Wasser zu Wein und Wein zu Geld machen. Über Jahrhunderte ging das Konzept für Winzer in Unterfranken auf. Nur reicht das Regenwasser oft nicht mehr aus, um bei der Weinlese mit vollem Anhänger nach Hause zu fahren.
In keinem anderen deutschen Weinanbaugebiet ist es im Sommer so heiß und so trocken wie hier. Und die Prognose sieht düster aus: weniger Regenmengen, dafür noch mehr Hitzetage und Unwetter im Sommer. Ein Fünftel der Weinberge in Unterfranken wird aktuell bewässert, die Mehrheit der Winzer kommt ohne zusätzliche Bewässerung aus. Noch.
Um sich auf die Trockenperioden vorzubereiten, setzen Winzer zunehmend auf millionenschwere Wasserprojekte: Speicherbecken so groß wie Schwimmbäder und riesige Leitungssysteme. Diese Bewässerungsprojekte sind umstritten - weil das zusätzliche Wasser meist irgendwo entnommen werden muss.
Bewässerung für die größten Weingüter Würzburgs geplant
Tobias Schneider kennt die Diskussion. Er ist Experte, wenn es um die Realisierung von Bewässerung in Unterfranken geht. Seit Januar liegt ein neues Projekt auf seinem Schreibtisch im Ingenieurbüro ARZ: das "Bewässerungskonzept Würzburg Nord". 149 Hektar Weinanbaufläche am Stein- und Pfaffenberg, der überwiegende Teil im Besitz der der drei größten Weingüter Würzburgs: Juliusspital, Staatlicher Hofkeller und Bürgerspital. Die Stadt Würzburg hat den Bauingenieur damit beauftragt, zu überlegen, wie diese Flächen, groß wie 200 Fußballfelder, zukünftig bewässert werden können.
An trockenen Weinhängen, wo selbst zwölf Meter tiefe Wurzeln des Rebstocks nicht mehr genug Wasser ziehen, arbeitet das Ingenieurbüro ARZ Bewässerungskonzepte aus. Seit Anfang des Jahres schaut sich Schneider mit seinem Team auch für den Würzburger Norden Wetter- und Regendaten an, analysiert durch Bodenproben, wie viel Wasser die Weinlagen Stein- und Pfaffenberg speichern können und wie viel ungenutzt abfließt.
Winzer brauchen deutlich mehr Wasser - doch woher?
Weinhänge künstlich bewässern ist kostspielig. Zunächst braucht es Speicherbecken, die je nach Größe des Anbaugebiets mehr einem See als einem Becken gleichen. Anschließend muss das gesammelte Wasser vom Fuße des Weinbergs zu den einzelnen Rebstöcken transportiert werden. Dreiviertel der Winzer in Unterfranken, die bereits zusätzlich bewässern, machen das, indem sie immer wieder mobile Wassertanks am Speicherbecken auffüllen und an der Weinrebe entleeren.
Deutlich effektiver ist ein Schlauchsystem, dass das Wasser tröpfchenweise und mit möglichst geringer Verdunstung direkt an die Wurzeln transportiert. Tests zeigen, dass mit der Tröpfchenbewässerung nur etwa halb so viel Wasser wie bei einer Über-Kopf-Bewässerung benötigt wird. In der Weinbergslage "Volkacher Kirchberg" im Landkreis Kitzingen hat sich die Bewässerungsgenossenschaft Vinaqua für diese Bewässerungstechnik entschieden. Im Winter wird Regen- und Schmelzwasser in Becken aufgefangen und im heißen Sommer über ein mehr als 200 Kilometer langes Leitungssystem verteilt. Eine Fläche von 35 Hektar ist seit 2010 an die Speicherbecken angeschlossen. Kostenpunkt für die Anlage: 3,4 Millionen Euro.
Die Weinanbaugebiete Nordheim am Main und Iphofen (Lkr. Kitzingen) sowie Oberschwarzach (Lkr. Schweinfurt) hat der Freistaat im Frühjahr 2021 als Pilotprojekte zur Weinbergsbewässerung auserkoren. Sie dürfen sich in den kommenden Jahren über eine Fördersumme von bis zu zehn Millionen Euro freuen.
