Für die katholische Kirche sind es keine erfreulichen Zahlen. Die Zahl ihrer Mitglieder geht zurück, es fehlt an Seelsorgern, die finanziellen Ressourcen schwinden. Diese Entwicklung macht auch vor dem Bistum Würzburg nicht Halt. Nachdem sich die Diözese im vergangenen Jahr zur Haushaltskonsolidierung von einem Teil der Bildungshäuser getrennt hat, soll es jetzt einen Schritt weiter gehen. Auf dem Prüfstand stehen Bauten, die seit Jahrhunderten ein fester Bestandteil des täglichen Lebens und nahezu eines jeden Dorfes sind: die Kirchen.
Das Bistum kategorisiert derzeit alle Kirchen, Pfarrhäuser und Pfarrheime. Im Kern geht es dabei um die Frage, welche Gebäude, Bau- und Instandsetzungsmaßnahmen weiter von der Diözese mitfinanziert werden können - und welche nicht. Projektleiter der Immobilienkategorisierung der Diözese ist Dr. Jürgen Emmert, Leiter der Abteilung Kunst im Bischöflichen Ordinariat Würzburg. Im Gespräch sagt er, was der aktuelle Stand im Prozess ist.
Dr. Jürgen Emmert: Der Kirchenhaushalt wird wohl nicht mehr wachsen. Die Kirchenaustritte nehmen zu. Die Zahl der Haupt- und Ehrenamtlichen sinkt. Anhand dieser Zahlen stellt sich die Frage: Was brauchen und können wir in Zukunft? Wir werden nicht mehr alles finanzieren können. Man wird ein Stück demütiger. Wir müssen unseren Blick weiten. In jeder Kommune hat jeder Verein seinen eigenen Veranstaltungsraum. Braucht jeder seine eigenen Räume? Die Kirche sucht derzeit zwecks gemeinsamer Nutzungen das Gespräch mit Gruppen, Vereinen, Kommunen und auch mit der evangelischen Kirche. Wir gehen das Projekt sehr offen an.
Emmert: Dieses Motto haben wir uns bewusst gegeben. Es ist unser Ziel, dass die Kirche im Dorf bleibt. Es stellt sich jedoch zum einen die Frage, ob wir in einem Ort noch zwei Kirchen brauchen, und zum anderen, ob nicht auch andere Nutzungen möglich sind. Bei einer Kirche am Untermain beispielsweise hat die Kommune bereits Interesse signalisiert, die Kirche für Veranstaltungen zu nutzen. Es werden aber auch weiterhin Gottesdienste dort stattfinden.
Emmert: Unsere Arbeitsgruppe nimmt eine Kategorisierung der Gebäude vor. In jedem Pastoralen Raum gibt es in der Regel einen Moderator beziehungsweise eine Koordinatorin oder einen Koordinator. Seit November 2021 finden mit diesem zunächst Sondierungsgespräche statt. Seit April gehen wir zu Infoabenden in jeden Pastoralen Raum und besprechen in einem größeren Kreis - Kirchenpfleger, Haupt- und Ehrenamtliche, Pfarrgemeinderäte etcetera - unsere Vorstellungen von den einzelnen Gebäuden. Dann sollen diese vier Monate Zeit für Rückmeldungen von Alternativen haben.
Emmert: Die Arbeitsgruppe besteht neben meiner Person aus Christof Gawronski, der Umweltbeauftragter des Bistums und auch Referent für Gemeindeentwicklung sowie pastorale Konzeption ist. Und aus Dr. Wolfgang Schneider, Kunsthistoriker und Diözesankonservator im Bistum.
Emmert: Bei den Kirchen untersuchen wir deren pastorale, historische und künstlerische Bedeutung, außerdem die Lage, Barrierefreiheit, Zahl der Parkplätze und natürlich die Anzahl der Gläubigen. Wichtig die Frage, ob in einer Kirche auf längere Sicht das Angebot eines vielfältigen und regelmäßigen Gottesdienstes gewährleistet ist. Für die Kirchen wurden fünf Kategorien erarbeitet, von A bis E. Unter A fallen herausragende Kirchen, wie zum Beispiel auf dem Kreuzberg im Landkreis Rhön-Grabfeld oder in Retzbach im Landkreis Main-Spessart. Unter C ist die klassische Dorfkirche zu verstehen und unter E dann Kirchen, für die eine neue Nutzung angestrebt werden soll. Betroffen hiervon sind Zweitkirchen, also Gemeinden, in denen in der Nachkriegszeit eine weitere Kirchengemeinde ausgegründet oder eine größere Pfarrkirche errichtet wurde. Bei der Kategorie A erteilt die Diözese Zuschüsse für Generalsanierungen und bauliche Ergänzungen, bei E nur noch für die Verkehrssicherheit.
Emmert: Bei den Pfarrhäusern wird unter anderem vorgeschlagen, wie viele Dienstwohnungen für Priester in den Jahren 2030 und 2040 benötigt werden, wo sich Standorte für die Koordinierungsbüros im Pastoralen Raum, für die Pfarrbüros vor Ort in den Pfarreiengemeinschaften sowie für zentrale Pfarrheime befinden.
Emmert: Die letzte Entscheidung obliegt dem Bischof. Die Ebene davor besteht aus Generalvikar Dr. Jürgen Vorndran, Finanzdirektor Sven Kunkel und Domkapitular Albin Krämer, der auch Leiter der Hauptabteilung Seelsorge ist.
