Was in den frühen Morgenstunden des vergangenen Sonntags in Würzburg passiert ist, scheint noch immer kaum fassbar. Während Freunde, Bekannte und Angehörige um das 28-jährige Opfer der Messerattacke trauern, wurde der mutmaßliche Täter am Montagnachmittag einem Ermittlungsrichter vorgeführt und in eine Justizvollzugsanstalt gebracht.
Die polizeilichen Ermittlungen laufen. Und auch Zeuginnen und Zeugen, darunter zwei Türsteher des Studios, die in der Nacht im Dienst waren, haben sich gemeldet. Nach mehreren Gesprächen der Redaktion mit Betroffenen stellt sich der Ablauf in der Tatnacht so dar:
Samstag, 16. September 2023, ab 22.30 Uhr: Das Würzburger Stadtfest neigt sich dem Ende zu. Während einige Besucherinnen und Besucher den Heimweg antreten, ziehen andere weiter in die Clubs und Kneipen in der Stadt. Der Club "Studio" in der Haugerpfarrgasse öffnet seine Türen und startet seine Veranstaltung "HipHop.Heros".
Sonntag, 17. September 2023, gegen 1 Uhr: Hanna Geiger kommt mit mehreren Freunden ins Studio. Im Club trifft sie einen 28-jährigen Freund. Er ist Stammgast, sie unterhalten sich und haben, berichtet die Würzburgerin, einen schönen Abend. Die Türsteher des Clubs beschreiben die Nacht später als "ruhig". Weder sei die Stimmung durch das Stadtfest aufgeheizt gewesen, noch sei es zu größeren Streitereien oder Zwischenfällen gekommen. "Es war ein ganz normaler Abend wie sonst auch", erinnert sich einer der Türsteher.
Gegen 2.30 Uhr: Der mutmaßliche Täter will auch ins "Studio". An der Tür wird er nach Angaben der Mitarbeiter abgewiesen. Er darf nicht in den Club. Die Türsteher erklären dies später mit ihrem "Bauchgefühl". Der 22-Jährige habe sich aufmüpfig verhalten, sagt ein Club-Mitarbeiter, ohne konkreter zu werden. Nach dem Abweisen an der Tür sei der 22-Jährige verschwunden. Erst später in der Nacht sei er wieder aufgefallen – als er vor dem Club eine Gruppe von Frauen angepöbelt habe.
Gegen 3 Uhr: Hanna Geiger und ihre Freunde rufen sich ein Taxi und fahren nach Hause. Ihr 28-jähriger Freund bleibt noch weiter im Club.
Zwischen 5 Uhr und 5.15 Uhr: Der Club schließt seine Türen. Einer der Türsteher, der schon Dienstschluss hat, wird auf den mutmaßlichen Täter aufmerksam. Seinen Aussagen zufolge pöbelt der 22-Jährige mehrere junge Frauen an, die in der Haugerpfarrgasse stehen. Der Türsteher spricht den Mann an. Er solle nach Hause gehen und das Pöbeln sein lassen. Der 22-Jährige lässt dem Zeugen zufolge von den Frauen ab, wechselt die Straßenseite und läuft in Richtung Stift Haug. Der Türsteher bleibt vor dem Studio stehen.
Gegen 5.15 Uhr: Der Türsteher bekommt mit, dass sich erneut ein Streit mit dem mutmaßlichen Täter, nur wenige Meter weiter, entwickelt. Er spricht von rund 30 Passantinnen, Passanten und Gästen, die auf den 22-Jährigen zurennen und versuchen wollen, einer jungen Frau zu helfen. Sie sei in diesem Moment völlig unvermittelt von dem 22-Jährigen angegriffen worden. Er soll ihr ins Gesicht geschlagen und nicht von ihr abgelassen haben. Der Türsteher ruft seinen Kollegen, der zu dieser Zeit noch im Dienst ist und die letzten Aufräumarbeiten erledigt, zu Hilfe. Beide rennen zum Kreisverkehr am Haugerkirchplatz, wo der 22-Jährige auf die junge Frau einschlägt und sie an den Haaren packt.
Während die Türsteher nur noch wenige Schritte entfernt sind, versuchen mehrere Personen den 22-Jährigen von der jungen Frau wegzuziehen. Dabei zückt dieser sein Messer, sticht um sich und flieht. Drei Männer werden verletzt, einer von ihnen tödlich. Einer der Verletzten soll mit dem Verdächtigen gut bekannt sein und wollte möglicherweise schlichten.
Circa 5.16 Uhr: Die Polizei und einige Minuten später auch der Krankenwagen treffen ein. Alle drei Verletzten werden ins Krankenhaus gebracht. Der 28-Jährige erliegt seinen Verletzungen.
Gegen 6 Uhr: Der mutmaßliche Täter kommt an die Pforte der nahegelegenen Rotkreuzklinik in der Kapuzinerstraße. Er fordert die Nachtwache auf, die Polizei zu rufen. Die Beamten nehmen den 22-Jährigen wenige Minuten später fest.
Im Verlauf des Sonntags: Im Laufe des Tages sichern die Beamtinnen und Beamten der Kriminalpolizei den Tatort, nehmen Beweisstücke auf, rekonstruieren den Fluchtweg des mutmaßlichen Täters und suchen die Tatwaffe. In einem Mülleimer werden sie am Nachmittag fündig. Angehörige, Freunde und Trauernde versammeln sich am Tatort, legen Blumen ab und nehmen Abschied.
Montag, 18. September, gegen 14 Uhr: Der mutmaßliche Täter wird im Amtsgericht Würzburg dem zuständigen Ermittlungsrichter vorgeführt. Dieser ordnet Untersuchungshaft an. Der dringende Tatverdacht gegen den 22-Jährigen lautet: Totschlag und zweifach versuchter Totschlag.
Ausufernde Mutmaßungen und Verdächtigungen werden somit ausgeschloßen.