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Würzburg
Wurde der Angeklagte vor seinen Stichen verprügelt? Prozess um tödliche Messerattacke in Würzburg wirft Fragen auf
Am zweiten Verhandlungstag vor dem Landgericht Würzburg schildern Zeugen unterschiedliche Versionen der tödlichen Messerstiche vor einem Würzburger Club. Was sie sagen.
Wegen tödlicher Messerstiche vor einem Würzburger Club im September 2023 muss sich ein 22-Jähriger jetzt am Landgericht verantworten. Zur Tatnacht gibt es mehrere unterschiedliche Darstellungen.
Foto: Thomas Obermeier | Wegen tödlicher Messerstiche vor einem Würzburger Club im September 2023 muss sich ein 22-Jähriger jetzt am Landgericht verantworten. Zur Tatnacht gibt es mehrere unterschiedliche Darstellungen.
Aaron Niemeyer
 und  Christoph Sommer
 |  aktualisiert: 09.06.2024 02:30 Uhr

Seine Tat hat der 22-jährige Angeklagte bereits am Montag bei Prozessbeginn am Landgericht Würzburg gestanden: Er hatte im September 2023 einen 28-Jährigen mit Messerstichen getötet und zwei weitere Personen schwer verletzt. Am Dienstag wurde vor Gericht angesichts der Schilderungen von Augenzeugen deutlich: über den Hergang der Tat gibt es mehrere widersprüchlichen Versionen.

Laut Anklage hatte der 22-Jährige frühmorgens vor dem Club Frauen belästigt. Daraus habe sich ein Streit mit "wechselseitigen leichteren Körperverletzungshandlungen" entwickelt. Ein 28-Jähriger habe schlichten wollen. Der Staatsanwaltschaft zufolge stach der Angeklagte dann unvermittelt zu. Nach Ansicht der Verteidigung dagegen wurde der 22-Jährige selbst massiv angegriffen und griff zum Messer, um sich zu schützen.

Augenzeugin des Messerangriffs vor Würzburger Club: Konflikt mitbekommen 

Vor Gericht schilderte am Dienstag eine junge Frau, die sowohl mit der Familie des Angeklagten als auch mit dem Getöteten befreundet war, wie sie als Augenzeugin den Vorfall erlebte. Sie habe einen Konflikt vor dem Club mitbekommen und sei hingelaufen. In diesem Moment habe der 22-Jährige auf den 28-Jährigen eingestochen. 

Mit dem Angeklagten und seiner Mutter sei sie zuvor andernorts feiern gewesen, sagte die Zeugin. Den 22-Jährigen beschrieb sie als "gereizt". Der 28-Jährige sei hingegen "wie ein Bruder" für sie gewesen. "Er war ein Engel, ein Held", der Frauen immer wieder beschützt habe. "Bitte geh einfach", soll er der Zeugin zufolge vor den Stichen zu dem 22-Jährigen gesagt haben.

Begleiter des Angeklagten wurde selbst zum Opfer der Messerstiche

Ein zweiter Augenzeuge, damals ebenfalls mit der Familie des Angeklagten befreundet und bei den Partys am Abend dabei, schilderte am zweiten Verhandlungstag seine Beobachtungen so: Gemeinsam mit dem 22-Jährigen und einem weiteren Augenzeugen sei er nachts zum Studio gefahren. Vor dem Club hätten sie Frauen angesprochen. Eine habe aggressiv reagiert und gedroht, ihren Freund, einen der Türsteher des Clubs, zu holen.

Er sei dann einige Minuten weg gewesen, sagte der Zeuge. Als er zurückgekommen sei, sei eine Gruppe von "20 bis 30 Menschen" aggressiv auf den Angeklagten zugegangen und habe ihm Schläge angedroht. Als der 28-Jährige dazukam, habe er den 22-Jährigen zur Seite geführt - und sei dann selbst plötzlich zu Boden gegangen. Im Laufe des Tumults habe er plötzlich selbst starke Schmerzen an der Seite gespürt, schilderte der Zeuge. Erst dann habe er gemerkt, dass auch auf ihn eingestochen wurde. Der Begleiter ist nun als Nebenkläger am Prozess beteiligt.