Stadt Würzburg: Wasserbedarf von etwa 180.000 Kubikmeter pro Jahr
Das Würzburger Großprojekt hat eine neue Dimension. Mit 150 Hektar ist die Fläche am Stein fast fünf Mal so groß wie die Rebfläche, die aktuell am "Volkach Kirchberg" bewässert wird. Die Stadt Würzburg kalkuliert mit einem Wasserbedarf von etwa 180.000 Kubikmeter pro Jahr, davon 100.000 Kubikmeter Wasser für die Weinhänge und 80.000 Kubikmeter, um das Stadtgrün zu bewässern. Zum Vergleich: Das ist in etwa die Wassermenge, die die 4100 Einwohnerinnen und Einwohner im Würzburger Stadtteil Rottenbauer privat verbrauchen.
In der ersten Jahreshälfte 2024 will das Ingenierbüro ARZ der Stadt Würzburg den Bericht vorlegen. "Wir präsentieren verschiedene Lösungsvorschläge, jeder Vorschlag mit Stärken und Schwächen im Punktesystem bewertet und einem Preisschild versehen", sagt Bauingenieur Schneider. Drei mögliche Modelle nennt er aktuell.
Modell 1: Regenwasser in Puffer- und Speicherbecken sammeln
Bei Starkregen kann der Boden die Wassermengen nicht immer unmittelbar aufnehmen, überschüssiges Regenwasser sammelt sich am Fuß der Weinhänge an. Um das Oberflächenwasser nicht ungenutzt abfließen zu lassen, sammeln Puffer- und Speicherbecken das Wasser aus niederschlagsreichen Perioden - wie am "Volkacher Kirchberg".
"Für Becken dieser Größe wird es direkt am Fuße des Steilhangs in Würzburg allerdings keinen Platz geben", sagt Agraringenieur Wolfgang Patzwahl, der sich in Abstimmung mit dem ARZ Ingenieurbüro mit der Planung des Bewässerungsprojekt beschäftigt. Geprüft würden stattdessen andere Standorte für Speicherbecken rund um den Steinberg.
Modell 2: Uferfiltrat mit Grund- und Mainwasser aus Brunnen entnehmen
Je näher die Weinhänge am Main liegen, desto interessanter ist diese Option. Ein geringer Teil des Mainwassers sickert permanent durch die Flusssohle in den Boden. In Brunnen in Ufernähe kann das Wasser aufgefangen werden. Das sogenannte Uferfiltrat enthält dann neben Grund- auch Flusswasser, das durch die Kies- und Sandschichten des Bodens zumindest teilweise gereinigt ist. In längeren Hochwasserphasen befördert der Brunnen fast ausschließlich Flusswasser. Bei Niedrigwasser nimmt der Anteil an Grundwasser zu.
In der Bergtheimer Mulde im Landkreis Würzburg beispielsweise planen Landwirte, ihre Felder statt mit Grundwasser zukünftig mit Uferfiltrat bewässern. Ob und wo genau auch ein Brunnenbau am Würzburger Stein möglich ist, prüft das Ingenieurbüro ARZ jetzt in der rund 150.000 Euro teuren Machbarkeitsstudie.
Modell 3: Direkte Entnahme von Wasser aus dem Main
Wasser direkt aus dem Main zu entnehmen, ist unter Auflagen zulässig. So bewässern allein im Landkreis Kitzingen 35 Winzer ihre Reben mit Mainwasser. "Flusswasser zu entnehmen ist grundsätzlich erstmal ein starker Eingriff in das Ökosystem und deshalb kein Modell, das Schule machen sollte", sagt Agraringenieur Patzwahl.
Weil Nahe der Innenstadt am Steinberg in Würzburg wenig Platz für Brunnen und Becken ist, wird als dritte Möglichkeit für künftige Bewässerung auch die Entnahme von Mainwasser untersucht. Die Idee: ein Wasser-Tausch. Dazu würde Mainwasser im Winter an einer anderen Stelle des Stadtgebiets in Becken gespeichert. Wenn im Sommer dann am Stein Mainwasser gebraucht wird, könnte dieses gespeicherte Wasser aus dem Becken wieder zurück in den Main geleitet werden.