
Das Brose-Werk in Würzburg und damit 1400 Arbeitsplätze stehen auf der Kippe. Belegschaft, Betriebsrat und IG Metall wehren sich gegen die Pläne der Unternehmensleitung in Coburg, die in der vergangenen Woche bekannt geworden sind.
Es ist offen, ob das 2008 in Betrieb genommene Werk des Autozulieferers gerettet werden kann. Deshalb geht Angst um unter den Beschäftigten in der Würzburger Ohmstraße. Teamleiterin Vanessa Mahler (46) von der Rechtsschutzabteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Würzburg gibt Betroffenen Tipps, auf was sie aktuell achten sollten.

Vanessa Mahler: Es ist im Moment noch nicht klar, was tatsächlich bei Brose passieren wird. Die Beschäftigten sollten sich dennoch jetzt schon beraten lassen. Wenn sie Gewerkschaftsmitglieder sind, dann bei ihrer Gewerkschaft. Ansonsten sind der Betriebsrat oder ein arbeitsrechtlich versierter Fachanwalt gute Ansprechpartner. Sich jetzt beraten zu lassen, ist schon deshalb sinnvoll, um schneller reagieren zu können, wenn in die Sache Bewegung kommt.
Mahler: Eine solche Eigenkündigung ist natürlich möglich. Sie macht aber nur dann einen Sinn, wenn die Betroffenen eine Anschlussbeschäftigung haben. Haben sie sie nicht, werden die Betroffenen Probleme mit der Agentur für Arbeit bekommen.
Mahler: Wenn ein Unternehmen, das einen Betriebsrat hat, geschlossen werden soll, wird normalerweise erst ein Sozialplan verhandelt. Er soll die Nachteile der Belegschaft wegen der Schließung mildern. Wenn dabei jemandem eine zumutbare Beschäftigung an einem anderen Ort im Unternehmen angeboten wird – und zumutbar dürfte Bamberg von der Distanz zu Würzburg her sein –, dann fallen die Betroffenen gegebenenfalls nicht mehr unter den Sozialplan. Deshalb rate ich ihnen, sich relativ schnell schlau zu machen: Wie ist das Angebot, wer genau ist betroffen?
Mahler: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Es kann zum einen eine einvernehmliche Veränderung des Arbeitsplatzes erfolgen. Das wäre dann ein Änderungsvertrag. Die Betriebszugehörigkeit und der soziale Besitzstand, den man sich erarbeitet hat, bleiben erhalten. Wenn es keine Einvernehmlichkeit gibt, dann kann der Arbeitsgeber eine Änderungskündigung aussprechen. Das heißt: Er beendet unter Einhaltung der Kündigungsfrist das aktuelle Arbeitsverhältnis und bietet an, ab dem Folgetag eine neue Beschäftigung an einem neuen Arbeitsort zu beginnen. Besteht ein Interessensausgleich oder Sozialplan, in dem solche Veränderungsmöglichkeiten festgehalten sind, dann gibt es oft Zuschüsse für die Belegschaft, zum Beispiel für Umzüge oder während einer Übergangszeit für die Fahrtkosten.
Mahler: Wenn es zu der Schließung des gesamten Unternehmens in Würzburg kommt, dann muss sich dieser Teil der Beschäftigten darauf einrichten, dass sie eine betriebsbedingte Beendigungskündigung bekommen. Denn eine Komplettschließung führt dazu, dass die Arbeitsplätze wegfallen. Das stellt laut Gesetz ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes und damit einen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar.
Mahler: Ja und nein. Eine Kündigung kann zum Beispiel unter formalen Gesichtspunkten unwirksam sein. Zum Beispiel, wenn Sonderkündigungsschutz etwa für Schwerbehinderte oder Schwangere vorliegt und der Arbeitgeber da etwas versäumt hat. Betroffene bekommen dann zwar nicht ihren Arbeitsplatz zurück, aber es kann dazu führen, dass der Arbeitgeber eine neue Kündigung aussprechen muss und sich dadurch die Kündigungsfrist verlängert. Dadurch gewinnt man Zeit. Aber auf lange Sicht bringt es natürlich nichts. Grundsätzlich gilt: Bei einer Betriebsschließung sind eine Änderungskündigung oder eine Versetzung immer vorrangig vor einer Beendigungskündigung, wenn an einem anderen Standort Arbeitsplätze frei sind.
Mahler: Da sollte man sich gegenüber dem aktuellen Arbeitgeber in der Tat bedeckt halten. Denn: In einem Sozialplan wird normalerweise immer ein finanzieller Ausgleich für den Verlust eines Arbeitsplatzes geregelt, also Abfindungen. In deren Genuss kommt man in der Regel nicht, wenn man selbst kündigt, weil man was Neues hat.
Mahler: Ich gehe davon aus, dass die Angebote an die Beschäftigten nach Absprache mit dem Betriebsrat gemacht werden und dass die Größen der Abfindungen dann in einem Sozialplan festgelegt sind. Nachzuverhandeln kann man dann immer noch versuchen. Da macht es auf jeden Fall Sinn, ein Betriebsratsmitglied oder jemanden von der Gewerkschaft mitzunehmen. Meine dringende Empfehlung: In einem solchen Gespräch niemals sofort etwas unterzeichnen. Gerade aus größeren Unternehmen ist bekannt, dass sie zum Teil erquickliche Summen auszahlen. Das ist dann verlockend. Aber manchmal steckt der Teufel im Detail. Je nachdem bekommt man bei der Agentur für Arbeit eine Sperrzeit für mehrere Monate. Dann ist der finanzielle Vorteil sehr schnell minimiert. Man sollte sich also immer Bedenkzeit und einen schriftlichen Entwurf des Aufhebungsvertrages geben lassen.