Schwester Katharina Ganz ist Beraterin im Forum "Frauen in Diensten und Ämtern" des Synodalen Wegs der katholischen Kirche in Deutschland. Die 1970 in Kitzingen geborene und in Willanzheim aufgewachsene Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen in Zell am Main (Lkr. Würzburg) hat einen sehr positiven Eindruck von der jüngsten Vollversammlung in Frankfurt. Im Gespräch erläutert die promovierte Theologin und Autorin des Buchs "Frauen stören. Und ohne sie hat Kirche keine Zukunft" (Echter), warum der deutsche Weg eine Vorreiterrolle für die jetzt in Rom gestartete weltkirchliche Synode einnehmen könnte.
Schwester Katharina Ganz: Ich bin mit gemischten Gefühlen nach Frankfurt gefahren, denn ich war mir unsicher, ob die Vollversammlung etwas voranbringt. Aber die Art und Weise, wie dort gesprochen und gerungen wurde, wie offen verschiedene Positionen ausgetauscht wurden und wie fair man miteinander umgegangen ist – das hat mir wieder mehr Hoffnung gemacht.
Ganz: Das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Der Synodale Weg wird Folgen haben – für das Miteinander in unserer Kirche und auch für die zu treffenden Entscheidungen. Sehr wichtig war, dass es nach den Online-Konferenzen wegen der Corona-Pandemie jetzt wieder ein Präsenztreffen sein konnte. Auch die Zeiten zwischen den Sitzungen, etwa die Gespräche bei den Mahlzeiten und in den Pausen, sind sehr wertvoll für die Begegnung und für den informellen Austausch.
Ganz: Es wurde fokussiert bei 13 von 16 Textvorlagen gearbeitet. Mehr ging zeitlich nicht. Die meisten Dokumente sind mit einer großen Mehrheit in der ersten Lesung beschlossen worden, kein einziges Papier wurde zurückgewiesen. Damit ist der eingeschlagene Weg bestätigt worden. Entscheidend sind dann die Abstimmungen im nächsten Jahr.
Ganz: Das war eine scharfe Entgleisung und natürlich ein Schlag in die Magengrube der Betroffenen. Eigentlich hätte man aufstehen und den Saal verlassen müssen. Gut war, das Bischof Overbeck von Essen ihm sofort widersprochen hat.
Ganz: Ohne diese massiven Verbrechen an Schutzbefohlenen und ihre Vertuschung würde es diesen Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland nicht geben. Wenn man natürlich die Grundlage anzweifelt, wie es einzelne Bischöfe tun, dann ist es klar, dass man den Weg nicht befürwortet, weil man ihn gar nicht angegangen wäre und zudem unterstellt, dass mit diesem Reformprozess Themen gepuscht werden sollen, die angeblich gar nicht mit dem Missbrauch in Verbindung zu bringen sind. Aber diese Position teile ich nicht.
Ganz: Am meisten überrascht war ich bei der Abstimmung zum Text aus dem Forum "Leben in gelingenden Beziehungen". Dort gibt es meiner Meinung nach den größten Paradigmenwechsel – weg von einer Sexualmoral, die auf Verboten aufbaut, hin zu einer Beziehungsethik. Also weg von: Wann ist wo Geschlechtsverkehr erlaubt oder ungeordnet und sündhaft? Und hin zu: Wie leben denn Menschen miteinander in verbindlichen und auf Dauer angelegten Beziehungen, in Treue und lieben sich in gegenseitigem Einvernehmen? Dieses Papier wurde mit großer Mehrheit angenommen. Das zeigt mir, dass auch ein Großteil der Bischöfe die Lebenswirklichkeit der Menschen anerkennt.
Ganz: Vor der Versammlung wurden wir gefragt, ob wir überhaupt unsere Arbeit machen würden, weil wir nur drei Handlungstexte eingereicht haben. Andere Foren sind schon viel weiter. Wir haben uns bewusst auf Punkte beschränkt, die in Bezug auf Frauen kirchenrechtlich möglich sind: Auf Frauen als Theologie-Professorinnen, die das pastorale Personal ausbilden, auch Priester. Auf Frauen in der Gemeinde-Leitung. Diesbezüglich hat Papst Franziskus auf der Amazonas-Synode 2019 gesagt, dass es Klerikalismus wäre, Frauen dies abzusprechen. Der dritte Text bezog sich auf die weltkirchliche Perspektive. Wir wollten einen Akzent auf den gerade begonnenen weltweiten synodalen Weg setzen. Die Fragen im Frauenforum betreffen nicht nur die deutsche Kirche. Es sind weltkirchliche Fragen.
Ganz: Wir waren uns dennoch einig im Forum, dass bei uns die meisten heißen Eisen behandelt werden und wir Zeit brauchen, um die Textvorlagen gründlich zu erarbeiten. Unser Ziel ist, Geschlechtergerechtigkeit herzustellen: Dienste und Ämter in unserer Kirche sollen nicht mehr vom Geschlecht abhängen, sondern von Begabung, Charisma, Kompetenz und Berufung. Die Frauen-Thematik wird nicht nur in unserem Forum behandelt, sondern auch im Forum "Macht und Gewaltenteilung", denn die größte Machtfülle ist an die Weiheämter gebunden. Künftig wird es Kleingruppen aus beiden Foren geben, die gemeinsam an diesem Thema arbeiten.
