Für Schweinfurt ist die am Montag angekündigte Schließung der Galeria-Kaufhof-Filiale ein Schock. Abgesehen von den Folgen für die örtliche Einkaufswelt, verlieren wahrscheinlich die 60 Beschäftigten bis spätestens Ende Januar 2024 ihre Arbeit. Welche Möglichkeiten sie jetzt haben, erläutert Elisa Härder. Die 33 Jahre alte Fachanwältin für Arbeitsrecht arbeitet in der Würzburger Kanzlei Steinbock und Partner. Sie hat sich unter anderem auf betriebsbedingte Kündigungen spezialisiert.
Elisa Härder: Im Allgemeinen ist es in solchen Fällen ratsam, sich bereits auf dem Arbeitsmarkt nach anderen Stellen umzusehen. Wir empfehlen auch, jeden Aufgabenwechsel, jeden Vorgesetztenwechsel und jede Versetzung zu nutzen, um sich ein Zwischenzeugnis ausstellen zu lassen. Das fördert den Bewerbungsprozess. Etwas spezieller ist die Überlegung, ob man einen besonderen Kündigungsschutz etwa durch einen geschickt gestellten Elternzeit-Antrag oder einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Gleichstellung im Sinne des Schwerbehinderten-Schutzes erlangen kann. In solchen Fällen kann der Arbeitgeber nicht mehr ohne Weiteres Kündigungen aussprechen.
Härder: Das ist richtig. Die Betroffenen sollten mal in ihre Verträge schauen, was dort als Arbeitsort geregelt ist. Wenn daraufhin ein Einsatz in einer anderen Filiale in Betracht kommt, kann das die Ausgangssituation dieser Arbeitnehmer verbessern. Zumindest müsste eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit dort geprüft werden.
Härder: Das lässt sich nicht pauschal beantworten, denn das ist immer eine Frage des Einzelfalls. Da spielt zum Beispiel das Alter eine Rolle: Wenn jemand kurz vor der Rente steht, stellt sich die Frage, wie dieser Beschäftigte mit dem Wechsel in eine Transfergesellschaft oder mit der Zahlung einer Abfindung am besten umgeht. Das wird eine andere Entscheidung sein als bei jemandem, der weiß, dass er die nächsten 30 Jahre noch arbeiten muss. Insofern sollte man sich bei solchen Angeboten individuell beraten lassen.
Härder: Natürlich ist der Betriebsrat für eine erste Einschätzung eine gute Möglichkeit. Daneben ist es immer ratsam, sich auch anwaltlichen Rat einzuholen. Im Arbeitsrecht ist es grundsätzlich so, dass jede Partei ihre Anwaltskosten selbst tragen muss. Unserer Kanzlei ist es in jedem Fall ein Anliegen, dass Lösungen gefunden werden, die für beide Parteien, also Anwalt und Mandant, eine gangbare Option sind. Werden etwa mehrere Mitarbeiter vertreten, dann geht es darum, Waffengleichheit gegenüber dem Arbeitgeber zu schaffen, der es unter Umständen mit 4000 oder 5000 solcher Fälle zu tun hat. Dann lassen sich gegebenenfalls mehrere Verfahren zusammenfassen, so dass sich der zeitliche Aufwand auf mehrere Schultern verteilen wird, was schlussendlich dem Mandanten zugute kommt.
Härder: Da die Schließung der Filiale in Schweinfurt auf Ende Januar 2024 fokussiert wird, sollte man die verbleibende Zeit auf jeden Fall nutzen, um eine solche Versicherung abzuschließen – mit dem Baustein Arbeitsrechtsschutz. Diesen Baustein empfehlen wir den Mandanten immer. Eine betriebsbedingte Kündigung löst zweifelsohne einen Rechtsschutzfall aus. Allerdings muss man mitunter Wartezeiten beachten. Das heißt, dass diese Rechtsschutzversicherungen erst drei, manchmal sechs Monate nach Vertragsabschluss greifen. Die Kündigung müsste also nach dieser Wartezeit ausgesprochen werden, damit die Kosten für eine Rechtsverteidigung von der Versicherung übernommen werden.
Härder: Es ist auf jeden Fall ratsam, die Zeit bis zur endgültigen Schließung zu nutzen, um sich anderweitig umzusehen, um so eine mögliche Lücke im Lebenslauf zu vermeiden. Zudem gibt es ein Gefühl der Sicherheit, wenn man weiß, dass man eine Perspektive hat. Man kann eine vorzeitige und einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses anstreben. Das sollte man aber nur tun, wenn man eine Anschlussbeschäftigung hat. Wenn das nicht der Fall ist, läuft man Gefahr, mit der Agentur für Arbeit Probleme zu bekommen. Bei geschicktem Taktieren gelingt es in der Regel auch, Abfindung und Anschlussarbeitsverhältnis zu kombinieren.
Härder: In der Tat war es in den vergangenen Monaten und Jahren in dieser Hinsicht verhältnismäßig ruhig. Man wartet jetzt irgendwie darauf, dass der große Schlag noch kommt. Wohin wir genau steuern, bleibt abzuwarten. Ich gehe aber davon aus, dass Kündigungen zunehmen werden, wenn die wirtschaftliche Situation so außergewöhnlich bleibt, wie sie ist.