer so nicht stehen lassen. "Selbstverständlich akzeptieren wir, Organisatoren wie auch Unterzeichner, das Leid aller Betroffenen. Missbrauch ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann, vor allem einem Kind", bestätigen sie gegenüber der Redaktion. "Wir versuchen nicht, einen Missbrauchstäter zu schützen. Wir bemühen uns vielmehr, einem Menschen zu helfen, der, wie wir glauben, zu Unrecht verurteilt wurde", sagt Ulrike Dempsey. Sie selbst würde in ihrem engsten Umfeld Missbrauchsbetroffene kennen.

Gemeindemitglied kritisiert "Kommunikationsversagen"

Indes gibt es in Bad Bocklet auch Kritiker, die die Meinung der Initiative nicht teilen und das Urteil nicht in Frage stellen, jedoch mit der Kommunikation der Bistumsleitung mit der Gemeinde nicht einverstanden sind. Dazu zählt Gero Beckmann: "Für mich gab und gibt es in diesem Fall leider ein gravierendes kirchentypisches Kommunikationsversagen, und zwar auf Bischofsebene." Zwar habe der damalige Generalvikar Thomas Keßler Ende Februar 2020 die Gemeinde über die Suspendierung von Pfarrer K. und über den Grund informiert, so Beckmann. "Das war es dann aber auch." Mit dem Schock, dem Verlust und der ungeklärten Situation habe man die Gläubigen alleine gelassen. Nicht nur er würde so empfinden.

Eingangsportal der Kirche St. Laurentius: 'Der verurteilte Priester wird definitiv nicht mehr in die Pfarreiengemeinschaft ‚Heiliges Kreuz Bad Bocklet‘ zurückkehren', teilt Bischof Franz Jung mit.
Foto: Christine Jeske | Eingangsportal der Kirche St. Laurentius: "Der verurteilte Priester wird definitiv nicht mehr in die Pfarreiengemeinschaft ‚Heiliges Kreuz Bad Bocklet‘ zurückkehren", teilt Bischof Franz Jung mit.

Nach dem Urteil des Gerichts in Bad Kissingen im August habe er einen Brief an den Bischof geschickt, sagt Gero Beckmann, der sich als engagierten Katholiken bezeichnet. Bis heute habe er keine Antwort. In diesem Brief schilderte der 58-Jährige dem Würzburger Oberhirten, was nach seiner Meinung die Gemeindemitglieder in nördlichen Bistumsbereich bewegt: Es hätte dem Bischof ein Leichtes sein müssen, "mal unseren Ort aufzusuchen und das Gespräch mit der Gemeinde zu suchen", so Beckmann. Bischof Jung hätte hinzuhören, vermitteln und seine Schäflein zusammenzuhalten können: "Das wäre Ihre Aufgabe!" Er selbst habe – "wie etliche in der großen Pfarreiengemeinschaft" - aus Enttäuschung seine Konsequenzen gezogen. Er habe die Kirchensteuerzahlungen eingestellt, so Beckmann. "Darüber kann der Hirte in seinem leeren Dom gerne nachsinnen."

Pfarrgemeinderatsvorsitzender Berndtheo Hansen schreibt an den Bischof

Auch der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Berndtheo Hansen hat an diesem Mittwoch einen Brief an den Bischof abgeschickt. Insgesamt hätten seinen Text, den er nach dem Gottesdienst vorgelesen hatte, "gut 300" Gemeindemitglieder mit unterzeichnet. Hansen schreibt, dass es ähnlich falsch wäre "wie man in den vergangenen Jahrzehnten die Opfer ausblendete und sie ihren seelischen Leiden überließ, nun auch die Verursacher auszublenden und alleine zu lassen". Als Hirte solle der Bischof auch dem verlorenen Schaf nachgehen, so Hansen. "Ich bitte Sie, sich für ihn einzusetzen, damit ihm die Chance gegeben wird, sich an einer anderen kirchlichen Stelle als Priester zu bewähren, so, wie auch das Gerichtsurteil auf Bewährung ausgesetzt wurde."