In seiner Vernehmung bei der Polizei hatte er noch ausgesagt, der Angeklagte habe sich gegenüber den Frauen aggressiv verhalten. Den Widerspruch zu den Angaben jetzt erklärte er mit seinem Zustand kurz nach der Tat: Betäubt von der Narkose und voller "Hass" habe er sich damals falsch erinnert.

Ein Interesse daran, dass der 22-Jährige bestraft wird, habe er nicht, sagte der Nebenkläger. Nach seiner Aussage entschuldigte sich der Angeklagte bei ihm: Es tue ihm "unfassbar leid", sagte er bei einer Umarmung. Und der Nebenkläger erwiderte: "Ich hoffe, dass alles gut wird bei dir."

Zeuge berichtet von Schlägen und Tritten gegen den Angeklagten

Ein dritter Zeuge, ebenfalls mit dem Angeklagten befreundet, schilderte die Ereignisse so: Der 22-Jährige sei in der Nacht zwar tatsächlich gereizt gewesen, die Eskalation vor dem Club sei jedoch nicht von ihm ausgegangen.

Eine der Frauen habe ihn "aggressiv weggeschubst". Ein Türsteher sei dazu gekommen und habe dem Angeklagten "mehrere" Schläge ins Gesicht verpasst. Drei weitere Männer hätten den 22-Jährigen dann vom Club zum Haugerkirchplatz gebracht und ihn dort mit Schlägen ins Gesicht und Tritten attackiert: "Er ist hingeflogen, es wurde weiter geschlagen", schilderte der Zeuge. Dann sei der 28-Jährige gekommen, habe zu schlichten versucht - und sei zu Boden gegangen.

Eine teils neue Darstellung brachte in der Verhandlung schließlich ein vierter Augenzeuge ein. Er sprach von einem Schlag des Türstehers gegen den Angeklagten. Kurz darauf hätten sich der 22-Jährige und der 28-Jährige "geboxt und geschubst". Kurzzeitig hätten andere die beiden auseinander gezogen. Der Angeklagte habe jedoch weiter die Konfrontation mit dem späteren Opfer gesucht. Stiche habe er nicht beobachtet.

Vorsitzender Richter kritisiert "erheblichen Austausch" der Zeugen

Die Verteidiger der Nebenklage ärgerten sich über die teils wechselhaften Darstellungen. Und auch der Vorsitzende Richter Thomas Schuster äußerte Kritik: Es habe im Vorfeld des Prozesses "erheblichen Austausch der Zeugen über Social Media" gegeben. Dies erschwere nun die Beweisführung vor Gericht.

Der Prozess wird an diesem Mittwoch, 5. Juni, um 8 Uhr fortgesetzt.

 
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  • Peter Lorenz
    wohl dem der solche "Freunde " hat.:.auf den eigenen Bekannten mit dem man unterwegs war eingestochen ...toll.
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  • Hans-Martin Hoffmann
    Versteh ich nicht ganz

    also die drei (wobei mindestens einer sicherheitshalber ein Messer dabeihatte) sind nachts beim Club aufgetaucht, um Frauen anzumachen, wobei sie bei mindestens einer "richtig an die Falsche" geraten sind, abgeblitzt, haben Stress bekommen und dann wurde vor lauter Angst das Messer gezückt und damit losgelegt?

    Hm. Wurde eigentlich untersucht, ob Drogen im Spiel waren?

    Und erst vor ein paar Tagen stand ein Artikel in der MP mit dem Tenor "Frauen aufgepasst beim Ausgehen" (https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/ungewollt-beruehrt-auf-dem-heimweg-verfolgt-k-o-tropfen-im-glas-wie-sorgenfrei-gehen-frauen-noch-feiern-art-11486268)...
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  • Alfred Mahler
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  • Florian Stenger
    Wenn es so war gibt es dem Angeklagten nicht das Recht auf Menschen einzustechen. Wer Nachts beim Feiern ein Messer dabei hat, ist es schon vorprogrammiert das sowas dann zur Verteidigung genutzt wird oder als Vorwand. Es gibt auch andere Verteidigungsmittel wo kein Mensch stirbt wenn es eingesetzt wird.

    Der Messerstecher hat die volle Härte des Gesetztes zu spüren weil er einen Menschen getötet hat. Aber natürlich auch die anderen wenn es so gewesen ist das sie ihn verprügelt haben.
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