Emmert: Ja, haben sie. Wenn sie einen anderen Bedarf sehen als wir, dann schauen wir uns das miteinander an. Die Einflussmöglichkeiten sind da, aber mit Maß und Ziel.
Emmert: Ohne die Kapellen haben wir im Bistum aktuell rund 950 Kirchen. Derzeit ist davon auszugehen, dass von denen etwa 80 als sogenannte Zweitkirchen nicht mehr bezuschusst werden. In den Fällen wird geprüft, ob es eine andere Nutzung gibt. Wir sagen ja nicht, die Kirche muss weg. Wir sagen, wir können sie nicht mehr bezuschussen. Die letzte Entscheidung zum künftigen Betrieb liegt bei den Kirchenstiftungen. Vielleicht finden sich Menschen vor Ort, die das in die Hand nehmen. Das alles muss man sich als einen längeren Prozess vorstellen. Wir haben keine Zielvorgabe oder eine Prozentzahl, die erfüllt werden muss. Dafür wäre ich auch nicht bereit. Das ist ein lebendiges Verfahren. In das gehen wir, ohne dass das Ergebnis vorher schon feststeht.
Emmert: Unser Ziel entspricht unserem Motto "Die Kirche bleibt im Dorf". Das bedeutet, dass es vor Ort und in jedem Dorf Räume geben soll, wo sich Gläubige treffen können. Wir müssen jedoch umlernen. In kleinen Dörfern zum Beispiel kann es zu Mischnutzungen kommen, insofern dass dort nicht nur Gottesdienste, sondern auch andere Veranstaltungen stattfinden.
Emmert: Dazu kann ich vor den Besuchen in den Pastoralen Räumen noch nichts sagen.
Emmert: Das ist ein Thema, das die Gemüter bewegt. Ich selbst stamme aus einem fränkischen Dorf, in dem meine Vorfahren getauft und beigesetzt wurden. Ich habe aber auch zusehen müssen, wie sich das Dorf verändert hat. Unsere Aufgabe macht nicht nur Spaß, sie muss aber gemacht werden. Wir müssen der Realität ins Auge sehen. Dabei ist Fairness gefragt. Wir dürfen uns streiten, aber es darf nicht persönlich werden. Wir sehen schon, wie viel Veränderungen wir zumuten. Aber wenn wir irgendwann keine Ehrenamtlichen mehr finden, ist es für Veränderungen schon zu spät. Auch ich bin mit Emotionen dabei.
Emmert: Wir haben 43 Pastorale Räume im Bistum. Von 43 wurden 20 durchgeführt. Dreimal waren wir schon zu Infoabenden in den Pastoralen Räumen. Wenn wir Ende des Jahres die ersten Ergebnisse haben, dann sind wir gut dabei.
Emmert: Die Umsetzung der Bezuschussung ist die eine Sache, es wird aber kein "Jetzt ist alles anders" sein, sondern ein jahrelanger Prozess, in dem auch nach Lösungen und Möglichkeiten gesucht wird. In dem ein oder anderen Fall wird es vielleicht recht schnell gehen. So besteht zum Beispiel bei einer Kirche im Bistum Interesse vor Ort, diese in ein Wohnhaus umzuwandeln. Das ist alles sehr vielschichtig.
Emmert: Es kommt nicht die große Abrissbirne. Ein Abriss ist die allerletzte Lösung für uns. Vielleicht findet sich eine Arztpraxis oder eine Tagespflege, die ein Gebäude nutzen möchte. Dann bleibt es sichtbar erhalten als Zeichen für das, was es einmal war.
Nachdem man vor Jahren aus mehreren Kirchengemeinden eine Pfarreiengemeinschaft gebildet hat kommt nun als nächster Schritt die pastoralen Räume.
Aber was ist mit der Leitung und Verwaltung. Bei zurückgehender Anzahl von Gläubigen wäre es doch nur konsequent das Erzbistum Bamberg und das Bistum Würzburg zusammenzulegen. Gleichzeitig könnte man für die zusammengelegten Bistümer eine schlanke und effektive Verwaltung installieren die dringend notwendig ist. Da könnte sehr viel Geld eingespart werden das an anderer Stelle dringend gebraucht wird. Aber am eigenen Stuhl sägt man natürlich nicht!
Das Problem sind sicherlich auch in Zukunft nicht die Gebäude sondern das fehlende Personal. So lange sich die kath. Kirche hier für Veränderungen sperrt wird es sicherlich nicht besser.
Der Sparkurs ist wohl bitter nötig. Neue Mitglieder gewinnt man so aber sicherlich nicht dazu. Ich glaube die kath. (als auch die ev. Kirche) befinden sich in einem Abwärtsstrudel bzgl. der Mitgliederzahlen dessen Ende noch lange nicht erreicht ist.
Und was die Pfarrhäuser selber angeht: jeder Arbeitnehmer, der eine Dienstwohnung zugewiesen bekommt, hat diesen "Luxus". Und es gibt andere Berufsgruppen, die sich ihr Zuhause zwar selber suchen können, aber dennoch zu einem Wohnort verpflichtet sind, von dem aus sie in einer festgelegten Zeit am Arbeitsplatz eintreffen können müssen.
Allerdings: direkt neben dem Arbeitsplatz wohnen, 24/7 erreichbar sein müssen, praktisch keine Privatsphäre - ob das wirklich Luxus ist?