Pfarrgemeinde hätte sich mehr Zuspruch von Seiten des Bistums gewünscht

Der Vorsitzende der Pfarreienkonferenz Bad Bocklet führt zurzeit viele Gespräche. Auch beim Spazierengehen werde er angesprochen, sagt Hansen. Es sei den Menschen ein sehr großes Bedürfnis, über alles zu reden. Die beiden Beauftragten, die laut Bistumssprecher Bernhard Schweßinger das Team der Pfarreiengemeinschaft unterstützen sollen, hätten sich ein einziges Mal den Fragen der Gemeindemitglieder gestellt, sagt Hansen. Das sei kurz nach der Suspendierung von Pfarrer K. gewesen. "Der Pfarrsaal war gut gefüllt, aber  nach Aussagen vieler Teilnehmer wurden die brennenden Fragen nicht beantwortet", kritisiert Hansen. Auf die Frage, was schwerer sexueller Missbrauch sei, habe ein Teilnehmer die Antwort erhalten: "Eben schwerer sexueller Missbrauch."

Spätere Interventionssitzungen fanden coronabedingt nur mit den hauptamtlichen, nicht mit ehrenamtlichen Mitarbeitern statt.  Die Pfarrgemeinde hätte sich insgesamt mehr Zuspruch von Seiten des Bistums gewünscht, so Hansen.

Betroffene Alexandra Wolf spricht von geistigem Missbrauch

Was die Unterschriftenaktion der Unterstützer des verurteilten Pfarrers betrifft, sind auch die  Einschätzungen von anderer Seite deutlich. Sie sehe darin Kennzeichen "geistigen Missbrauchs", sagt die Würzburger Missbrauchsbetroffene Alexandra Wolf. Die Unterzeichner der Listen versuchten "sogar ein staatliches Urteil zu übergehen". Hier werde ein Abhängigkeitsverhältnis zum Pfarrer deutlich, sagt Wolf: "Sie sind im Grunde auch Betroffene dieses Mannes und der kirchlichen Strukturen, die er repräsentiert." Zur Stellungnahme des Bischofs sagt Wolf: "Es wird lediglich der Schaden an Bistum, Pfarrei und Kirche benannt. Der Schaden der Betroffenen wird nicht erwähnt."

Am Ende seiner kurzen Erklärung stellt Bischof Jung indes klar: "Der verurteilte Priester wird definitiv nicht mehr in die Pfarreiengemeinschaft ‚Heiliges Kreuz Bad Bocklet‘ zurückkehren und hat auf die Pfarreien verzichtet. Alle weiteren Maßnahmen der Diözese gegenüber dem Priester werden im kirchlichen Verfahren geklärt."

 
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  • K. F.
    wenn man so in 10 - 15 jahren vorschauen könne ... wie sieht es da wohl in der kirche gesamtheitlich in deutschland nicht nur im bistum aus? die alten, die jetzt noch kommen,
    sind bis dato vermutlich nicht mehr da, junge kommen ganz wenig nach, eines wäre wohl
    am besten: kirchensteuer abschaffen .....
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  • A. B.
    Wollen sie nur die Sau herauslassen oder was? Nein auch bei Lehrern und 12 Schülern sollte "etwas los sein" ... Die große Kritik ist: die Kirche steht momentan unter Feuer - wo es denn sein muss, ok. Nur im Gesamten sind diese "Fälle" nur ein sehr kleiner Bruchteil des Gesamtproblems in der bundesdeutschen Gesellschaft. Warum gibt es keinen runden Tisch für alle gesellschaftlichen Gruppen zu dieser Frage? Die Stellung des Lehrers/Lehrerin wurde nie hinterfragt, nie untersucht. Alle Personalakten im Keller oder Schredder. Warum schaut man hier nicht nach? Von den Vereinen etc. ganz zu schweigen - nur wenn sich die Schwimmdamen von ihrem Trainer (SV 05 Wü) sexuell belästigt fühlen. Und eines ist wahr: in Sachen Doppelmoral ist vieles zum Kotzen, das betrifft allerdings alle Gruppen der Gesellschaft. Wer nur auf die Kirche schaut, schaut zu kurz und vergisst ... die anderen Opfer.
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  • D. Z.
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  • M. B.
    An die Pfarrgemeindemitglieder in Bad Bocklet: Ich habe eine ganz einfache Frage:
    Wenn IHRE Tochter mit 12 Jahren von einem 30jährigen Mann (lt. Presseberichten im Wald) mit Zungenkuss und anderen SEXUELLEN Handlungen angefaßt würde, und sie auch noch bis zu ihrem Erwachsenwerden in einem emotionalen Abhängigkeitsverhältnis zu diesem Mann steht, wogegen Sie nichts unternehmen könnten, wie würden SIE das finden? Ich bin sicher, in Bad Bocklet gibt es auch Eltern von 12jährigen Mädchen, die sich ihr Kind jetzt betrachten und diese Frage stellen können....
    ICH würde dagegen vorgehen, wenn ich davon wüßte, denn aus eigener Erfahrung WEISS ich, wie es sich auf das spätere Leben auswirkt.