Ganz: Bei diesem Text gab es den meisten Diskussionsbedarf. Bei einer Teilfrage kam es zu einer äußerst knappen Abstimmung. Es wurde beantragt, dass sich das Forum auch mit der grundsätzlichen Frage auseinandersetzen soll, ob es das sakramentale Priestertum überhaupt noch braucht. Dies wurde mit 95 zu 94 Stimmen angenommen.
Ganz: Was die Bischöfe anbelangt, gab es mehrere Anregungen - etwa, dass das Domkapitel bei der Erstellung der Liste mit geeigneten Kandidaten für die Bischofsernennung das Volk Gottes einbezieht. Auch sollten Bischöfe und Priester Rechenschaft über ihre Amtsführung ablegen – so wie wir das auch bei den Orden kennen. Ordensobere und -oberinnen werden demokratisch gewählt und ihre Amtszeit ist begrenzt.
Ganz: Es gab Einwände, etwa: Wenn ein Bischofsamt auf Zeit vergeben wird, dann käme es alle paar Jahre zu einem Wahlkampf. Diese Argumentation finde ich überzogen. Auch hier könnte man von den Orden lernen.
Ganz: Und Thomas Schüller sagt, der Synodale Weg sei betreutes Diskutieren. Ich teile diese Einschätzung nur bedingt. Kirchenrechtlich stimmt vieles von den Einwänden dieser Kirchenrechtler. Wir haben mit dem Synodalen Weg ein Sonderkonstrukt. Es ermöglicht, dass bei den Vollversammlungen demokratisch abgestimmt wird. Universalkirchenrechtlich vorgesehen ist, dass Laien Kleriker lediglich beraten. Aber ich glaube nicht, dass der Synodale Weg erfolglos bleibt. Der Zug rollt.
Ganz: Wenn es diesbezüglich zu einer Ablehnung aus Rom käme, kann ich mir nicht vorstellen, dass das vom Volk Gottes einfach hingenommen wird. Dann hätte die kirchliche Hierarchie zwar ein weiteres Mal ein Machtwort gesprochen, aber ihre Autorität verspielt. Es wird wieder zum pastoralen Ungehorsam von Seelsorgenden und Lehrenden kommen wie im März zum "responsum ad dubium" (lat: Antwort auf einen Zweifel) der Glaubenskongregation aus Rom, in dem die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare untersagt wurde.
Ganz: Schon jetzt ist klar: Der Weg, den die deutsche Kirche geht, ist kein Sonderweg. Es gibt auch synodale Wege in anderen Ländern. Und jetzt hat der Papst den Weg auf eine weltkirchliche Ebene gehoben. Das sehe ich als Riesenchance. Denn wir sind in Deutschland schon weiter. Unsere Themen können wir mit weltkirchlicher Perspektive betrachten und Schnittstellen zur Weltkirche herstellen. Wir könnten sogar Avantgarde sein für die Weltkirche!
Ganz: Ich bin zwar positiv gestimmt, Sorge bereitet mir aber, wie der apostolische Nuntius (Anm. der Red.: der diplomatische Vertreter des Vatikans), Erzbischof Eterovic, seine Eindrücke aus Frankfurt dem Papst schildern wird.
Und selbst wenn: wenn die Franziskanerinnen das für sich als passendes Ziel feststellen, wer darf darüber urteilen? Menschen, die den Weg nicht teilen, dem die Schwestern sich verschrieben haben? Eher nicht, würde ich meinen.
Und überdies: Franziskus, auf den der Orden sich zurückführt, hat bereits im 13. Jhdt. die gesamte Natur als Mitgeschöpfe gewürdigt, denen Achtung, Rücksichtnahme und Respekt gebührt. 800 Jahre später ringen sie in Glasgow um Klimakompromisse.
Also, wenn die FranziskanerInnen keine Avantgarde - im Wortsinne: die Voranschreitenden - sind, wer dann?
Jenseits der notwendigen Aufklärung und künftigen Verbindungen des Missbrauchs, es gibt doch schon eine Glaubensgemeinschaft in der die meisten der Forderungen umgesetzt sind.
Wieso wechseln die unzufriedenen dann nicht einfach und lassen den mit der katholischen Kirche zufriedenen das bestehende Glaubensmodell?
…es soll da mal einen Priester gegeben haben da war am Sonntag um 11:30 der Dom gerammelt voll…
…sicher nur eine Legende aus den Zeiten vor dem synodalen Weg….
Schwester Katharina Ganz: "Ich glaube nicht, dass der Synodale Weg erfolglos bleibt. Der Zug rollt." /
Meine Meinung: Hoffen und harren macht manche zum Narren.