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Würzburg
Stellenabbau oder Betrieb macht dicht: Experten aus der Region geben Tipps, worauf Beschäftigte achten sollten
Mainfrankens Wirtschaft steckt in der Krise. Folge: Es werden Stellen gestrichen oder gleich ganze Werke geschlossen. Das wirft für Betroffene viele Fragen auf.
Wenn Werke wie jenes von Brose in Würzburg geschlossen werden sollen, bangen die Beschäftigten um ihre berufliche Zukunft. Dann gilt es, wichtige Weichen zu stellen. Das Bild zeigt Brose-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter bei einer Demo Mitte Februar in Würzburg.
Foto: Patty Varasano | Wenn Werke wie jenes von Brose in Würzburg geschlossen werden sollen, bangen die Beschäftigten um ihre berufliche Zukunft. Dann gilt es, wichtige Weichen zu stellen.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 12.04.2025 02:32 Uhr

Danone gibt sein Werk im Ochsenfurter Stadtteil Goßmannsdorf auf, der Würzburger Standort von Brose ist in Gefahr, die großen Industriebetriebe in Schweinfurt bauen reihenweise Stellen ab: Hiobsbotschaften dieser Art haben in jüngster Zeit zugenommen. Sie werfen gerade bei Beschäftigten viele Fragen auf.

Im Mittelpunkt steht dabei: Was ist wann zu beachten und wie geht es weiter? Wir fassen die Ratschläge von Fachleuten aus der Region zusammen.

Was sollten Beschäftigte umgehend tun, wenn sie zum Beispiel wegen Werksschließung mit einer betriebsbedingten Kündigung rechnen?

Keine überstürzten Entscheidungen treffen und nichts vorschnell unterschreiben, so lautet der übereinstimmende Tipp von Fachleuten. Vielmehr sollten Betroffene erst mal professionellen Rat suchen, zum Beispiel von Betriebsrat oder Gewerkschaft. Zudem sei es "auf jeden Fall ratsam, die Zeit bis zur endgültigen Schließung zu nutzen, um sich anderweitig umzusehen, um so eine mögliche Lücke im Lebenslauf zu vermeiden", rät die unter anderem auf Arbeitsrecht spezialisierte Rechtsanwältin Elisa Härder von der Würzburger Kanzlei Steinbock & Partner.

Denkbar sei für Betroffene auch, eine vorzeitige und einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzustreben. "Das sollte man aber nur tun, wenn man eine Anschlussbeschäftigung hat", so Härder. Wenn das nicht der Fall ist, bestehe die Gefahr, mit der Agentur für Arbeit Probleme zu bekommen. Bei geschicktem Taktieren gelinge es in der Regel auch, Abfindung und Anschlussarbeitsverhältnis zu kombinieren.

Für Betroffene sei es außerdem wichtig, gegen die erhaltene Kündigung innerhalb von drei Wochen Klage beim zuständigen Arbeitsgericht zu erheben, teilte Fachanwalt Thomas Meder von der Kanzlei Rausch-Meder-Münchmeier in Ochsenfurt im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit dem Stellenbau bei Valeo in Ebern (Lkr. Haßberge) mit. Versäume der Arbeitnehmer die Frist von drei Wochen, gelte die Kündigung in der Regel als korrekt.

Oft ist von einem "sozialverträglichen" Stellenabbau die Rede. Was heißt das?

Alle Maßnahmen, die betriebsbedingte Kündigungen vermeiden helfen, werden als sozialverträglicher Stellenabbau bezeichnet. Unternehmen haben dabei mehrere Möglichkeiten: Sie können die natürliche Fluktuation nutzen und frei werdende Arbeitsplätze nicht mehr besetzen. Sie können zudem Leiharbeit reduzieren, auslaufende Verträge nicht verlängern sowie Vorruhestand oder Abfindungen anbieten. Auch eine Verlagerung von Stellen in andere Betriebssparten oder der Wechsel von Beschäftigten in eine Transfergesellschaft gehören dazu.

Wichtig ist, dass Unternehmen und Betriebsrat einen Interessensausgleich unterschreiben. Er regelt vor allem, wie und wann eine gravierende Änderung oder gar die Schließung eines Betriebs vonstattengeht. Ein Sozialplan wiederum legt fest, wie Betroffene dafür entschädigt werden, dass sie Nachteile aus der Veränderung oder Schließung ihres Betriebes erleiden.

Was ist bei Abfindungen wichtig?

Die Zahlung von Abfindungen an Beschäftigte sind der Klassiker in Sozialplänen. Vanessa Mahler vom DGB-Rechtsschutz in Würzburg riet kürzlich im Zusammenhang mit dem Fall Brose: In Gesprächen mit dem Arbeitgeber über Abfindungen sollten Betroffene "niemals sofort etwas unterzeichnen". Gerade aus größeren Unternehmen sei bekannt, "dass sie zum Teil erquickliche Summen auszahlen. Das ist dann verlockend. Aber manchmal steckt der Teufel im Detail". Verlockende Angebote bei Aufhebungsverträgen hätten mitunter gravierende Nachteile bei den Sozialleistungen zur Folge.

Wie viel Geld ein Unternehmen als Abfindung gibt, sei nicht festgelegt, sagt Anwältin Härder. Sind die Stellenstreichungen mit besonders massiven Einschnitten für die Betroffenen verbunden, könne der Betrag höher ausfallen als bei der sogenannten Regelabfindung. Sie berechnet sich so: halbes Bruttomonatsgehalt mal Zahl der Beschäftigungsjahre in dem Betrieb. Weil sich auch das Finanzamt für Abfindungen interessiert, sollten Betroffene vor der Unterschrift einen Steuerberater einschalten, so Härder.

Wechsel in eine Transfergesellschaft: Was heißt das und was bringt es?

Transfergesellschaften sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fit machen für einen neuen Job. Die Gesellschaften stellen die ausscheidenden Beschäftigten eines Unternehmens befristet an – in der Regel auf zwölf Monate. Man werde insofern nicht sofort arbeitslos, erhalte weiterhin einen Teil seines Gehalts "und ist weiterhin sozialversichert", erläutert Rechtsanwältin Härder.

Der Wechsel in eine Transfergesellschaft sei für Betroffene freiwillig. Tun sie es, dann könnten sie grundsätzlich auch eine Abfindung des Betriebes in Anspruch nehmen, aus dem sie ausscheiden. Haken eines Wechsels: Finden Betroffene nach der Zeit in der Transfergesellschaft keine neue Anstellung, falle das Arbeitslosengeld niedriger aus, als wenn sie sich sofort arbeitslos gemeldet hätten, so der Hinweis von Härder.

 
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