    Freundliche Grüße - Eine Betroffene, die von dieser ganzen Diskussion sehr erschüttert ist.
    Und mich erschüttert auch der Umgang mit der jungen Frau in Ihren Reihen!
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  • R. B.
    Auf genau jene Misstände hat bereits in den 1990-iger Jahren Prof. Dr. Drewermann hingewiesen. Der zu dieser Zeit für die Kongregation für die Glaubenslehre zuständige Kurienkardinal Joseph Ratzinger drückte in einem 1986 verfassten Schreiben an den Paderborner Erzbischof Johannes Degenhardt große Besorgnis über Drewermanns öffentliche Äußerungen aus und wies den Erzbischof an, Maßnahmen gegen Drewermann einzuleiten. Kurz darauf wurde Prof. Drewermann die Lehrerlaubnis für Dogmatik entzogen, wenig später wurde er mit einem Predigtverbot belegt, es wurde ein kirchliches Verfahren gegen ihn eingeleitet. 2005 ist Prof. Drewermann aus der Kirche ausgetreten. Seine Bücher, vor allem "Die Kleriker" sind beispielhaft für die Zerrissenheit innerhalb der katholischen Kirche.
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  • A. B.
    Sie vermischen Tatsachen. Der Entzug der Lehrerlaubnis in Sachen Dogmatik für Drewermann hatte überhaupt nichts mit dessen Aussagen in seinem Buch "Kleriker" zu tun. Die im Zusammenhang mit dem Entzug in den Fernsehprogrammen öffentlich geführten Diskussionen (zB Walter Kasper - Drewermann) machten deutlich, dass es um fundamentale Glaubensaussagen (zB Auferstehung Christi) gegangen ist.
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  • K. G.
    Da verhält sich ein Bischof absolut richtig indem er klar Stellung bezieht und eine kleine Bevölkerungsgruppe meint immer noch sich im Recht zu befinden. Manchmal glaube ich dass nicht nur die katholische Kirche ein Problem hat sondern genauso einige ihrer Mitglieder. Es ist doch einfach unfassbar wie man gesprochenes Recht unter das Kirchenrecht zu stellen versucht.
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  • T. H.
    Viele Priester leiden unter Einsamkeit (Das weiß ich aus erster Quelle). Es wäre die Aufgabe der Bischöfe, sich mehr um ihre Priester zu kümmern. Aus dem Artikel geht ja auch hervor, dass sich niemand richtig um die Gemeinde gekümmert hat, als die Übergriffe bekannt wurden. Es ist kein Wunder, dass die Menschen massenweise aus der Kirche austreten. Die meisten wenden sich dann vom Glauben ab. Wer einen tiefen Glauben hat, geht dann sehr oft zu den Freikirchen.
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  • L. W.
    @ Faultier

    Diese Einsamkeit kommt eben auch vom Zwangszölibat. Wer jeden Arbeitstag alleine beenden muss bekommt irgendwann eine unspielbar Sehnsucht nach Gesellschaft, die sich dann an auch an Kinder verirren kann.

    Ebenso hätte sich diese Schwärmerei der 12Jährigen vermutlich nicht entwickelt, wenn der Mann eine erwachsene Partnerin gehabt hätte.
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Auf eigenen Wunsch entfernt.
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  • S. E.
    Es bleibt immer das gleiche Muster: "die Frau ist schuld!" Ob sich die Gemeinde auch so für den armen missgeleiteten Pfarrer einsetzen würde, wenn das Opfer ein 12jähriger Junge gewesen wäre? Mit dem der Pfarrer dann auch noch nach Volljährigkeit eine Beziehung eingegangen wäre? Ein Schelm ...
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  • A. H.
    Sie haben recht - auch und vor allem "ohne Schelm..."
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  • R. B.
    @lisbeth...., stellen Sie sich vor, es würde sich um einen Lehrer und eine 12-jährige Schülerin handeln, fragen Sie nicht was dann los wäre, zu Recht. Aber beim Herrn Pfarrer ist es bei vielen "Gläubigen"halt doch net so schlimm, wenn er a`bisserl an ein paar Ministranten oder jungen Mädchen herum schraubt. Diese Scheinheiligkeit und Doppelmoral ist so was von zum kotz.........
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